Auslegung eines Kündigungsschreibens
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M ist Mieter von V. Er entschließt sich auszuziehen und schreibt daher V einen Brief mit dem Inhalt: „Ich habe eine bessere und billigere Wohnung gefunden, weshalb wir uns zum Monatsende trennen müssen.“
Einordnung des Falls
Auslegung eines Kündigungsschreibens
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Bei der Auslegung der Erklärung des M ist der „wirkliche Wille“ (§ 133 BGB) des M maßgeblich.
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Nein!
2. Die Erklärung des M ist nach objektiviertem Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) so zu verstehen, dass M den Mietvertrag zum Monatsende kündigen wollte.
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Genau, so ist das!
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Bienenschwarmverfolger
28.3.2021, 15:36:02
Zum Antworttext der ersten Frage: Das Auslobungsversprechen wird, obwohl es nicht empfangsbedürftig ist, nicht anhand des inneren Willens des Erklärenden ausgelegt, sondern nach dem Durchschnitt des durch die öffentliche Bekanntmachung angesprochenen Personenkreises (MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 657 Rn. 6).

Lukas_Mengestu
21.12.2021, 18:59:26
Danke Dir, das haben wir präzisiert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
David.
23.11.2022, 09:21:35
Wäre es nicht genauer zu sagen, dass auch bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen in erster Linie der wirkliche Wille maßgeblich ist, sollte dieser vom Erklärungsempfänger jedoch nicht erkannt werden, dass dann im Rahmen einer normativen Auslegung zu ermitteln ist, wie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte diese verstehen durfte?

Lukas_Mengestu
23.11.2022, 17:17:50
Hallo David, vielen Dank für die Nachfrage! Die von Dir vorgeschlagene Wendung würde das Regel-Ausnahme-Verhältnis bei empfangsbedürftigten Willenserklärungen etwas auf den Kopf stellen. Um einerseits den Rechtsverkehr zu schützen und andererseits den Absender nicht über Gebühr zu belasten, gilt bei der Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen im Grundsatz, dass diese nach dem objektivierten Empfängerhorizont auszulegen sind. Ausnahmsweise kann davon aber abgewichen werden, wenn der Empfänger einen anderen Willen des Absenders erkennt (zB bei vereinbarten Codewörtern oder in den Fällen der falsa demonstratio non nocet). Normalerweise ist aber der tatsächliche (Geschäfts-)Wille des Erklärenden unerheblich. Ggfs. muss er seine Erklärung anfechten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
David.
24.11.2022, 11:46:16
Okay danke :)
silasowicz
4.8.2023, 10:56:03
Ich schließe mich der Frage ein bisschen an... Wie ist die Kette §§ 133, 157 dann überhaupt zu verstehen? Wird § 133 eigentlich nur deswegen mitzitiert bei der Auslegung, weil § 157 im Abschnitt über Verträge und gerade nicht mehr in dem über Willenserklärungen steht und ist das streng genommen nicht sogar eine Analogie hinsichtlich § 157?