Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Nicht oder nicht wie geschuldete Leistung, §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB (Leistungsstörungsrecht)
Entbehrlichkeit der Frist I – ernsthafte und endgültige Verweigerung
Entbehrlichkeit der Frist I – ernsthafte und endgültige Verweigerung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K kauft von V eine Küche, die V einbauen soll. V baut die Küche komplett schief ein. K verlangt von V mehrfach, dies zu beheben. V beharrt dagegen darauf, erst nach vollständiger Zahlung des Kaufpreises nachzubessern. K beauftragt deshalb Handwerkerin H.
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Einordnung des Falls
Entbehrlichkeit der Frist I – ernsthafte und endgültige Verweigerung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K könnten einen Schadensersatzanspruch wegen der Mehrkosten für die Beauftragung der H aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB haben.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Zwischen K und V besteht ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis.
Genau, so ist das!
3. V hat seine Leistung wie geschuldet erbracht.
Nein, das trifft nicht zu!
4. K kann verlangen, dass V die Küche ordnungsgemäß montiert (§§ 437 Nr. 1, 439 BGB).
Ja!
5. V kann vor der Nacherfüllung zunächst den Kaufpreis verlangen. Ks Nacherfüllungsanspruch ist deshalb noch nicht fällig.
Nein, das ist nicht der Fall!
6. K hat V wirksam eine Nachfrist gesetzt.
Nein, das trifft nicht zu!
7. Um einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB geltend zu machen, bedarf es immer einer Fristsetzung.
Nein!
8. K musste V zunächst eine Nachfrist setzen, bevor sie H mit der Nachbesserung beauftragte und hierfür von V Schadensersatz verlangte.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
QuiGonTim
27.7.2022, 19:10:59
Nochmal zur
Fristsetzung: Die bloße Aufforderung zur Nacherfüllung genügt nicht. Dann würde es sich lediglich um eine Mahnung handeln. Zur
Fristsetzungmuss die Aufforderung immer mit einem in zeitlicher Hinsicht bestimmten oder bestimmbaren Leistungsziel versehen sein. Richtig?
Nora Mommsen
3.8.2022, 15:17:03
Hallo QuiGonTim, ganz richtig. Zwar fallen Mahnung und
Fristsetzungoft zusammen und die
Fristsetzungerfordert auch nicht die Nennung einer bestimmten Frist im Sinne von Zeitspanne oder eines Tages. Allerdings muss die Frist zumindest bestimmbar sein. "Dem Schuldner soll mit der
Fristsetzungvor Augen geführt werden, dass er die Leistung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken kann, sondern dass ihm hierfür eine zeitliche Grenze gesetzt ist. Dieser Zweck wird durch eine Aufforderung, sofort, unverzüglich oder umgehend zu leisten, hinreichend erfüllt" (BGH, NJW 2009, 3153 Rn. 10 f.). Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
CR7
24.2.2023, 00:04:37
Gerne hier noch einen Klausurhinweis einbauen, dass es beim Rücktritt nach 323 II Nr. 1 auch so ist und man sich kernarbeit erspart 😄✌🏻
Lukas_Mengestu
16.3.2023, 11:12:24
Danke Dir, das haben wir noch mit aufgenommen :-) Beste Grüße, Lukas
QuiGonTim
14.2.2024, 22:54:27
Wieso kann sich V nicht ebenfalls auf die Einrede des nicht erfüllten Vertrages (§ 320 Abs. 1 S. 1 BGB) berufen?
paulmachtexamen
10.3.2024, 11:12:52
Der Frage schließe ich mich an und erweitere sie um die Frage, ob V sich notfalls auch noch auf das
Zurückbehaltungsrechtdes
273berufen kann, wofür ja noch nicht einmal ein
Synallagmaerforderlich ist.
0815jurafuchs
4.4.2024, 13:47:29
Das habe ich mich auch gefragt. Eine Antwort dazu wäre hilfreich.
