Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Schuld

Unrechtseinsicht - Subsumtionsirrtum

Unrechtseinsicht - Subsumtionsirrtum

14. Juli 2025

10 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T tötet den Hund H ihres Nachbarn B. Sie denkt zwar, dass das verboten sei, geht aber davon aus, dass § 303 StGB nicht erfüllt sei, da H keine Sache i.S.d. § 303 StGB sei.

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Einordnung des Falls

Unrechtseinsicht - Subsumtionsirrtum

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat den Tatbestand der Sachbeschädigung nach § 303 StGB erfüllt.

Ja!

Nach der Rechtsprechung sind Tiere Sachen i.S.d. § 303 StGB, da der strafrechtliche Begriff der Sache von dem des zivilrechtlichen abweiche. Nach einigen Autoren zeige sich das auch in § 325 Abs. 1 S. 1 StGB, der Tiere unter den Begriff der Sache fasse. Demnach sind der objektive und der subjektive Tatbestand erfüllt.
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2. T hatte die Einsicht, Unrecht zu begehen.

Genau, so ist das!

Unrechtseinsicht ist die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit der Tat. Mithin das Einsehen, dass die Tat vom Gesetz verboten wird. Die Einsicht des Unrechts muss sich "auf die spezifische Rechtsgutsverletzung beziehen" der betreffenden Tat beziehen. Bei Tateinheit muss die Unrechtseinsicht also für die verschiedenen Taten gesondert vorliegen. Vorliegend geht T von der Rechtswidrigkeit aus, aber denkt, dass ein anderer Tatbestand erfüllt ist. Davon ausgehend könnte man denken, dass ein Verbotsirrtum vorliegt, da T nicht nach § 303 StGB bestraft werden könnte. Für die Unrechtseinsicht ist es jedoch ausreichend, dass die Rechtswidrigkeit abstrakt erkannt wird. Diese muss sich nicht auf einen gesetzlichen Tatbestand beziehen. Dies gilt dementsprechend auch umgekehrt. Wenn das Unrecht erkannt wird, dann liegt die erforderliche Unrechtseinsicht vor, ungeachtet der Frage, welchem Tatbestand diese zugeordnet bzw. nicht zugeordnet wird.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

SN

Sniter

23.1.2023, 15:21:29

Befindet sich die T hier im Subsumptionsirrtum?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

27.1.2023, 14:20:39

Hallo Sniter, in der Tat liegt hier ein

vermeidbarer Verbotsirrtum

(§ 17 StGB) in Form des Subsumtionsirrtums vor, da T fehlerhaft unter den gesetzlichen Tatbestand der Sachbeschädigung subsumiert. Weitere klassische Beispiele des Subsumtionsirrtums sind das Herauslassen der Luft aus einem Autoreifen (wenn die nächste Luftpumpe weit entfernt ist), da das Auto hierdurch "beschädigt" wird oder das Beseitigen der Kellnerstriche auf einem Bierdeckel (=es handelt sich um eine Urkunde und damit liegt eine Urkundenfälschung vor,

§ 267 StGB

). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

AN

annsophie.mzkw

17.10.2024, 17:46:51

Aber dann fehlt ihr doch gerade die Einsicht Unrecht zu tun, also wenn man einen (vermeidbaren) Verbotsirrtum annimmt?

AM

Api M.

6.11.2024, 12:47:25

Hier ist ausschlaggebend, dass sie das Verbot unabhängig vom Subsumtionsirrtum kennt. Sie weiß, dass ihre Handlung verboten ist. Dass sie sich über das TB-Merkmal des § 303 irrt, ist damit für die Schuld unerheblich. Typischerweise fehlt bei einem Subsumtionsirrtum ja die Einsicht, Unrecht zu tun, d.h. die Kenntnis über das Verbot der Handlung.

