Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Täterschaft und Teilnahme

"Täter hinter dem Täter" 7 – Organisationsherrschaft in Unternehmen

"Täter hinter dem Täter" 7 – Organisationsherrschaft in Unternehmen

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

GmbH-Geschäftsführer G erkennt, dass seine Gesellschaft zahlungsunfähig ist. Entgegen seiner strafbewehrten Pflicht aus § 15a Abs. 1, 4 Nr. 1 InsO beantragt er nicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern lässt die Geschäfte weiterlaufen. Sein um die Zahlungsunfähigkeit wissender Angestellter A bestellt deswegen bei verschiedenen Zulieferern Waren, die nicht mehr bezahlt werden können.

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Einordnung des Falls

"Täter hinter dem Täter" 7 – Organisationsherrschaft in Unternehmen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem A die Waren bestellte, hat er sich wegen Betruges (§ 263 Abs.1 StGB) strafbar gemacht.

Ja, in der Tat!

Durch die Bestellung hat A konkludent über die Tatsache getäuscht, dass er zahlungswillig und zahlungsfähig ist, sodass die Zulieferer einem Irrtum hierüber unterlagen. Daraufhin verfügten sie über die Waren als ihr Vermögen, für die sie keine äquivalente Gegenleistung erhielten, sodass auch ein Vermögensschaden eintrat. Darüber hinaus handelte A auch vorsätzlich und in der Absicht, sich bzw dem G einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe sind ebenfalls nicht ersichtlich. Er hat sich somit wegen Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
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2. Da A selbst volldeliktisch handelte, scheidet nach der Rechtsprechung eine mittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) des G immer aus.

Nein!

Mittelbare Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) setzt nach der Rspr und hL (1) in der Regel voraus, dass (a) der Tatmittler ein "Defizit" hat, d.h. bei diesem auf der Tatbestands-, Rechtswidrigkeits- oder Schuldebene ein Strafbarkeitsmangel vorliegt und (b) der Hintermann Tatherrschaft bzw. Täterwillen hat. (2) Alternativ liege mittelbare Täterschaft auch ohne Defizit des Tatmittlers in den Konstellationen des „Täters hinter dem Täter“ vor, d.h. bei (a) der Ausnutzung von Irrtümern über den Handlungssinn, die sich nicht auf die Strafbarkeit des Tatmittlers auswirken, und (b) der Organisationsherrschaft. Nur eine Mindermeinung schließt es generell aus, einen vollverantwortlichen Täter zugleich als Werkzeug eines anderen zu sehen (Verantwortungsprinzip).

3. Auch nach der h.L. hat sich G aufgrund seiner Organisationsherrschaft wegen Betruges in mittelbarer Täterschaft (§§ 263 Abs. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) strafbar gemacht.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach h.L. sind die Voraussetzungen für die Annahme einer Organisationsherrschaft (1) Anordnungsgewalt innerhalb eines hierarchisch konstituierten Machtapparates, (2) Austauschbarkeit der unmittelbar Handelnden (sog. Fungibilität) und (3) Handeln des Machtapparates außerhalb des Rechts. Dies sei jedoch bei Wirtschaftsunternehmen nicht anzunehmen. Anderenfalls entstehe die Gefahr der Überdehnung der ursprünglich für historische Ausnahmekonstellationen geschaffenen Rechtsfigur der Organisationsherrschaft. Bei Wirtschaftsunternehmen fehle es bereits an einer vergleichbaren Erfolgssicherheit für den Hintermann: Nur in einem außerhalb des Rechts agierenden Machtapparat haben Organisatoren und Befehlshaber die Gewissheit, dass ihrem Willen gefolgt wird, denn nur hier riskiere der Angewiesene mit seiner Befehlsverweigerung unkalkulierbare Nachteile. In Wirtschaftsunternehmen ist es Mitarbeitern hingegen zuzumuten, rechtswidriges Ansinnen zurückzuweisen. Die Figur der Organisationsherrschaft sei nach alledem nicht geeignet, das Problem der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in Unternehmen zu lösen.

4. Nach der Rspr kommt dem G Organisationsherrschaft zu, sodass er sich wegen Betruges in mittelbarer Täterschaft (§§ 263 Abs. 1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) strafbar gemacht.

Genau, so ist das!

Nach der Rspr. verlangt die Figur der Organisationsherrschaft, dass der Hintermann durch Organisationsstrukturen bestimmte Rahmenbedingungen ausnutzt, innerhalb derer sein Tatbeitrag regelhafte Abläufe auslöst. Dies gelte auch für unternehmerische Betätigungen. Indem G die Geschäfte trotz Zahlungsunfähigkeit weiterlaufen lies, löste er weiterhin routinierte Unternehmensabläufe aus, die ihrerseits zu den von ihm erstrebten Betrug führten. Somit ist G nach der Rspr. mittelbarer Täter kraft Organisationsherrschaft.
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