Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Nicht oder nicht wie geschuldete Leistung, §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB (Leistungsstörungsrecht)
Entbehrlichkeit der Frist II – besondere Gründe (Verletzung Leistungstreue)
Entbehrlichkeit der Frist II – besondere Gründe (Verletzung Leistungstreue)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K hat bei Autohändlerin V einen neuen Porsche Carrera für €45.000 gekauft. Zufällig bekommt K mit, wie V die Türen des neuen Wagens mit denen eines älteren Porsche austauscht. K will den Wagen daraufhin nicht mehr und bestellt bei H ein Fahrzeug zum Preis von €49.500.
Diesen Fall lösen 89,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Entbehrlichkeit der Frist II – besondere Gründe (Verletzung Leistungstreue)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K könnte einen Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten (€4.500) aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB haben.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Zwischen K und V besteht ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis.
Ja!
3. V hat ihre vertraglich geschuldete Leistungspflicht verletzt.
Genau, so ist das!
4. Um einen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB geltend zu machen, bedarf es immer einer Fristsetzung.
Nein, das trifft nicht zu!
5. K musste V zunächst eine Nachfrist setzen, bevor er einen Schadensersatzanspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB geltend machen kann.
Nein!
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Vulpes
27.1.2022, 09:28:09
Lukas_Mengestu
27.1.2022, 20:01:34
Hallo Vulpes, die Leistungstreupflicht stellt in der Tat einen Grenzfall dar, bei der je nach Fall § 281 BGB bzw.
§ 282 BGBeinschlägig sind (vgl. im Einzelnen, Riehm, in: BeckOGK-§ 282 RdNr. 49 ff.). Der Austausch der Teile stellt sich hier aber primär als leistungsbezogene Nebenpflicht (=Pflicht den Effekt und die Nutzbarkeit der Leistung beim Gläubiger nicht zu beeinträchtigen) und nicht als Schutzpflicht dar (vgl. auch Looschelders, Schuldrecht AT, 19.A. 2021, § 27 RdNr. 19). Insoweit ist §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB die passende Anspruchsgrundlage. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
27.7.2022, 19:16:15
Würde man in einem solchen Fall auch einen Rücktritt prüfen?
Lukas_Mengestu
3.8.2022, 13:29:20
Hallo QuiGonTim, selbstverständlich käme hier grundsätzlich auch ein Rücktritt in Betracht. Damit könnte sich K aber lediglich von dem Vertrag lösen und nicht auch die entstandenen Mehrkosten ersetzt verlangen. Deswegen ist hier die Prüfung des Schadensersatzes das Mittel der Wahl. Eine zusätzliche Prüfung des Rücktritts bedarf es dann nicht, da dessen Voraussetzungen ja auch für das SE-Verlangen vorliegen müssen und bei Forderung des großen SE der Rücktritt quasi inkludiert ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
27.7.2022, 23:46:13
Liebes Jurafuchsteam, würdet ihr noch eine Wiederholungs-/Definitionsaufgabe zur Leistungstreuepflicht erstellen? Ich denke, das ist ein Begriff, der sitzen sollte. :)
Nora Mommsen
4.9.2022, 12:30:07
Hallo QuiGonTim, danke dir für die Anregung. Das haben wir auf unsere Liste gesetzt. :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Iris A
1.9.2022, 16:04:28
Nora Mommsen
4.9.2022, 12:29:26
Hallo Iris A, der Deckungsfall bezeichnet die Konstellation, dass der Gläubiger im Fall des Verzugs ersatzweise woanders die Sache beschafft um den Ausfall durch die verspätete Leistung abzufangen. Dies liegt hier nicht vor. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Raphaeljura
4.6.2023, 08:35:16
Das heißt ich kann die §§ 437ff BGB nur anwenden, wenn § 446 BGB erfüllt ist. Andernfalls kommt immer c.i.c zur Anwendung??
