Zivilrecht

Deliktsrecht

§ 823 Abs. 2 BGB

Normalfall § 823 Abs. 2 BGB

Normalfall § 823 Abs. 2 BGB

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Student S parkt zum wiederholten Male die Ausfahrt der rüstigen Rentnerin R zu. R wartet am Auto des S und schlägt diesem vorsätzlich ins Gesicht, als S von seiner Vorlesung zurückkehrt. S hat eine gebrochene Nase, die Behandlungskosten betragen €3.000.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Normalfall § 823 Abs. 2 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 223 StGB setzt einen Verstoß gegen ein Schutzgesetz voraus.

Ja!

Der Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 223 StGB setzt voraus: (1) den Verstoß gegen ein Schutzgesetz, das den Geschädigten schützt, (2) Rechtswidrigkeit, (3) Verschulden hinsichtlich der Schutzgesetzverletzung und (4) einen dem Schädiger zurechenbaren Schaden.
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2. § 223 StGB ist ein Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB.

Genau, so ist das!

Schutzgesetz ist eine materielle Rechtsnorm (Art. 2 EGBGB), die nach ihrem Zweck und Inhalt zumindest auch dazu bestimmt ist, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen. Ob dies der Fall ist, ist der jeweiligen Norm im Wege der Auslegung zu entnehmen. Anhaltspunkt für einen Individualschutz ist, dass bereits der Tatbestand der Norm private Rechtsgüter oder Interessen einbezieht. § 223 StGB schützt zumindest auch den Schutz von Körper und Gesundheit Einzelner. R hat § 223 StGB rechtswidrig und schuldhaft verletzt, indem sie S vorsätzlich schlug.

3. S fällt unter den von § 223 StGB geschützten Personenkreis.

Ja, in der Tat!

Hat jemand gegen ein Schutzgesetz verstoßen, schuldet er Schadensersatz nur solchen Geschädigten, deren Schutz dieses Gesetz nach seinem Zweck und Inhalt auch bezweckt (persönlicher Schutzbereich). § 223 StGB bezweckt Schutz von Körper und Gesundheit der „anderen Person“, welche hier S ist.

4. R handelte rechtswidrig.

Ja!

Der Verstoß gegen das Schutzgesetz indiziert die Rechtswidrigkeit. Regelmäßig, insbesondere im Strafrecht, wird die Rechtswidrigkeit bereits bei der Schutzgesetzverletzung geprüft. Hier wurde die Rechtswidrigkeit schon im Rahmen des § 223 StGB festgestellt.

5. R handelte schuldhaft.

Genau, so ist das!

Das erforderliche Verschulden muss sich bei § 823 Abs. 2 BGB nur auf die Schutzgesetzverletzung beziehen, nicht auf den Schaden. Der Verschuldensmaßstab hängt vom verletzten Schutzgesetz ab: Erfordert ein Straftatbestand Vorsatz, muss dieser nach den Regeln des StGB vorliegen. Bei Fahrlässigkeitsdelikten gilt hingegen nach h.M. der objektive Sorgfaltsmaßstab des Zivilrechts. Verlangt das Schutzgesetz selbst kein Verschulden, muss dennoch mindestens Fahrlässigkeit vorliegen (§§ 823 Abs. 2 S. 2, 276 BGB), die jedoch vermutet wird. R handelte wie festgestellt vorsätzlich (§§ 223, 15 StGB).

6. Der eingetretene Schaden ist der R zurechenbar.

Ja, in der Tat!

Die haftungsausfüllende Zurechnung setzt bei § 823 Abs. 2 BGB voraus, (1) dass es sich um einen Schaden handelt, dessen Eintritt das Schutzgesetz verhindern will und (2) dass die Art und Weise der Schadensverwirklichung vom Schutzzweck des verletzten Schutzgesetzes erfasst ist. § 223 StGB will gerade Körperschäden verhindern, sodass die Behandlungskosten für den Nasenbruch der R zurechenbar sind.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

EVA

evanici

11.9.2023, 16:37:45

Die Differenzierung hier in der Haftungsausfüllung nach Kausalität und Zurechnung finde ich sehr hilfreich und irgendwie kam die mir beim Durcharbeiten von den § 823 Ier-Einheiten zu kurz... Der Prüfungspunkt "haftungsausfüllende Kausalität" hat sich wahrscheinlich trotzdem durchgesetzt und lokalisiert die

objektive Zurechnung

bzw. den

Schutzzweck der Norm

als Untergliederungspunkt nach "äquivalent-kausal" und "adäquat-kausal" und nicht als eigene Kategorie nach der haftungsausfüllenden Kausalität, oder? So wurde es ja zumindest bei § 823 I hier vorgestellt. Müsste man den Prüfungspunkt nicht eigentlich Haftungsausfüllung nennen und dann nach der Kausalität, aufgeteilt in Äquivalenz und Adäquanz, sodann den

Schutzzweck der Norm

/Zurechnung ansprechen? Entsprechendes habe ich mir auch bei der haftungsbegründenden Kausalität gedacht...

CitiesOfJudah

CitiesOfJudah

22.9.2023, 16:46:27

Könnte man hier im Rahmen der Prüfung des §

223 StGB

anprüfen, ob die Tat des R ggf. durch Notwehr gedeckt ist, weil seine Einfahrt und damit sein Rechtsgut Eigentum beeinträchtigt wird?

LELEE

Leo Lee

23.9.2023, 15:57:47

Hallo CitiesOfJudah, das könnte man in der Tat kurz ansprechen, wobei dies an der Gebotenheit oder Erforderlichkeit scheitern dürfte (da Anwendung von Gewalt bei einem solchen Fall eher unangemessen scheint) :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

paulmachtexamen

paulmachtexamen

14.7.2024, 09:04:05

Ich finde man könnte / sollte hier noch das Selbsthilferecht des Besitzers (R) aus 859 im Rahmen der Rechtswidrigkeit anprüfen, aber iE ablehnen. Schließlich stört der S die R durch das Zuparken in ihrem Besitz (859). Vielleicht kann man das ja als Vertiefungshinweis noch ergänzen ✌🏻


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