Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Täterschaft und Teilnahme
Deliktisches Minus auf Ebene der Schuld
Deliktisches Minus auf Ebene der Schuld
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T bringt den G dazu, die Fensterscheibe seines verhassten Nachbarn N mit einem Stein einzuwerfen. G fehlt wegen einer krankhaften seelischen Störung die Fähigkeit zur Unrechtseinsicht und er zertrümmert die Wohnzimmerscheibe mit einem Backstein.
Diesen Fall lösen 87,6 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Deliktisches Minus auf Ebene der Schuld
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Durch den Steinwurf hat sich G wegen Sachbeschädigung (§ 303 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
Nein!
Jurastudium und Referendariat.
2. T selbst hat den objektiven Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt (§ 303 Abs. 1 StGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
3. T hat unmittelbar auf G eingewirkt. Ein eigener Verursachungsbeitrag des Hintermannes T liegt vor.
Ja, in der Tat!
4. Dem Vordermann G mangelt es jedoch an der unterlegenen Stellung gegenüber dem Hintermann T.
Nein!
5. Indem T den G dazu brachte, die Fensterscheibe seines Nachbarn einzuwerfen, hat er sich wegen Sachbeschädigung in mittelbarer Täterschaft (§§ 303 Abs.1, 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) strafbar gemacht.
Genau, so ist das!
6. T hatte nach der subjektiven Theorie eine überlegene Stellung (Täterwillen).
Genau, so ist das!
7. T hatte auch nach der Tatherrschaftslehre eine überlegene Stellung.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Trallaballahopsasa
14.2.2023, 15:49:58
Hallo, irgendwie habe ich gerade einen Knoten im Kopf. Kann der T hier nicht auch wegen Anstiftung bestraft werden, weil eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat vorlag, bei der lediglich die Schuld entfällt? Falls ja, müsste das dann im Wege der Konkurrenzen geklärt werden? Wahrscheinlich ist die Frage echt doof...sorry, aber ich kann gerade nicht mehr klar denken.
Marceli
14.3.2023, 11:19:44
Hi, ich glaube ja, nur tritt die Anstiftung als Teilnahme im Wege formeller Subsidiarität hinter einer täterschaftlichen Begehung zurück
CR7
21.3.2023, 15:18:32
Ja, wegen der limitierten Akzessorietät ist das möglich, denn der Haupttäter muss nicht schuldhaft handeln.
lennart20
14.6.2023, 11:08:23
Wie verhält sich hier die Anstiftung zur mittelbaren Täterschaft?
Lukas_Mengestu
16.6.2023, 15:44:05
Hi lennart, der Tatbeitrag des Anstifters erschöpft sich im Hervorrufen des Tatentschlusses. Der Anstifter ist eine Randfigur des Geschehens, der die Tat als eine fremde will. Liegt die Tatherrschaft dagegen beim Täter bzw. will er die Verwirklichung der Tat als eigene, so liegt nicht nur eine Teilnahme an einer fremden Tat vor. Vielmehr ist der Täter hier dann selbst Täter. Deswegen liegt hier eine mittelbare Täterschaft und keine bloße Anstiftung vor. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
objektivezurechnung
19.9.2023, 15:54:31
Kann man hier auch von normativer Tatherrschaft sprechen? Weil T den G, wenn ich es richtig sehe, nicht getäuscht oder gezwungen hat
Lukas_Mengestu
19.9.2023, 17:59:21
Hallo objektivezurechnung, hier musst Du etwas aufpassen. Die mittelbare Täterschaft kann zwar in der Tat dadurch begründet sein, dass der Täter den Tatmittler täuscht oder zwingt. In diesem Fall liegt das Defizit des Tatmittlers auf der Willensebene. Eine mittelbare Täterschaft kommt dagegen ebenfalls in Betracht, wenn ein Wissensdefizit vorliegt, zB weil der Tatmittler -wie hier- schuldlos handelt. Das maßgeblich von Jeschek/Weigend entwickelte Konzept der normativen Tatherrschaft bezieht sich dagegen auf Konstellationen, in denen es sowohl an einem Wissens- als auch an einem Willensdefizit fehlt. Konkret geht es dabei unter anderem um die Fälle des sogenannten "absichtslos-dolosen" Werkzeug, also einem Tatmittler, der zwar vorsätzlich handelt, dem aber eine tatbestandlich geforderte Absicht fehlt, zB
ZueignungsabsichtiSv §
242 StGB. Über die sog.
normative Tatherrschaftsoll man hier dennoch zu einer mittelbaren Täterschaft kommen, da auch hier der rechtlich notwendige Einfluss bestehe. (Vertiefend dazu: BeckOK StGB/Kudlich, 58. Ed. 1.8.2023, StGB § 25 Rn. 30; MüKoStGB/Joecks/Scheinfeld, 4. Aufl. 2020, StGB § 25 Rn. 80 ff.). Beste Grüße, Lukas
Bienenschwarmvereinigung 🐝🐝🐝
24.1.2024, 10:01:16
Ich habe irgendwie Probleme in manchen Fällen wie dem vorliegenden bei der eigenen Verwirklichung des Tatebestandes des (hier: T's) abzulehen. Also wenn ich den T "normal" durchprüfe, könnte ich da nicht auch das "dazubringen des anderen" als ausreichende
Tathandlungsehen, da diese Handlung kausal für den Taterfolg ist. Könnte man in Fällen des schuldlos Handelnden nicht auch die objektive Zurechenbarkeit bejahen: wenn man jemanden mit verminderter Schuldfähigkeit zu einer Tat bringt, dann ist es doch objektiv zurechenbar und nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit, dass dieser die Tat auch durchführt. Oder habe ich da einen Knoten im Kopf...Ich würde ja auch zuerst die Strafbarkeit des T ohne die mittelbare Täterschaft anprüfen.
Nora Mommsen
28.1.2024, 18:13:55
Hallo unkreativ, danke für deine Frage. Es liegt dem Strafrecht zugrunde, dass du nur für solche Handlungen bestraft werden kannst, welche du selber vorgenommen hast. Dies ergibt sich schon aus § 26 StGB, der lautet: (1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. Das mag dir nicht logisch erscheinen. Ist aber zwingende Grundlage unseres Strafsystems. Eine Zurechnung von Handlungen gibt es nur in den ganz eng umgrenzten Fällen der Mittäterschaft, die ja auch einen eigenen Tatbeitrag im Gesamtgefüge erfordert und bei der mittelbaren Täterschaft. Gerade auf Grund der Kausalität des Überredens liegt hier ein Fall mittelbarer Täterschaft vor. Wäre T schuldfähig läge ein Fall der Anstiftung vor. Im Strafmaß macht das Übrigens nicht zwingend einen Unterschied, denn der Anstifter wird "gleich einem Täter" bestraft. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team