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Jurafuchs

M ist Mieter von V. Er entschließt sich auszuziehen und schreibt daher V einen Brief mit dem Inhalt: „Ich habe eine bessere und billigere Wohnung gefunden, weshalb wir uns zum Monatsende trennen müssen.“

Einordnung des Falls

Auslegung eines Kündigungsschreibens

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bei der Auslegung der Erklärung des M ist der „wirkliche Wille“ (§ 133 BGB) des M maßgeblich.

Nein!

Bei der Auslegung von Willenserklärungen ist zu unterscheiden: (1) Bei nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen (z.B. Testament) ist in der Regel der „wirkliche Wille“ (§ 133 BGB) des Erklärenden maßgeblich. (2) Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen ist entgegen dem Wortlaut des § 133 BGB grundsätzlich nicht der „wirkliche Wille“ des Erklärenden maßgeblich. Ansonsten liefen die Anfechtungsregeln der §§ 119ff. BGB leer. Empfangsbedürftige Willenserklärungen sind so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste (Lehre vom objektivierten Empfängerhorizont, abgeleitet aus §§ 133, 157 BGB). Die Kündigung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Maßgeblich ist der objektivierte Empfängerhorizont.

2. Die Erklärung des M ist nach objektiviertem Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) so zu verstehen, dass M den Mietvertrag zum Monatsende kündigen wollte.

Genau, so ist das!

Bei der Auslegung nach dem objektivierten Empfängerhorizont ist weder das subjektive Verständnis des Erklärenden maßgeblich, noch das subjektive Verständnis des Erklärungsempfängers. Entscheidend ist die Sicht eines objektiven Verkehrsteilnehmers in der Situation des Erklärungsempfängers. Ein objektiver Verkehrsteilnehmer in der Situation des V hätte die Erklärung des M, er habe eine bessere und billigere Wohnung gefunden und müsse sich zum Monatsende von V trennen, als Kündigung des Mietvertrags verstanden.

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BIE

Bienenschwarmverfolger

28.3.2021, 15:36:02

Zum Antworttext der ersten Frage: Das Auslobungsversprechen wird, obwohl es nicht empfangsbedürftig ist, nicht anhand des inneren Willens des Erklärenden ausgelegt, sondern nach dem Durchschnitt des durch die öffentliche Bekanntmachung angesprochenen Personenkreises (MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 657 Rn. 6).

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

21.12.2021, 18:59:26

Danke Dir, das haben wir präzisiert. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DAV

David.

23.11.2022, 09:21:35

Wäre es nicht genauer zu sagen, dass auch bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen in erster Linie der wirkliche Wille maßgeblich ist, sollte dieser vom Erklärungsempfänger jedoch nicht erkannt werden, dass dann im Rahmen einer normativen Auslegung zu ermitteln ist, wie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte diese verstehen durfte?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.11.2022, 17:17:50

Hallo David, vielen Dank für die Nachfrage! Die von Dir vorgeschlagene Wendung würde das Regel-Ausnahme-Verhältnis bei empfangsbedürftigten Willenserklärungen etwas auf den Kopf stellen. Um einerseits den Rechtsverkehr zu schützen und andererseits den Absender nicht über Gebühr zu belasten, gilt bei der Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen im Grundsatz, dass diese nach dem objektivierten Empfängerhorizont auszulegen sind. Ausnahmsweise kann davon aber abgewichen werden, wenn der Empfänger einen anderen Willen des Absenders erkennt (zB bei vereinbarten Codewörtern oder in den Fällen der

falsa demonstratio

non nocet). Normalerweise ist aber der tatsächliche (Geschäfts-)Wille des Erklärenden unerheblich. Ggfs. muss er seine Erklärung anfechten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DAV

David.

24.11.2022, 11:46:16

Okay danke :)

SI

silasowicz

4.8.2023, 10:56:03

Ich schließe mich der Frage ein bisschen an... Wie ist die Kette §§ 133, 157 dann überhaupt zu verstehen? Wird § 133 eigentlich nur deswegen mitzitiert bei der Auslegung, weil § 157 im Abschnitt über Verträge und gerade nicht mehr in dem über Willenserklärungen steht und ist das streng genommen nicht sogar eine Analogie hinsichtlich § 157?

MWA

mwally

24.12.2023, 02:24:35

In einem anderen Thread hat das jemand m.M.n. gut zusammengefasst: § 133 BGB normiert das Ziel der Willensauslegung: die Erforschung des Willens § 157 BGB legt die Perspektive fest: zum Zwecke des Verkehrsschutzes wird die Perspektive eines objektiven Dritten eingenommen


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