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Haftungsausschluss beim Verkauf eines in Schwarzarbeit gebauten Hauses

Haftungsausschluss beim Verkauf eines in Schwarzarbeit gebauten Hauses

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V verkauft K unter Ausschluss der Gewährleistungsrechte ein Grundstück. Dort hatte U im Auftrag des V in Schwarzarbeit ein Gebäude errichtet, worüber V den K nicht aufklärte. Nach der Übergabe bemerkt K Fehler in der Bauwerksabdichtung, von denen V jedoch nichts wusste.

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Einordnung des Falls

Haftungsausschluss beim Verkauf eines in Schwarzarbeit gebauten Hauses

Dieser Fall lief bereits im 1./2. Juristischen Staatsexamen in folgenden Kampagnen
Examenstreffer Hamburg 2023
Examenstreffer Berlin/Brandenburg 2023
Examenstreffer Niedersachsen 2023

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K könnte gegen V wegen der mangelbedingten Wertminderung des Grundstücks ein Schadensersatzanspruch zustehen (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB).

Ja!

Dies setzt voraus: (1) Bestehen eines Kaufvertrags, (2) Vorliegen eines Mangels bei Gefahrübergang (§§ 434f. BGB), (3) Kein Ausschluss (§§ 442, 444 BGB), (4) Erfolglose Fristsetzung oder Entbehrlichkeit, (5) Vertretenmüssen (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Die mangelhafte Leistung (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB) ist zugleich die relevante Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB). K könnte nicht nur Ersatz des Minderwertes, sondern auch Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten verlangen.
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2. Die unzureichende Abdichtung des Gebäudes stellt einen Sachmangel des Grundstücks dar (§ 434 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB n.F.).

Genau, so ist das!

Die Kaufsache wäre mangelfrei, wenn sie eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann. Die „Üblichkeit“ beurteilt sich nach der Verkehrsanschauung. Die Abdichtung ist eine körperliche Eigenschaft des Bauwerks und unterfällt damit dem Beschaffenheitsbegriff. Eine fehlerfreie Abdichtung des Mauerwerks gegen Feuchtigkeit ist im Verkehr üblich. Nur so kann ein langfristiger Bestand des Bauwerks gewährleistet werden. Damit liegt ein Mangel vor.

3. Die Tatsache, dass das Gebäude unter Verstoß gegen das SchwarzArbG errichtet wurde, stellt einen Sachmangel des Grundstücks dar.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Sache ist mangelhaft, wenn bei Gefahrübergang die Ist- von der (vereinbarten und/oder gesetzlich definierten) Soll-Beschaffenheit abweicht (§ 434 Abs. 1 BGB n.F.). Zur Beschaffenheit zählen die körperlichen Eigenschaften, aber auch die Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben. Der Verstoß gegen das SchwarzArbG beeinflusst die Qualität des errichteten Gebäudes nicht. Daher wirkt er sich auch nicht auf die Wertschätzung des Grundstücks aus und ist damit keine relevante Umweltbeziehung.

4. K stünde kein Schadensersatzanspruch zu, wenn V die Gewährleistungsrechte wirksam ausgeschlossen hat.

Ja!

Ein kaufrechtlicher Haftungsausschluss setzt voraus: (1) Ausschlussvereinbarung, (2) Zulässigkeit des Ausschlusses (z.B. § 476 Abs. 1 BGB n.F.; bei Vorliegen von AGB §§ 305ff. BGB). Ob ein Verbrauchsgüterkauf vorliegt, ist beim Ausschluss von Schadensersatzansprüchen unerheblich (§ 476 Abs. 3 BGB n.F.). Wird in einem Kaufvertrag sowohl eine bestimmte Beschaffenheit als auch ein pauschaler Haftungsausschluss vereinbart, ist der Ausschluss in der Regel dahin auszulegen, dass er nicht für das Fehlen der vereinbarten Beschaffenheit gilt.

