Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Fahrlässigkeit

Geschwindigkeitsüberschreitungsfall

Geschwindigkeitsüberschreitungsfall

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A und B fahren mit überhöhtem Tempo in eine Kreuzung und stoßen zusammen. B stirbt. Wäre A mit zulässigem Tempo gefahren, hätte er auch nicht mehr vor der Kreuzung anhalten können. Er wäre aber 0,6 Sek. später am Ort des Zusammenstoßes angelangt und B hätte die Fahrspur bereits überquert gehabt.

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Einordnung des Falls

Geschwindigkeitsüberschreitungsfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat sich objektiv sorgfaltspflichtwidrig verhalten.

Ja, in der Tat!

Der einschlägige Sorgfaltsmaßstab ergibt sich aus § 3 StVO. Danach ist die zulässige Geschwindigkeit einzuhalten. A fährt mit überhöhter Geschwindigkeit und verhält sich damit sorgfaltspflichtwidrig.
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2. Der Tod des B war auch objektiv vorhersehbar.

Ja!

Die objektive Vorhersehbarkeit setzt voraus, dass der Erfolgseintritt sowie Kausalverlauf für einen Durchschnittsmenschen des jeweiligen Verkehrskreises absehbar gewesen ist. Für einen durchschnittlichen Autofahrer ist es nicht unvorhersehbar, dass beim Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit Unfälle mit mitunter tödlichen Folgen passieren können.

3. Bei rechtmäßigem Alternativverhalten wäre der Unfalltod des B vermieden worden.

Genau, so ist das!

Bei Fahrlässigkeitsdelikten muss im Rahmen der objektiven Zurechnung auch ein Pflichtwidrigkeitszusammenhang bestehen. Dieser ist nach der Vermeidbarkeitstheorie gegeben, wenn der konkrete Erfolg bei pflichtgemäßen Alternativverhalten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermeidbar gewesen wäre.Wäre A pflichtgemäß mit der vorgeschriebenen Geschwindigkeit gefahren, hätte der Zusammenstoß mit B mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden.Der Schutzzweckzusammenhang entfällt im Übrigen nicht dadurch, dass der Unfall genauso auf die überhöhte Geschwindigkeit des B zurückführbar ist. Der Zweck des im Verkehrsinteresse geschaffenen § 3 Abs. 3 StVO erfasst auch diesen Fall.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

jomolino

4.10.2021, 20:29:36

Entfällt hier nicht der

Schutzzweckzusammenhang

weil das Geschwindigkeitsgebot nicht verhindern soll, dass die Person zu einer bestimmten Zeit an einem Ort ist an dem es zum Zusammenstoß kommt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

6.10.2021, 11:35:35

Hallo nomamo, berechtigte Frage und gar nicht so leicht. In der tat sollen Geschwindigkeitsbeschränkungen und andere Verkehrsgebote (zB rote Ampel) nicht dazu dienen sicherzustellen, dass eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort ist. Vorliegend dient die Geschwindigkeitsbeschränkung aber auch dazu, die Bremsmöglichkeit der Fahrer zu verbessern. Zwar hätte A auch bei ordnungsgemäßer Geschwindigkeit nicht verhindern können, dass er in die Kreuzung hineinfährt. Er hätte aber jedenfalls so gut bremsen können, dass B bereits die Kreuzung überquert gehabt hätte, sodass es "gerade noch eimal gut" gegangen wäre. Insofern liegt durchaus der notwendige

Schutzzweckzusammenhang

vor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

JO

jomolino

23.10.2021, 18:15:37

Ich habe mir den Sachverhalt gerade nochmal angeschaut, der deutet mMn gerade auf was anderes hin. Vielleicht könntet ihr noch einen Hinweis zur Bremsmöglichkeit ergänzen, so denkt man es käme gerade auf die Zeitliche Verzögerung der Ankunft am Unfallort an.

Johannes Nebe

Johannes Nebe

25.6.2022, 09:08:28

Den Einwand hätte ich auch. Dass eine falsche Fährte gelegt wird, ist ok. Aber für die richtigen Schlüsse bietet der Sachverhalt fast nichts.

NEHA

Neha

24.3.2023, 12:12:29

Finde auch, dass es hier nicht deutlich wird. Ich hätte den

Schutzzweckzusammenhang

in der Klausur abgelehnt. Es steht auch nicht im Sachverhalt, dass der Fahrer hätte so gut bremsen können, dass der Unfall vermieden worden wäre.

QUIG

QuiGonTim

15.2.2022, 15:58:49

Auf der Zeichnung sieht es ja so aus, als hätte B dem A die Vorfahrt genommen. Wie wäre der Fall unter diesem zusätzlichen Gesichtspunkt zu bewerten? Würde man schon bei der objektiven Vorhersehbarkeit ggf. unter Verweis auf die Konkretisierung des Vertrauensgrundsatzes rausfliegen?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

15.2.2022, 17:27:34

Hallo QuiGonTim, auch im Originfall hatte B dem A die Vorfahrt genommen. Das auch B sich verkehrswidrig verhalten hatte, änderte indes nichts an der strafrechtlichen Verantwortung des A. Insbesondere ist objektiv eben auch mit verkehrswidrigem Verhalten Dritter zu rechnen. Allenfalls auf Ebene der Schuld könnte man sich dann noch fragen, ob A auch subjektiv fahrlässig gehandelt hat. Damit hatten sich die Revisionsinstanzen nicht mehr zu befassen, da sie den Fall zur weiteren Aufklärung des Unfallhergangs wieder zurückverwiesen haben. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

SN

Sniter

30.1.2023, 14:20:53

Liebes Team, der

Zurechnungszusammenhang

ist hier aufgrund von rechtmäßigem Alternativverhalten des A unterbrochen. A ist nicht wegen § 222 / § 229 strafbar. Habe ich das richtig verstanden?

SN

Sniter

11.2.2023, 13:39:48

Also ich finde den Fall extrem schwer zu verstehen, würde ihn aber -für alle, denen es ähnlich geht- so zusammenfassen: Der A wurde am Ende wegen § 222 verurteilt (vgl JuS 2015, 402 (406)) mithin muss der Pflichtwidrigkeitszshg vom BGH bejaht worden sein. Es bleibt aber grds weiterhin dabei, dass die obj Zurechnung entfällt, wenn der gleiche Erfolg auch bei verkehrsgerechtem Verhalten des Fahrzeugführers eingetreten wäre (vgl. NJW 1985, 1350 (1351)). Allerdings hat der BGH diesen Fall als Anlass genommen, eine Rückausnahme zu schaffen, denn das Ausbleiben des Zusammenstoßes, was letztlich nur auf der Fortbewegung des anderen Verkehrsteilnehmers zurückzuführen wäre, ist laut BGH unerheblich (vgl. NJW 1985, 1350 (1352)). Die Entscheidung ist beachtlich, weil das Opferverhalten in den Zurechnungszshg mit einbezogen wird (vgl. JuS 2015, 402 (406)).

STE

Stella

14.2.2024, 15:26:21

Ist es hier nicht aber so, dass der Tod des B (der Erfolg) bei rechtmäßigem alternativverhalten des A ausgeblieben wäre? Weil dann wäre A später an der Kreuzung gewesen und B hätte diese schon überquert. Also ist die Annahme des

Pflichtwidrigkeitszusammenhang

s in diesem Fall doch richtig und keine Ausnahme?


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