Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Versuch und Rücktritt

Abgrenzung beendeter/unbeendeter Rücktrittshorizont

Abgrenzung beendeter/unbeendeter Rücktrittshorizont

18. April 2025

3 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T möchte O erschießen und feuert 20mal ab. Dabei glaubt T, dass jeder Schuss trifft, weil O stolpert. Nachdem das Magazin leer ist, sieht T jedoch, dass O unverletzt ist. Zwar hat T noch eine weitere Pistole. Er hat aber Mitleid mit O, der sich den Knöchel verstaucht hat.

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Einordnung des Falls

Abgrenzung beendeter/unbeendeter Rücktrittshorizont

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch war nach herrschender Meinung fehlgeschlagen.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Versuch gilt dann als fehlgeschlagen, wenn der Täter glaubt, dass er den Erfolg nicht mehr herbeiführen kann, ohne eine völlig neue Kausalkette in Gang zu setzen. T kann mit seiner zweiten Pistole auf O schießen und so innerhalb des gleichen Kausalverlaufs den Erfolg herbeiführen.
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2. Es liegt ein beendeter Versuch vor.

Nein!

Ein Versuch gilt dann als beendet, wenn der Täter glaubt, dass er alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat. Dabei reicht es aus, dass der Täter es für möglich hält, dass er alles Erforderliche getan hat, aber auch, wenn er sich keine Gedanken macht, aber die Möglichkeit sieht. Dabei ist auf die Vorstellung zum Zeitpunkt nach der letzten Ausführungshandlung abzustellen (Rücktrittshorizont). Zwar dachte T während seiner Handlungen, dass der Versuch bereits beendet war. Nach seiner letzten Handlung hat er jedoch erkannt, dass er O zu keinem Zeitpunkt getroffen hat und er erneut schießen müsste, um O zu töten. Der Versuch ist daher nicht beendet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Kai

Kai

7.12.2024, 00:07:51

Hey, mir ist aufgefallen, dass in einigen Fällen dieser Art erst in einer Frage geprüft wird, ob grundsätzlich ein

beendeter Versuch

vorliegt, um danach in einer neuen Frage zu diskutieren, ob eine Korrektur der

Rücktrittshorizont

s stattfand (so zB hier: https://wissen.jurafuchs.de/jqyd3ve/abgrenzung-beendeter-unbeendeter-versuch-ruecktrittshorizont-entstehen). Ich war ein wenig verwundert, warum das hier nicht getan wurde. Liegt es daran, dass die Zeit zwischen dem letzten (zwanzigsten) Schuss und dem Weiterlaufen nicht lang genug war, dass T davon ausgehen konnte, alles getan zu haben, um den Erfolg zu erreichen? Oder konnte man bereits allein auf Basis der 20 Schüsse nicht auf eine entsprechende Vorstellung des T schließen? Dankeschön!

LELEE

Leo Lee

8.12.2024, 12:20:28

Hallo Kai, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! In der Tat scheint es etwas komisch, dass wir hier nicht zunächst den beendeten Versuch feststellen, um erst dann auf die Problemlage - wie im von dir zitierten Fall - einzugehen. Diese Frage hast du im Grunde - zur Hälfte - beantwortet. Denn gerade durch diese "kurze Zeit" (im Vergleich zu den 30 Minuten), ging es hier lediglich darum, nach der letzten (unmittelbar zusammenhängenden) Handlung festzustellen, ob der Versuch beendet oder nicht beendet ist. Hier ging es also um die "erstmalige" Feststellung des

Rücktrittshorizont

s. Bei der von dir zitierten Aufgabe besteht hingegen die Besonderheit, dass dort zunächst der Täter (aus dem "ersten"

Rücktritt

horizont) sich einen beendeten Versuch vorstellte. Dann kommt aber der Part mit der "längeren Zeit". Denn aufgrund der zeitlichen Zäsur könnte ebendieser

Rücktrittshorizont

KORRIGIERT worden sein (was man auch als "Zweiten

Rücktrittshorizont

" beschreiben könnte). Summa summarum kann man also sagen: Geht es um den "erstmaligen"

Rücktrittshorizont

, stellt man i.d.R. auch zum ersten Mal den beendeten/unbeendeten Versuch fest. Geht es hingegen darum, dass eine zeitlich Zäsur nach dem "ersten"

Rücktrittshorizont

erfolgt ist, dann würde man mit der KORREKTUR des

Rücktrittshorizont

wie in der von dir genannten Aufgabe vorgehen. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 5. Auflage, Hoffmann-Holland § 24 Rn. 71 ff. sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Kai

Kai

9.12.2024, 09:28:29

Vielen Dank! @[Leo Lee](213375)


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