Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Täterschaft und Teilnahme

Fehlgeschlagene Anstiftung - vermeintlicher Täter gutgläubig

Fehlgeschlagene Anstiftung - vermeintlicher Täter gutgläubig

19. Februar 2025

2 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Ärztin A und Pflegerin P unterhalten sich oft darüber, was für ein „Schwein” Patient O sei. A will O deshalb töten. Sie hält P eine Spritze hin. A denkt, P wisse, dass Gift in der Spritze sei. P hält sie aber für ein normales Medikament und gibt O gutgläubig das tödliche Gift.

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Einordnung des Falls

Fehlgeschlagene Anstiftung - vermeintlicher Täter gutgläubig

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat P sich wegen Mordes strafbar gemacht, indem sie O das tödliche Gift gab, § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB?

Nein!

P hat O das Gift verabreicht und ihn damit getötet. O war hinsichtlich der verabreichten Spritze arglos und infolgeddesen wehrlos. Das Vorgehen war damit objektiv heimtückisch. P dachte aber, dass sich ein normales Medikament in der Spritze befinde. A handelte damit unvorsätzlich. Sie hat sich nicht des Heimtückemordes nach § 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1 StGB strafbar gemacht.Anhaltspunkte für eine fahrlässige Tötung liegen ebenfalls nicht vor.
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2. A könnte sich wegen Mordes in mittelbarer Täterschaft strafbar gemacht haben, §§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB.

Genau, so ist das!

Objektive Voraussetzungen für eine Strafbarkeit für ein Handeln in mittelbarer Täterschaft sind: (1) Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs durch Handlung des Tatmittlers (2) Einwirkung des mittelbaren Täters auf den Tatmittler (3) Zurechnung der Verwirklichung von Tatbestandsmerkmalen durch den Tatmittler Zudem bedarf es des Vorsatzes bezüglich der Tatbestandsverwirklichung durch den Tatmittler und hinsichtlich der die Tatherrschaft begründenden Umstände.P hat O die Spritze mit dem Gift verabreicht, weswegen dieser starb. Dies geschah, weil A ihr die Spritze reichte, damit sie O das Gift injizierte. A hat damit auf P eingewirkt. A wollte P jedoch lediglich zu deren Tat anstiften. Sie handelte weder mit Täterwillen (Rspr) noch mit Tatherrschaftsbewusstsein (hL). Eine Strafbarkeit wegen Mord in mittelbarer Täterschaft scheidet damit aus.

3. Hat A sich nach h.M. wegen Anstiftung zum Mord strafbar gemacht, indem sie P die Spritze reichte (§§ 211 Abs, 2 Gr. 2 Var. 1, 26 StGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Anstiftung setzt objektiv voraus, dass der Anstifter den Haupttäter zu dessen vorsätzlicher, rechtswidriger Haupttat bestimmt. P handelte aber unvorsätzlich und hat sich nicht strafbar gemacht. Es liegt damit keine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat vor.Eine Mindermeinung sieht auch in diesen Fällen eine Strafbarkeit wegen Anstiftung gegeben. Wenn objektiv eine (mittelbare) Täterschaft und subjektiv eine Anstiftung vorliege, fungiere die Teilnahmestrafbarkeit als „Auffangstrafbarkeit” (argumentum a maiore ad minus). Das widerspricht jedoch dem Wortlaut des § 26 StGB, der für die Teilnahmestrafbarkeit eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat verlangt.

4. Bleibt A damit straffrei?

Nein!

Da es sich beim Mord um einen Verbrechenstatbestand handelt, hat A sich zumindest wegen versuchter Anstiftung zum Mord strafbar gemacht, §§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1, 30 Abs. 1 StGB.Beachte: Handelt es sich lediglich um ein Vergehen, bleibt die versuchte Anstiftung straffrei.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ÖA

ÖA

15.12.2024, 02:47:07

In der Erklärung steht "A wollte P jedoch lediglich zu deren Tat anstiften. Sie handelte weder mit Täterwillen (Rspr) noch mit Tatherrschaftsbewusstsein (hL).". Täterwillen hat doch, wer die Tat als eigene will (Animus-Theorie) und im SV steht doch, dass A den O töten möchte. Wieso liegt kein Täterwille vor?

LOU

louisaamaria

15.12.2024, 13:36:16

Bei der mittelbaren Täterschaft ist – anders als bei der Mittäterschaft – vor allem entscheidend, dass der Täter eine tatbeherrschende Steuerung des Tatnächsten innehat, insbesondere durch das

Ausnutzen

eines deliktischen Defizits oder ausnahmsweise als

Täter hinter dem Täter

. Die Tatherrschaft liegt in diesen Fällen nur vor, wenn aufgrund eines Defizits im Werkzeug eine Überlegenheit gegeben ist und der Täter dies auch zu seiner Tatbegehung durch den Dritten

ausnutzen

will. Zu dem Kriterium des Täterwillens tritt also noch hinzu, dass der mittelbare Täter die Tat durch einen anderen begehen will. Das geht aber nur, wenn der Täter (zumindest denkt), dass der Tatnächste ein Defizit hat, das er

ausnutzen

kann. Im vorliegenden Fall denkt A, dass P bereits Kenntnis vom Gift hat, also gar kein Defizit vorliegt. Zwar möchte A den O auch töten, die Tat allerdings nicht "durch" P begehen, indem er seinen Mangel im

Vorsatz

ausnutzt und eine beherrschende Stellung einnimmt. Er geht davon aus, es bestünde gar kein Defizit, vielmehr könne er den bereits wissenden P zur Tat bestimmen, also anstiften.


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