Sarah15

Sarah15

11.3.2025, 10:35:12

Das

Unrechtsbewusstsein

muss sich ja immer auf das s p e z i f i s c h e Delikt beziehen. Vorliegend denkt die Täterin ja, dass gerade die Sachbeschädigung nicht verwirklicht wurde. Wieso hatte sie dann doch

Unrechtsbewusstsein

?

BEN

benjaminmeister

2.4.2025, 10:22:20

Das

Unrechtsbewusstsein

muss sich auf die spezifische Rechtsgutverletzung (!) (nicht das spezifische Delikt) beziehen. Hier weiß die Täterin, dass sie verbotenerweise das Eigentum eines anderen verletzt.

MO

Moritz

28.5.2025, 09:30:49

@[benjaminmeister](216712) Aber ist das wirklich so? Bei Schönke/Schröder heißt es dazu: "Es gibt kein abstraktes

Unrechtsbewusstsein

, das v. der konkreten Schutzfunktion des einzelnen Tatbestandes absehen würde, sondern nur ein konkretes, den einzelnen Geboten und Verboten des Strafrechts zugewendetes." § 17 Rn. 8.

cSchmitt

cSchmitt

24.6.2025, 14:39:15

Die Definition von Schönke/Schröder klingt für mich jetzt erstmal nach einer Mindermeinung. Immerhin steht die Aussage, dass das

Unrechtsbewusstsein

den einzelnen Geboten und Verboten des Strafrechts zugewendet sein muss, im Widerspruch zur Rechtsprechung, die bereits bei der Vorstellung einer möglichen Verletzung zivil- oder öffentlich-rechtlicher Normen ein

Unrechtsbewusstsein

annimmt. Aus der Rechtsprechung folgt die Ansicht, dass der Täter erkennen muss, dass sein Handeln im Widerspruch zur Rechtsordnung steht - es kommt also auf das Erkennen der

Rechtswidrig

keit an sich an. Das ist vorliegend gegeben. Die Täterin weiß, dass es verboten ist, den Hund zu töten. Zudem verlangt auch die von Dir angeführte Definition von Schönke/Schröder nicht nach der Kenntnis der genauen Norm, sondern lediglich von der Kenntnis der „konkreten Schutzfunktion des einzelnen Tatbestandes“. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Täterin erkannt hat, dass man Hunde nicht töten darf (Schutzfunktion des § 303 StGB). Ich lese die Definition dahingehend, dass ein

Unrechtsbewusstsein

immer in Bezug auf Gesetze vorliegen muss. Es kann also nicht abstrakt vorgestellt sein (ohne dass das Handeln tatsächlich eine Strafnorm erfüllt). Dann sind wir beim straflosen

Wahndelikt

.

Rechthaber

Rechthaber

3.7.2025, 15:22:31

wenn ich mir vorstelle das Tiere keine Sachen sind, dann habe ich auch kein

Unrechtsbewusstsein

in Bezug auf die konkrete Rechtsgutsverletzung Eigentum ( Schutzgut des 303 ) Wenn man sich vorstellt dass Tiere mangels Sacheigenschaft nicht Gegenstand von Rechten sein können, habe ich auch diesbezüglich kein Unrechtsbusstsein

cSchmitt

cSchmitt

3.7.2025, 16:08:57

Ja, wenn das so wäre, dann wäre das so. Der Sachverhalt sieht aber anders auf. B denkt explizit, dass ihre Handlung (Töten des Hundes) verboten ist. Vorliegend hat T somit das

Unrechtsbewusstsein

darüber, dass es verboten ist, einen Hund zu töten; also bezüglich der spezifischen Rechtsgutsverletzung (Existenzvernichtung und völlige Aufhebung der bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit des Hundes). Ob der Hund rechtlich als Sache gewertet wird oder eine Tötung von Tieren explizit strafbar wäre, spielt dann keine Rolle. Denn es ist gerade nicht relevant, welches konkrete Delikt sie sich vorstellt, zu verwirklichen oder nicht, sondern lediglich, dass sie um die Verbotenheit des Handelns weiß oder wissen müsste.


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