5. Allerdings stünde K ein Schadensersatzanspruch trotz Haftungsausschlusses zu, wenn V den Abdichtungsmangel arglistig verschwiegen hätte (§ 444 Alt. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Der Verkäufer verschweigt einen Mangel arglistig, wenn er weiß oder billigend in Kauf nimmt, (1) dass die Sache mangelhaft ist (§§ 434f. BGB), (2) dass der Käufer den Mangel nicht kennt und (3) dass der Käufer den Kaufvertrag bei Kenntnis des Mangels nicht (so) abgeschlossen hätte. Die Berufung auf den Haftungsausschluss ist nur gegenüber den Gewährleistungsrechten ausgeschlossen, die sich gerade aus dem verschwiegenen Mangel ergeben. Hinsichtlich sonstiger, nicht arglistig verschwiegener Mängel kann der Verkäufer sich auf den Ausschluss berufen.

6. V kann sich auf den Haftungsausschluss berufen, obwohl er K nicht über den Verstoß gegen das SchwarzArbG beim Bau des Gebäudes aufgeklärt hat (§ 444 Alt. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Um arglistig zu sein, muss der Verkäufer wissen oder billigend in Kauf nehmen, (1) dass die Sache mangelhaft ist (§§ 434f. BGB), (2) dass der Käufer den Mangel nicht kennt und (3) dass der Käufer den Kaufvertrag bei Kenntnis des Mangels nicht (so) abgeschlossen hätte. Ein Schwarzbau ist steuer- oder gewerberechtlich problematisch, stellt aber selbst keinen Mangel dar. Von dem konkreten Abdichtungsmangel wusste V nichts, sodass er sich auf den Ausschluss berufen kann. In Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit genügt es nicht, wenn sich dem Verkäufer das Vorliegen eines Mangels hätte aufdrängen müssen.Aufgepasst! Hierin liegt der Kern der Entscheidung: Die Tatsache, dass ein Gebäude in Schwarzarbeit errichtet wurde, lässt nicht den Schluss zu, dass der Verkäufer (Eventual-)Vorsatz hinsichtlich des Bestehens eines konkreten Mangels besitzt!

7. Steht K ein Schadensersatzanspruch wegen der fehlerhaften Bauwerksabdichtung zu (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB)?

Nein!

Dies setzt voraus: (1) Bestehen eines Kaufvertrags, (2) Vorliegen eines Mangels bei Gefahrübergang (§§ 434f. BGB), (3) Kein Ausschluss (§§ 442, 444 BGB), (4) Erfolglose Fristsetzung oder Entbehrlichkeit, (5) Vertretenmüssen (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Zwar stellt die fehlerhafte Abdichtung einen Mangel dar. Allerdings wurde die Haftung zwischen V und K wirksam ausgeschlossen. Da V nichts von dem Abdichtungsmangel wusste, kann er sich auch auf den Haftungsausschluss berufen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

IS

IsiRider

12.4.2022, 10:12:40

Ein

Rechtsmangel

kommt also nicht in Betracht?

frausummer

frausummer

12.4.2022, 16:33:36

Bleibt denn irgendeine Möglichkeit Schadensersatz zu bekommen?

UL

Ulmenhorst

12.4.2022, 16:35:45

Passt jdf. vom Wortlaut von 435 nicht, wenn es dort darum geht, dass Dritte Recht in Bezug auf die Sache, die so nicht vereinbart waren. Hab mich noch gefragt, ob ähnlich wie bei Verstößen gegen Baurecht ein (dann aber Sach-)Mangel angenommen werden kann. Da aber ein Verstoß gegen das Baurecht mit den entsprechenden Folgen für das Gebäude (ZB potenzielle Abrissverfügung) ersichtlich wertmindernd ist, und ein ähnlicher Effekt beim Verstoß gegen das Schwarzarbeitsgesetz mE fehlt, komme ich zu keinem Ergebnis.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

