Bei mittelbarer Täterschaft 3

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

T plant mit D, wie diese gemeinsam den O erschrecken können. Dazu soll D auf den O mit einer Spielzeugwaffe schießen. T überreicht dem D jedoch eine echte Waffe, was dieser zunächst nicht erkennt. Auf dem Weg zu O erkennt D jedoch, dass es sich um eine echte Waffe handelt. D erschießt O daraufhin.

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Einordnung des Falls

Bei mittelbarer Täterschaft 3

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat einen Totschlag in mittelbarer Täterschaft (§§ 212 Abs. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) begangen.

Nein, das trifft nicht zu!

Zwar ist O tot und wurde durch D getötet. T hatte jedoch keine, nach herrschender Meinung erforderliche, Tatherrschaft, sodass T nicht mittelbarer Täter ist. D handelt volldeliktisch.
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2. Die herrschende Meinung bejaht eine vollendete Anstiftung (§ 26 StGB).

Ja!

Nach der herrschenden Meinung besteht objektiv eine Anstiftung und subjektiv eine mittelbare Täterschaft. Der Vorsatz in Bezug auf die mittelbare Täterschaft enthält den Vorsatz zur Anstiftung als „Minus“ zur mittelbaren Täterschaft. Demnach wäre T vorliegend wegen vollendeter Anstiftung zu bestrafen.

3. Eine Mindermeinung geht von einer versuchten mittelbaren Täterschaft aus.

Genau, so ist das!

Eine Mindermeinung geht von einer versuchten mittelbaren Täterschaft aus, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen. Der Vorsatz zur Anstiftung enthalte das Fördern einer fremden Tat als Beteiligter, was im Vorsatz der mittelbaren Täterschaft gerade nicht enthalten sei, da eine eigene Tat gewollt sei. Einen Unterschied macht dies insbesondere in den Fällen, in denen ein Versuch nicht strafbar ist, da eine versuchte mittelbare Täterschaft dann ausscheidet. Eine Strafbarkeit kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn die übrigen Voraussetzungen der versuchten mittelbaren Täterschaft vorliegen.

4. Der Versuch eines Totschlages (§ 212 Abs. 1 StGB) ist strafbar.

Ja, in der Tat!

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn das Gesetz es ausdrücklich bestimmt (§ 23 Abs. 1 StGB). Totschlag ist ein Verbrechen und daher bereits im Versuch strafbar (§§ 212 Abs. 1, 12 Abs. 1 StGB).

5. T hat „Tatentschluss“ bezüglich eines Totschlages.

Ja!

Tatentschluss ist der subjektive Tatbestand des Versuchs. Er umfasst den auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale gerichteten Vorsatz sowie sonstige subjektive Tatbestandsmerkmale. Der Täter hat Tatentschluss, wenn er endgültig entschlossen ist, den Deliktstatbestand zu verwirklichen. Dabei wird zur bloßen Tatgeneigtheit abgegrenzt. T ist entschlossen den O zu töten beziehungsweise töten zu lassen.

6. T hat „Tatentschluss“, die Tat durch D zu begehen.

Genau, so ist das!

Der Täter muss Vorsatz in Bezug auf alle objektiven Tatbestandsmerkmale haben. Daher ist im Tatentschluss die Vorstellung des Täters mit den Theorien über die Täterschaft und Teilnahmetheorien zu prüfen. Nach herrschender Ansicht ist daher auf die Tatherrschaft abzustellen und ob der Täter sich eine Situation vorstellt, die, würde sie zutreffen, eine Tatherrschaft begründen würde. T stellt sich vor, den D als undoloses Werkzeug zu nutzen und die Wahrheit zu verschweigen. Tatentschluss in Bezug auf die mittelbare Täterschaft liegt daher vor.

7. T hätte unstreitig die Versuchsschwelle überschritten, wenn D auf O geschossen hätte, ohne Vorsatz in Bezug auf eine Tötung zu haben.

Ja, in der Tat!

Das objektive Tatbestandselement des Versuchs liegt im unmittelbaren Ansetzen zur Tatbestandsverwirklichung (§ 22 StGB). Das unmittelbare Ansetzen liegt vor, wenn der Täter subjektiv die Schwelle des „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet und objektiv – unter Zugrundelegung seiner Vorstellung – Handlungen vornimmt, die bei ungestörtem Fortgang ohne wesentliche Zwischenschritte zur Tatbestandsverwirklichung führen oder mit ihr in unmittelbarem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen. Im Rahmen der mittelbaren Täterschaft ist der Versuchsbeginn umstritten. Hat der Tatmittler selbst unmittelbar angesetzt, wird jedoch ein unmittelbares Ansetzen des Täters unstreitig bejaht. D war jedoch in diesem Zeitpunkt nicht mehr Tatmittler, sondern Einzeltäter.

8. Nach der Rechtsprechung hat T die Versuchsschwelle überschritten, als er D die Waffe gab und diesen losschickte.

Ja!

Die Rechtsprechung vertritt die Entlassungslösung (auch modifizierte Einzellösung genannt), wonach der Täter bei Entlassung des Tatmittlers in das Versuchsstadium tritt, wenn dieser die Tat alsbald begeht und der Täter den Eintritt der Tathandlung für sicher hält. Ist der Eintritt der Tathandlung unsicher, dann liegt erst bei unmittelbarem Ansetzen des Tatmittler ein Versuch beim Täter vor. T ging davon aus, dass D auf O schießen würde. Indem T den D entließ, trat T ins Versuchsstadium. Nach der Gesamtlösung liegt ein unmittelbares Ansetzen erst dann vor, wenn der Tatmittler in das Versuchsstadium eintritt. Nach der Einzellösung liegt ein unmittelbares Ansetzen bereits bei Einwirkung vor, wobei teilweise auf den Beginn der Einwirkung und teilweise auf die Beendigung der Einwirkung abgestellt wird.

