Geschwindigkeitsüberschreitungsfall
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A und B fahren mit überhöhtem Tempo in eine Kreuzung und stoßen zusammen. B stirbt. Wäre A mit zulässigem Tempo gefahren, hätte er auch nicht mehr vor der Kreuzung anhalten können. Er wäre aber 0,6 Sek. später am Ort des Zusammenstoßes angelangt und B hätte die Fahrspur bereits überquert gehabt.
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Einordnung des Falls
Geschwindigkeitsüberschreitungsfall
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat sich objektiv sorgfaltspflichtwidrig verhalten.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Tod des B war auch objektiv vorhersehbar.
Ja!
3. Bei rechtmäßigem Alternativverhalten wäre der Unfalltod des B vermieden worden.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
jomolino
4.10.2021, 20:29:36
Entfällt hier nicht der
Schutzzweckzusammenhangweil das Geschwindigkeitsgebot nicht verhindern soll, dass die Person zu einer bestimmten Zeit an einem Ort ist an dem es zum Zusammenstoß kommt?
Lukas_Mengestu
6.10.2021, 11:35:35
Hallo nomamo, berechtigte Frage und gar nicht so leicht. In der tat sollen Geschwindigkeitsbeschränkungen und andere Verkehrsgebote (zB rote Ampel) nicht dazu dienen sicherzustellen, dass eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort ist. Vorliegend dient die Geschwindigkeitsbeschränkung aber auch dazu, die Bremsmöglichkeit der Fahrer zu verbessern. Zwar hätte A auch bei ordnungsgemäßer Geschwindigkeit nicht verhindern können, dass er in die Kreuzung hineinfährt. Er hätte aber jedenfalls so gut bremsen können, dass B bereits die Kreuzung überquert gehabt hätte, sodass es "gerade noch eimal gut" gegangen wäre. Insofern liegt durchaus der notwendige
Schutzzweckzusammenhangvor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
jomolino
23.10.2021, 18:15:37
Ich habe mir den Sachverhalt gerade nochmal angeschaut, der deutet mMn gerade auf was anderes hin. Vielleicht könntet ihr noch einen Hinweis zur Bremsmöglichkeit ergänzen, so denkt man es käme gerade auf die Zeitliche Verzögerung der Ankunft am Unfallort an.
Johannes Nebe
25.6.2022, 09:08:28
Den Einwand hätte ich auch. Dass eine falsche Fährte gelegt wird, ist ok. Aber für die richtigen Schlüsse bietet der Sachverhalt fast nichts.
Neha
24.3.2023, 12:12:29
Finde auch, dass es hier nicht deutlich wird. Ich hätte den
Schutzzweckzusammenhangin der Klausur abgelehnt. Es steht auch nicht im Sachverhalt, dass der Fahrer hätte so gut bremsen können, dass der Unfall vermieden worden wäre.
QuiGonTim
15.2.2022, 15:58:49
Auf der Zeichnung sieht es ja so aus, als hätte B dem A die Vorfahrt genommen. Wie wäre der Fall unter diesem zusätzlichen Gesichtspunkt zu bewerten? Würde man schon bei der objektiven Vorhersehbarkeit ggf. unter Verweis auf die Konkretisierung des Vertrauensgrundsatzes rausfliegen?
Lukas_Mengestu
15.2.2022, 17:27:34
Hallo QuiGonTim, auch im Originfall hatte B dem A die Vorfahrt genommen. Das auch B sich verkehrswidrig verhalten hatte, änderte indes nichts an der strafrechtlichen Verantwortung des A. Insbesondere ist objektiv eben auch mit verkehrswidrigem Verhalten Dritter zu rechnen. Allenfalls auf Ebene der Schuld könnte man sich dann noch fragen, ob A auch subjektiv fahrlässig gehandelt hat. Damit hatten sich die Revisionsinstanzen nicht mehr zu befassen, da sie den Fall zur weiteren Aufklärung des Unfallhergangs wieder zurückverwiesen haben. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Sniter
30.1.2023, 14:20:53
Liebes Team, der
Zurechnungszusammenhangist hier aufgrund von rechtmäßigem Alternativverhalten des A unterbrochen. A ist nicht wegen § 222 / § 229 strafbar. Habe ich das richtig verstanden?
Sniter
11.2.2023, 13:39:48
Also ich finde den Fall extrem schwer zu verstehen, würde ihn aber -für alle, denen es ähnlich geht- so zusammenfassen: Der A wurde am Ende wegen § 222 verurteilt (vgl JuS 2015, 402 (406)) mithin muss der Pflichtwidrigkeitszshg vom BGH bejaht worden sein. Es bleibt aber grds weiterhin dabei, dass die obj Zurechnung entfällt, wenn der gleiche Erfolg auch bei verkehrsgerechtem Verhalten des Fahrzeugführers eingetreten wäre (vgl. NJW 1985, 1350 (1351)). Allerdings hat der BGH diesen Fall als Anlass genommen, eine Rückausnahme zu schaffen, denn das Ausbleiben des Zusammenstoßes, was letztlich nur auf der Fortbewegung des anderen Verkehrsteilnehmers zurückzuführen wäre, ist laut BGH unerheblich (vgl. NJW 1985, 1350 (1352)). Die Entscheidung ist beachtlich, weil das Opferverhalten in den Zurechnungszshg mit einbezogen wird (vgl. JuS 2015, 402 (406)).
Stella
14.2.2024, 15:26:21
Ist es hier nicht aber so, dass der Tod des B (der Erfolg) bei rechtmäßigem alternativverhalten des A ausgeblieben wäre? Weil dann wäre A später an der Kreuzung gewesen und B hätte diese schon überquert. Also ist die Annahme des
Pflichtwidrigkeitszusammenhangs in diesem Fall doch richtig und keine Ausnahme?