13.4.2022, 18:42:45

Hallo zusammen, der BGH hat in diesem Urteil noch einmal klargestellt, dass der Käuferschutz nur im Hinblick auf die in §§ 434, 435 BGB verankerten Mangelbegriffe greift. Der Vorwurf lautet hier ja eigentlich nicht "Du hast das Haus in Schwarzarbeit errichten lassen". Denn wenn das Haus dabei mangelfrei errichtet worden wäre, so wäre dem Käufer die Historie wohl herzlich egal. Vielmehr lautet der zentrale Vorwurf "Die Bauwerksdichtung ist mangelhaft". Diesbezüglich haben die Parteien aber privatautonom einen Haftungsausschluss vereinbart. Daran muss sich der Käufer letztlich festhalten lassen. Da V bezüglich des konkreten Mangels nicht arglistig war, ist dieser Ausschluss wirksam und damit kommen im Ergebnis auch keine Schadensersatzansprüche in Betracht. Ein "

Rechtsmangel

" liegt - wie Ulmenhorst schon zurecht eingewandt hat - nicht vor, da der Schwarzbau kein Recht Dritter darstellt. Will ein Käufer vermeiden, dass er ein Schwarzbauhaus kauft, so steht es ihm aber frei, diesbezüglich eine entsprechende

Beschaffenheitsvereinbarung

in den notariellen Kaufvertrag aufzunehmen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BBE

bibu knows best

26.6.2022, 07:33:42

Okay dann hab ich noch eine Rückfrage: wie wäre es denn zb, wenn die zuständige Behörde bereits eine Abriss Verfügung erlassen hätte? Dies wäre doch dann ein

Rechtsmangel

oder ? Und wir wäre es, wenn zB ein Wohnhaus vom Käufer gewerblich genutzt werden wollen würde und hierfür bestätigend keine Nutzungsänderung in Frage kommt. Das wäre doch für den Käufer auch ein

Rechtsmangel

oder ?

CR7

CR7

12.4.2023, 09:04:46

@[bibu knows best](176205) Ich glaube in diesem Fall wäre es bei der materiellen Illegalität so, dass die Behörde ja das Haus noch genehmigen kann, wenn es mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Einklang steht. In der Verhältnismäßigkeit prüft man ja, ob der Abriss schwerer wiegt als die nachträgliche Genehmigung. Insofern denke ich, dass dann § 434 III S. 1 Nr. 1 BGB einschlägig wäre, da sich das Haus nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet, wenn es abgerissen wird. Aber eventuell besteht dann ein SE-Anspruch gegen V wegen der Kosten für die nachträgliche Genehmigung, da ja gerade die Schwarzarbeit arglistig verschwiegen wurde.

CR7

CR7

12.4.2023, 09:05:33

Ich frage mich aber hier: Der Vertrag zwischen U und V wird wohl wegen § 138 BGB nichtig sein, so dass K gegen U keine Ansprüche aus § 311 III oder VSD geltend machen könnte. Wäre dann aber hier nicht § 826 BGB einschlägig?

LEEO

leeoon

25.4.2023, 14:06:52

Examenstreffer Berlin 2023/I

NI

Nils

25.4.2023, 14:07:13

Hahahah in Niedersachsen auch! Grüße

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.4.2023, 14:10:52

Lieben Dank euch für die Meldung und weiterhin viel Erfolg! Die Daumen sind gedrückt! Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

NI

Nils

25.4.2023, 14:07:01

Examenstreffer heute in NDS

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.4.2023, 14:17:01

Vielen Dank für die Meldung, Nils! Und viel Erfolg für die verbleibenden Klausuren! Beste Grüße, Lukas

MAX

Max

26.4.2023, 17:39:52

Ebenfalls examenstreffer in Hamburg :D

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.4.2023, 18:00:19

Klasse, danke Max! Die Daumen sind für den Endspurt gedrückt :-)

Juliaa

Juliaa

26.4.2023, 23:21:22

Auch in NRW :)

Blackpanther

Blackpanther

30.6.2023, 09:16:15

Angenommen, es liegt kein Haftungsausschluss vor: hätte V den Mangel über § 278 zu vertreten?