9. Es ist unklar, wie die Vertreter der Gesamtlösung die vorliegende Fallkonstellation lösen würden.

Ja, in der Tat!

Es ist unklar, ob die Vertreter der Gesamtlösung vorliegend ein unmittelbares Ansetzen bejahen würden. Da die Gesamtlösung jedoch nicht auf eine Zurechnung abstellt, sondern auf eine Gefahr für das geschützte Rechtsgut, kommt es in Betracht, dass die Gesamtlösung ein unmittelbares Ansetzen annimmt. Allerdings hat die Gefahr einen anderen Ursprung als eine mittelbare Täterschaft. Daher bleibt die Beantwortung der Frage unklar.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

REA🇺🇦

RealOmnimodo 🇺🇦

27.10.2021, 09:13:11

Ich frage mich, warum hier nach der hM eine vollendete Anstiftung vorliegen soll. Hierfür wäre nach der Kommunikationstheorie eine Willensbeeinflussung im Sinne eines offenen geistigen Kontakts zwischen Anstifter und Täter nötig. Eine solche liegt gerade nicht vor: D entdeckt die scharfe Waffe und „nutzt“ diese Gelegenheit zur Tatausführung. Ich wäre hier von der Gehilfenhandlung des T ausgegangen.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

27.10.2021, 11:33:44

Hallo omnimodo facturus, die Willensbeeinflussung liegt darin, dass T den D überhaupt erst dazu bringt mit der Waffe zu O zu gehen (D erkennt anfangs ja noch nicht, dass es sich um eine echte Waffe handelt und macht sich trotzdem auf). Es liegt also auch nicht die Konstellation des Täters vor, der bereits von Anfang an zur Tat entschlossen ist (also die Figur des "omnimodo facturus" :-D ) und aus diesem Grund nicht mehr angestiftet werden kann. Der objektive Tatbeitrag des T ist insoweit ausreichend. Gegen die vollendete Anstiftung wird vorliegend aber eingewandt, dass - ungeachtet der dahinterstehenden Plausibilität - ein Verstoß gegen das Analogieverbot (Art. 103 abs. 2 GG) vorliege. Denn der Wortlaut des § 26 StGB gebe diese Lösung nicht her (vgl. Rengier, Strafrecht At, 13.A.2021, § 43 RdNr. 83). Dennoch wird dies überwiegend über die vollendete Anstiftung gelöst. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

BBE

bibu knows best

29.6.2022, 19:38:07

Warum liegt hier denn dann kein Fall von dem

Täter hinter dem Täter

vor?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

29.6.2022, 21:04:14

Hallo bibu knows best, im Strafrecht gilt grundsätzlich das Verantwortungsprinzip, d.h. wenn der Tatmittler selbstverantwortlich und damit strafbar gehandelt hat (kein Defizit), dann scheidet damit auch eine

mittelbare Täterschaft

aus. Es kommt also nicht zur "Verdoppelung" des Täters. Die Konstruktion des "

Täter hinter dem Täter

" ist eine Ausnahme dieses Prinzips zur Schließung von Strafbarkeitslücken. Im Hinblick auf das Regel-Ausnahmeverhältnis sollte diese nur sehr restriktiv und nur in den von der Rechtsprechung anerkannten Fallgruppen angewandt werden (insbesondere a) vermeidbarer Verbotsirrtum beim Werkzeug (

Katzenkönig

) und b)

Organisationsherrschaft

in Machtapparten (Schreibtischtäter/

Mauerschützenfall

/Mafia)). Vorliegend bleibt es dagegen beim Verantwortungsprinzip, sodass entweder eine versuchte mittelbare Täterschaft oder die "bloße" Teilnahme in Form der Anstiftung in Betracht kommt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

I-m-possible

I-m-possible

4.7.2022, 14:54:47

Wenn vorliegend nach der Gesamtlösung gelöst werden würde, müsste man eine Anstifung nicht mehr ansprechen oder ? Denn dann läge eine

mittelbare Täterschaft

vor und es müsste die Anstiftung nicht geprüft werden.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.7.2022, 15:39:39

Hallo I-m-possible, es ist nicht ganz klar, ob die Gesamtlösung zu einer Bejahung der mittelbaren Täterschaft kommen würde. Täte sie das, wäre die Anstiftung nicht mehr anzusprechen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Allegra.B

Allegra.B

19.10.2022, 13:56:29

Hallo, ich weiß nicht ob es anderen auch so geht, aber bei mir wird das Unterkapitel nicht als vollständig bearbeitet angezeigt. Der letzte Fall des Kapitels wird immer als nicht gelöst bzw. offen angezeigt. Habe auch immer die App aktualisiert, aber daher der Hinweis😁

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

26.10.2022, 13:02:25

Hallo Allegra, versuche bitte einmal über die drei Punkte neben der Fortschrittsanzeige das Unterkapitel neu zu beginnen. Wenn Du jetzt alles durchspielst, dann sollte es spätestens jetzt als gelöst angezeigt werden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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