Lukas_Mengestu
6.6.2023, 11:55:17
Hi Raphael, vorsicht, dass Du hier nicht verschiedene Punkte durcheinanderwirfst. Die Figur der c.i.c. (=
culpa in contrahendo) bezeichnet Pflichtverletzungen, die im Vorfeld eines Vertragsschlusses geschehen sind. Darum geht es hier nicht. Vielmehr haben wir einen gültigen und wirksamen Kaufvertrag als Schuldverhältnis. Der
Gefahrübergang(§ 446 BGB) ist aber maßgeblich, ob die Mängelgewährleistungsrechte einschlägig sind (§§ 437 ff. BGB) oder das allgemeine
Leistungsstörungsrechtohne Verweisung (§§ 280 ff. BGB). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Timurso
28.12.2023, 18:26:37
Insofern ist es vielmehr ein Dreischritt: Vor Vertragsschluss c.i.c., zwischen Vertragsschluss und
Gefahrübergangallgemeines Schuldrecht, nach
Gefahrüberganggrds. Mangelgewährleistungsrecht.
Chris162
6.7.2023, 21:18:00
Im Küchenfall wird die Aussage, dass es immer einer
Nachfristsetzung iRd §§ 280 I, III, 281 bedarf, noch mit "Nein" als richtig gewertet, hier mit "Ja"; nur zur Info :)
Bilbo
24.7.2023, 15:25:16
Ist mir auch aufgefallen, hab es hier nämlich falsch (richtig) beantwortet. Wäre gut, das anzupassen.
ehemalige:r Nutzer:in
15.8.2023, 14:16:16
Also Stand heute (39 Tage nach Chris‘ Nachricht) wird auch hier das „Nein“ (richtigerweise) als richtig gewertet.
roadrunnert
28.12.2023, 08:46:42
Beim SE statt der Leistung bliebe es ja und das Festhalten am Vertrag wäre dem Käufer wohl auch unzumutbar.
Timurso
28.12.2023, 18:23:31
In meinen Augen nein. § 282 iVm. § 241 II BGB ist für den Fall des Verstoßes gegen Rücksichtnahmepflichten. Vorliegend ist jedoch eine dem § 241 I BGB unterfallende
Nebenleistungspflichtverletzt.
Timurso
28.12.2023, 18:24:51
Vergleiche auch die ausführlichere Antwort 3 Beiträge weiter unten.
Leo Lee
30.12.2023, 22:48:35
Hallo roadrunnert, wie Timurso zutreffend anmerkt, findet § 282 nur bei Verletzung von Nebenpflichten Anwendung. Hier liegt allerdings eine Verletzung der
NebenLEISTUNGSpflichtvor, was gem. § 241 I immer noch ein vertragliche (Haupt)Pflicht darstellt. D.h., weil sich hier die Pflichtverletzung sich nicht auf sonstige Güter des Käufers sich bezieht, liegt hier eben keine Nebenpflichtverletzung vor (denn die Pflichtverletzung betrifft die Hauptleistung – das Auto – selbst). Wenn hingegen unsere V ein
sonstiges Rechtsgut des K derart verletzt hätte, sodass ein Festhalten für den K unzumutbar wäre (etwa verletzt V den K bei Übergabe des Autos schwer), läge in der Tat ein Fall des § 282 vor. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Ernst § 282 Rn. 1 f. sehr empfehlen :). Einen guten Rutsch ins neue Jahr wünscht dir das Jurafuchsteam!
Timurso
28.12.2023, 18:28:07
In der letzten Frage steht "bevor sie ...". Auf dem Bild ist K jedoch ein Mann. Insofern müsste die Frage korrigiert werden.
Leo Lee
30.12.2023, 14:11:52
Hallo Timurso, vielen Dank für den Hinweis! In der Tat hatte sich ein Fehler hier eingeschlichen. Diesen haben wir nun korrigiert :). Einen guten Rutsch ins neue Jahr wünscht dir das Jurafuchsteam!
QuiGonTim
14.2.2024, 23:02:44
Gibt es eigentlich innerhalb des Kaufrechts einen Anknüpfungspunkt dafür, dass dieses erst nach dem
Gefahrüberganganzuwenden ist? Aus § 446 BGB kann ich es nämlich nicht ohne weiteres entnehmen.
paulmachtexamen
10.3.2024, 11:19:57
Ich denke, dass die hM die Anwendbarkeit des Kaufrechts ab
Gefahrübergangaus 434 I 1 nimmt. Dort heißt es nämlich „Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei
Gefahrübergang! …“