DAV

David.

8.9.2023, 10:17:52

Könnte man nicht auch über eine Sittenwidrigkeit des Gewährleistungsausschlusses nachdenken? Für mich wirkt es so, als ob V das Risiko eines Mangels durch den Ausschluss der Gwährleistung auf K verlagert hätte. Ich kenne mich in der Baupraxis nicht aus, aber ich würde jetzt spontan davon ausgehen, dass Bauunternehmen, welche ihre Leistungen schwarz anbieten, weniger seriös sind und ihre Werke auch fehleranfälliger.

LELEE

Leo Lee

8.9.2023, 11:26:23

Hallo David, in der Tat scheint es nicht derart fertigend, über eine Sittenwidrigkeit des Gewährleistungsausschlusses an sich nachzudenken. Beachte allerdings, dass sich der Gewährleistungsausschluss sich immer auf einen konkreten Mangel beziehen muss, der im konkreten Fall relevant ist. Hier gibt es zwei Anhaltspunkte: I. Bauwerksabdichtung und II. Schwarzarbeit. Hier muss man strikt trennen, denn die Tatsache, dass die Abdichtung mangelhaft ist, mag zwar mit der Schwarzarbeit was zu tun haben; allerdings ist Schwarzarbeit eben nicht Teil des Mangels, weil die "schwarze" Errichtung des Gebäudes eben nichts mit der Beschaffenheit zu tun hat (so die Entscheidung in Rn. 21 f.). Für den zweiten Satz deiner Frage kann man in der Tat sich die Frage stellen, ob die "Risikoverlagerung" an sich eine Sittenwidrigkeit begründet. Jedoch besagt § 444 BGB gerade, dass dies eben erlaubt ist, es sei denn, man ist arglistig usw. Ein Fall von § 138 I BGB (Knebelung, Unerfahrenheit usw.) ist ebenfalls nicht gegeben. Wichtig ist im Endeffekt (und das ist die Kernaussage der Entscheidung), dass man beachtet, dass der Mangel "in sich geschlossen" bewertet werden muss, also frei von jeder rechtlichen Wertung (wie die Schwarzarbeit). Denn Beschaffenheit einer

Kaufsache

im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB sind sowohl alle Faktoren anzusehen, die der Sache selbst anhaften, als auch alle Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben. Die Schwarzarbeit beeinflusst jedoch den Wert der Sache, weil die Schwarzarbeit eben das errichtete Haus nicht selbst betrifft. Hierzu kann ich die Lektüre von Rn. 21 f. der Entscheidung sehr empfehlen (https://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/vzr24_20.htm) :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo

DAV

David.

8.9.2023, 11:30:41

Danke dir für die ausführliche Antwort! 👍🏼👍🏼

GELD

Geldhatmanzuhaben

2.9.2024, 13:34:14

Kann ein pauschaler Gewährleistungsausschluss nach §§ 133, 157 BGB nicht dahingehend ausgelegt werden, dass nur solche Mängel nicht erfasst sind, die ein durchschnittlicher Käufer nach Prüfung der Sache erkennen kann? Dies wird ja auch i.R.v. Kfz-Gewährleistungsausschlüssen vertreten, warum nicht hier?

LELEE

Leo Lee

9.9.2024, 08:19:47

Hallo

Geld

hatmanzuhaben, vielen Dank für die sehr gute Frage! In der Tat könnte man sich diese Frage stellen. Eine mögliche Erklärung ist, dass hier der pauschale Ausschluss an sich nicht unwirksam oder problematisch war, zumal 444 NICHT griff. Deshalb musste der BGH insofern keine Stellung nehmen, da der Ausschulss an sich am Ende wirksam war und Bestand hatte :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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