Paulah
18.5.2024, 19:06:26
Das hätte meiner Meinung nach nicht so ganz viel Sinn, weil K einen Anspruch auf eine mängelfreie Küche hat. Die hat V nicht geliefert. K würde demnach auch die Einrede des nichterfüllten Vertrags zustehen. V kann entgegengehalten werden, dass er selbst nicht vertragstreu i. S. d. § 242 BGB ist [MüKo/Emmerich, BGB § 320 Rn. 42; Looschelders, SchR AT, § 15 Rn. 19; Staudinger/Schwarze, BGB § 320 Rn. 37; BeckOGK/Rüfner, BGB § 320 Rn. 61; Schwarze, Leistungsstörungen, § 14 Rn. 8; Grüneberg/Grüneberg, BGB § 320 Rn. 6; a. A.: Erman/Ulber, BGB
§ 320 BGB, Rn. 24]
itsjuju
27.3.2024, 20:48:17
Hier könnte in der Lösung noch auf den § 281 Abs 2 hingewiesen werden.
Leo Lee
29.3.2024, 00:09:30
Hallo itsjuju, vielen Dank für dein Feedback! Beachte allerdings, dass auf § 281 II hingewiesen wird in der Antwort zu der vorletzten Aufgabe :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
LS2024
19.4.2024, 13:57:18
Die Lösung ist falsch. K hat keinen durchsetzbaren Anspruch, da der V ihr die Einrede aus § 320 I BGB entgegenhalten kann. Anders als im BGH Fall hat die K hier noch nicht den Großteil der Kaufpreisverbindlichkeit erfüllt, sodass auch der Ausschlusstatbestand aus § 320 II BGB hier nicht greift. Entweder Lösung oder Sachverhalt sind somit anzupassen.
Sebastian Schmitt
7.9.2024, 09:31:46
Hallo @[LS2024](144077), ich halte den Fall und die Lösung, die das Jurafuchs-Team hier erstellt hat, für richtig oder zumindest für sehr gut vertretbar. Du hast insoweit Recht, dass hier nähere Umstände des Falls eine entscheidende Rolle spielen, zB eine von Dir angesprochene Anzahlung der K. Davon wissen wir hier aber nichts, müssen also davon ausgehen, dass es die nicht gab. Das ist im BGH-Fall, auf den Bezug genommen wird, anders. Dort hatte die Käuferin einen erheblichen Teil der Küche schon bezahlt, sodass man die Einrede des Verkäufers über § 320 II BGB rauskegeln konnte, er sich also deshalb nicht auf die Einrede § 320 I 1 BGB berufen konnte. Warum steht nun V iE trotzdem nicht (ebenfalls) die Einrede aus § 320 I 1 BGB zu? Entscheidend ist mE, dass er ernsthaft und endgültig jegliche Nachbesserung verweigert, bis er den vollen Kaufpreis erhalten hat. Dazu hat er aber kein Recht, denn seinen Anspruch auf vollständige Kaufpreiszahlung hat er ja gerade nur Zug-um-Zug gegen Erfüllung sämtlicher seiner eigenen Verpflichtungen, hier also Lieferung und ordnungsgemäße Montage der Küche. Wer aber in einem solchen Fall von der anderen Seite verlangt, vollständig in Vorleistung zu gehen, setzt sich in Widerspruch zum Vertrag, verhält sich vertragsuntreu. Nach wohl überwiegender Auffassung ist die eigene Vertragstreue aber ein ungeschriebenes Merkmal, um sich auf
§ 320 BGBberufen zu können (so zB Hk-BGB/Fries, 12. Aufl 2024, § 320 Rn 6; MüKo-BGB/Emmerich, 9. Aufl 2022, § 320 Rn 42, aA natürlich vertretbar). Im BGH-Fall hatte der Verkäufer Entsprechendes in seinen AGB stehen, der Käufer war danach zur vollständigen Vorauszahlung verpflichtet - was der BGH iE nach der AGB-Kontrolle ebenfalls nicht durchgehen ließ. Zuletzt dürfte hier auch die Einrede der K nicht nach § 320 II BGB ausgeschlossen. V ist zwar durch Lieferung der Küche in Vorleistung gegangen, hat die Küche aber so schief aufgebaut, dass der Nutzen für K kaum vorhanden ist. Darin wird man also kaum einen "verhältnismäßig geringfügigen Rückstand" iSd Norm sehen können. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
LS2024
11.9.2024, 11:04:29
Danke Dir @[Sebastian Schmitt](263562) für Deine ausführliche Antwort.