Überobligatorischer Einsatz

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Kleinstadtanwältin A wird von ihrer Konkurrentin K verprügelt. Weil sie dadurch krankheitsbedingt eine Woche lang nicht arbeiten kann, entgeht ihr ein Gewinn von €2.000. Um den Verdienstausfall wieder reinzuholen, arbeitet A nach ihrer Genesung zusätzlich jede Nacht und am Wochenende und schafft es so, €2.000 Gewinn zusätzlich erwirtschaften.

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Einordnung des Falls

Überobligatorischer Einsatz

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Vermögensvorteile, die der Geschädigte infolge des schädigenden Ereignisses erlangt, sind stets schadensmindernd zu berücksichtigen.

Nein, das trifft nicht zu!

Ob ein Vorteil schadensmindernd zu berücksichtigen ist, richtet sich nach einer wertenden Entscheidung (Vorteilsausgleichung). Nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung werden bei der Schadensberechnung Vorteile nur dann schadensmindernd berücksichtigt, wenn (1) der Vorteil mit dem schädigenden Ereignis in einem adäquaten Kausalzusammenhang steht und (2) nach dem Zweck der verletzten Norm die Berücksichtigung des Vorteils dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet. Liegen die Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung vor, wird der zu ersetzende Schaden automatisch in Höhe des erlangten Vorteils herabgesetzt.
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2. Die zusätzlichen Gewinne stehen mit der Körperverletzung in einem adäquaten Kausalzusammenhang.

Ja!

Ein adäquater Kausalzusammenhang besteht, wenn die Schädigung nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Vorteil in seiner konkreten Form entfiele (condicio sine qua non). Spiegelbildlich zum allgemeinen Lebensrisiko sind gänzlich unwahrscheinliche und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge nicht zu erwartenden Vorteile außer Betracht zu lassen (Adäquanz).Hätte A keine Körperverletzung erlitten, hätte sie auch nicht mehr gearbeitet und den zusätzlichen Gewinn erwirtschaftet. Es steht auch nicht außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit, nach einem verletzungsbedingten Arbeitsausfall anschließend mehr zu arbeiten, um Ausfälle auszugleichen.

3. Nach dem Zweck der verletzten Norm ist die Berücksichtigung des Vorteils der A zumutbar und entlastet die K nicht unangemessen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Geschädigter ist stets dazu verpflichtet, den eintretenden Schaden so gering wie möglich zu halten (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB, Schadensminderungsobliegenheit). Ob die Anrechnung angemessen oder unangemessen ist, hängt deshalb davon ab, ob der Geschädigte durch seine eigene Leistung nur seine Schadensminderungsobliegenheit erfüllt. Ist die Eigenleistung nach § 254 Abs. 2 S. 1 BGB geboten und zumutbar, ist eine Anrechnung angemessen. Dagegen sollen überobligatorische Anstrengungen des Geschädigten gerade nicht dem Schädiger zugutekommen.Hier ist die Wochenendarbeit der A überobligatorisch, sodass der nachträglich erwirtschaftete Gewinn nicht den ersetzbaren Schaden mindert.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Viola22

Viola22

21.2.2024, 20:58:45

Kann es sein, dass bei der Erklärung zunächst die

Äquivalenztheorie

gemeint ist und danach auf die beschränkende Adäquanztheorie eingegangen wird? Liebe Grüße :)

ELEE

Elee

28.7.2024, 03:07:04

Ich finde, dass der Unterschied zwischen

Obliegenheit

und Obligation im vorangegangenen Prüfungsmaßstab anhand der Formulierung „der Geschädigte ist stets verpflichtet, den Schaden so gering wie möglich zu halten“ nicht deutlich wird. Eine

Obliegenheit

stellt doch gerade keine Verpflichtung dar, sondern gewissermaßen eine Verhaltensvorgabe, an die sich der Betroffene im eigenen Interesse halten sollte, um den angestrebten Vorteil erlangen zu können, aber eben nicht muss. Verletzt der Betroffene seine

Obliegenheit

, entgeht ihm jedoch die Entstehung eines Vorteils (hier der Schadensersatzanspruch in vollem Umfang, also ohne Abzug einer verschuldeten Schadensvertiefung).


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