Schadensersatz statt der ganzen Leistung – Schlechtleistung

19. Juli 2025

16 Kommentare

4,8(34.777 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

K hat bei Fahrradhändler V für €10.000 ein klappbares Tandem gekauft. Nach Übergabe stellt sich heraus, dass die Klappfunktion kaputt ist. Mehrere Nachbesserungsversuche scheitern. K könnte das Fahrrad bei Händlerin H für €900 reparieren lassen oder dort für €11.000 ein neues Rad kaufen.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Schadensersatz statt der ganzen Leistung – Schlechtleistung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K steht gegen V dem Grunde nach ein Anspruch auf Schadensersatz zu (§§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, 3, 281 BGB) zu.

Ja, in der Tat!

Der Anspruch setzt voraus: (1) Schuldverhältnis(=Kaufvertrag), (2) der Schuldner leistet - trotz Möglichkeit - nicht ordnungsgemäß(=Mangel),(3) erfolgloser Ablauf einer vom Gläubiger gesetzten, angemessenen Nachfrist, (4) Vertretenmüssen des Schuldners und (5) Schaden des Gläubigers .K und V haben einen Kaufvertrag geschlossen (§ 433 Abs. 1 BGB). Da das Klappfahrrad sich nicht klappen lässt, eignet es sich nicht für die gewöhnliche Verwendung und entspricht damit nicht den objektiven Anforderungen (§ 434 Abs. 3 Nr. 1 BGB nF). Ein Mangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs liegt vor. V hat auch nicht erfolgreich nacherfüllt. Das Vertretenmüssen wird vermutet. Da K für die gezahlten €10.000 nicht die volle Gegenleistung erhalten hat, liegt ein Schaden vor.
Schuldrecht Allgemeiner Teil-Wissen in 5min testen
Teste mit Jurafuchs kostenlos dein Schuldrecht Allgemeiner Teil-Wissen in nur 5 Minuten.

2. K könnte die Mehrkosten von €900 für die Reparatur des Rades als Schaden geltend machen.

Ja!

Der Schuldner ist nach § 281 Abs. 1 S. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, soweit er die Leistung nicht oder nicht wie geschuldet innerhalb der gesetzten Frist erbringt. Der Gläubiger kann insofern stets die mangelhafte Sache behalten und den Wertunterschied zu einer mangelfreien Sache geltend machen (kleiner Schadensersatz).Hätte V ordnungsgemäß geleistet, so hätte K ein funktionierendes Rad inklusive Klappfunktion. Der Wertunterschied zur mangelfreien Leistung entspricht insoweit den Kosten, die K für die anderweitige Reparatur aufwenden müsste (hier: €900).

3. Da die Nachbesserungsversuche von V gescheitert sind, könnte K ohne Weiteres das Klapprad zurückgeben und die Mehrkosten eines vergleichbaren Rades von V verlangen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ist die Leistung nur teilweise gestört, so kann der Gläubiger im Hinblick auf die gesamte Leistung nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 S. 2 BGB (Teilleistung) bzw. § 281 Abs. 1 S. 3 BGB (Schlechtleistung) Schadensersatz verlangen.V hat seine Leistung jedenfalls teilweise erbracht. Man kann mit dem Fahrrad fahren, auch wenn es sich nicht zusammenklappen lässt. K kann also nur bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen der §§ 281 Abs. 1 S. 2, 3 BGB für ein vergleichbares Rad Ersatz verlangen.

4. Da sich das Rad nicht zusammenklappen lässt, liegt eine Schlechtleistung vor (§ 281 Abs. 1 S. 3 BGB).

Ja, in der Tat!

Eine Schlechtleistung liegt vor, wenn der Gläubiger die Leistung erhält, diese aber nicht so beschaffen ist, wie sie geschuldet wird (qualitativ). Eine Zuwenigleistung liegt dagegen vor, wenn der Schuldner bis Fristablauf nur einen Teil der Schuld erbringt (quantitativ).Das Fahrrad ist vollständig. Allerdings ist der Funktionsumfang eingeschränkt, da es sich nicht klappen lässt. Insofern liegt eine qualitative und keine quantitative Abweichung vor. Somit handelt es sich um eine Schlechtleistung.

5. K kann die Kosten für den Kauf des neuen Rades als Schadensersatz verlangen, da die zusätzlichen Voraussetzungen des § 281 Abs. 1 S. 3 BGB (Schlechtleistung) vorliegen.

Ja!

Bei einer Schlechtleistung kann der Gläubiger Schadensersatz bezüglich der ganzen Leistung nur verlangen, wenn die Pflichtverletzung nicht unerheblich ist. Die Erheblichkeit ist unter Abwägung der beiderseitigen Interessen festzustellen. BGH: Bei einem behebbaren Mangel sei im Rahmen dieser Interessenabwägung von einer Geringfügigkeit des Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung nicht mehr auszugehen, wenn der Beseitigungsaufwand einen Betrag von 5% des Kaufpreises übersteige.Die Reparatur würde €900 (9%) kosten, was mehr als 5% des Kaufpreises (€500) ausmacht. Vs mangelhafte Lieferung ist insoweit nicht mehr unerheblich.
Dein digitaler Tutor für Jura
Rechtsgebiet-Wissen testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dein digitaler Tutor für Jura
Rechtsgebiet-Wissen testen