Gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB): Influencerin spritzt Hyaluronsäure


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Klassisches Klausurproblem

Influencerin I bietet via Instagram ohne Heilpraktiker-Zulassung Lippenvergrößerung und Nasenkorrekturen mittels Unterspritzungen mit Hyaluronsäure an. Aufgrund fehlerhafter Behandlung treten bei vielen Kundinnen teils sichtbare Knötchen in der Lippe auf. Laut Sachverständigem kann eine Injektion (versehentlich in ein Gefäß) "selten, aber im Einzelfall schwerwiegende Komplikationen bis hin zur Erblindung oder Schlaganfall nach sich ziehen".

Einordnung des Falls

Gefährliche Körperverletzung (§ 224 StGB): Influencerin spritzt Hyaluronsäure

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem I die Hyaluronsäure in niedriger Dosierung gespritzt hat, hat sie ein "Gift" (§ 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB) verwendet.

Nein!

Gift meint jeden organischen oder anorganischen Stoff, der durch chemische oder chemisch-physikalische Wirkung die Gesundheit schädigen kann (z.B. Arsen, Zyankali, Gas, Alkohol, Pflanzengifte, Pfefferspray, Salzsäure). Der Giftbegriff wird weit verstanden. Zur Einschränkung muss das Gift aber auch gesundheitsschädlich sein, also unter den konkreten Bedingungen geeignet sein, die Gesundheit erheblich zu schädigen. Dabei kommt es maßgeblich auf die Dosierung an. Hyaluronsäure ist ein organischer, chemisch wirkender Stoff, der die Gesundheit schädigen kann und damit ein Gift. I verwendet die Hyaluronsäure jedoch in niedriger Dosierung für Unterspritzungen, sodass die Gesundheitsschädlichkeit zu verneinen ist.

2. Indem I die Hyaluronsäure unter Verwendung einer Spritze verabreicht hat, hat sie eine gefährliche Körperverletzung mittels eines "anderen gefährlichen Werkzeugs" (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) begangen.

Genau, so ist das!

Werkzeug ist jeder bewegliche Gegenstand, mittels dessen durch Einwirkung auf den Körper eine Verletzung zugefügt werden kann. Gefährlich ist ein Werkzeug, das nach seiner objektiven Beschaffenheit und nach der Art seiner Benutzung im Einzelfall geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (sog. potentielle Gefährlichkeit). Bei medizinischen Werkzeugen wie z.B. einer Spritze kommt es auf den Verwender an – Arzt oder sonstiges medizinisch geschultes Personal oder aber Laien – sowie auf die Art des Eingriffs. Die medizinisch nicht geschulte I verwendet die Spritzen in sensiblen Gesichtsregionen.

3. Indem I den Kundinnen die Hyaluronsäure gespritzt hat, hat sie eine gefährliche Körperverletzung mittels einer "das Leben gefährdenden Behandlung" (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) vorgenommen.

Nein, das trifft nicht zu!

Rspr. und h.L. verlangen eine Begehungsweise, die nach den Umständen des konkreten Falles, wie der Art, Dauer und Stärke der Einwirkung objektiv generell geeignet ist, das Opfer in Lebensgefahr zu bringen. Eine konkrete Lebensgefahr sei nicht erforderlich. Maßgeblich ist die Schädlichkeit der Einwirkung auf den Körper des Opfers im Einzelfall. BGH: Zwar könne es "selten" in Folge der Hyaluronsäure-Unterspritzung zu Komplikationen wie einem Schlaganfall kommen. Damit sei eine generelle Eignung der Behandlung, das Leben zu gefährden, aber noch nicht belegt. Um die gegenüber der einfachen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) höhere Strafandrohung begründen zu können, sei für die generelle Eignung der Lebensgefährdung mehr als der lediglich in "sehr seltenen" Fällen mögliche tödliche Ausgang der Verletzungshandlung zu fordern (RdNr. 11).

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