Veranlassung Dritter zur Herbeiführung der Todesfolge

6. Februar 2025

6 Kommentare

4,7(12.263 mal geöffnet in Jurafuchs)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T und B geraten mit O in Streit. T schlägt O mit einem Faustschlag zu Boden. Das veranlasst B, dem O mit voller Wucht gegen den Kopf zu treten. O stirbt an dem Tritt. T weiß, dass B zu solchen spontanen und brutalen Attacken neigt.

Diesen Fall lösen 86,8 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Veranlassung Dritter zur Herbeiführung der Todesfolge

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat mit dem Faustschlag eine einfache Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) zu Lasten des O begangen.

Ja, in der Tat!

Unter die Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) fallen die körperliche Misshandlung (§ 223 Abs. 1 Var. 1 StGB) und die Gesundheitsschädigung (§ 223 Abs. 1 Var. 2 StGB). Eine körperliche Misshandlung ist jede üble und unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen, Steigern oder Aufrechterhalten eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden (pathologischen) Zustandes. Durch den Faustschlag des T ist O zu Boden gegangen. Er wurde somit sowohl übel und unangemessen behandelt wie auch in einen pathologischen Zustand versetzt. Diesbezüglich handelte T hier auch vorsätzlich.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Schwere Folge des § 227 Abs. 1 StGB ist der Tod des Opfers.

Ja!

Der Straftatbestand des § 227 Abs. 1 StGB setzt eine vorsätzliche Körperverletzung (§§ 223-226a StGB) voraus. Dazu kommt als weitere Voraussetzungen die Todesverursachung des Opfers durch die Körperverletzung. Weil das qualifizierende (= strafschärfende) Merkmal der Tod des Verletzten ist, also ein besonderer Erfolg, spricht man von einem erfolgsqualifizierten Delikt. Ausreichend für die schwere Folge ist eine fahrlässige Verursachung (§ 18 StGB).

3. Voraussetzung für § 227 Abs. 1 StGB ist auch die Verwirklichung des "grunddeliktischen Gefahrzusammenhangs": Der Tod des Opfers muss also auf dem spezifischen Unrecht der Körperverletzung beruhen.

Genau, so ist das!

Aufgrund der Verknüpfung zweier Unrechtselemente (Körperverletzung und schwerer Folge (hier: Todesfolge)) ist der Unrechtsgehalt bei Erfolgsqualifikationen wie § 227 Abs. 1 StGB höher und damit einhergehend auch das angedrohte Strafmaß. Die hohen Strafandrohungen führen dazu, die Tatbestände eng ("restriktiv") auszulegen, denn die Strafe muss zu ihrem Anlass, der Tat, in einem angemessenen Verhältnis stehen. Es bedarf einer wirklich engen Verknüpfung des grunddeliktischen Unrechts mit dem Unrecht der Herbeiführung der schweren Folge (tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang).

4. Der Tod des O beruht auf dem spezifischen Unrecht der Körperverletzung (dem Faustschlag) des T.

Nein, das trifft nicht zu!

In der schweren Folge muss sich genau die spezifische Gefahr verwirklichen, die mit dem Grunddelikt verbunden ist (tatbestandsspezifischer Gefahrzusammenhang). Hier ist dies jedoch nicht geschehen: Es hat sich nicht die spezifische Gefahr von Faustschlägen verwirklicht, sondern die Gefahr, einen brutalen Dritten zu lebensgefährlichen Tritten zu veranlassen. Dass diese Veranlassung gerade durch die Faustschläge geschah, macht tödliche Tritte eines Dritten jedoch noch lange nicht zur spezifischen Gefahr einer Körperverletzung. T hat sich mangels Gefahrzusammenhang nicht wegen Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MO

Mona32145

17.11.2020, 13:54:33

Könnte man trotz des Dazwischentreten des B, den

Unmittelbarkeitszusammenhang

bzgl T bejahen, da T ja gerade den Umstand kannte, dass B zu solchen Attacken neigt?

NI

Niklas

23.1.2021, 12:13:48

Ich kann nicht ganz nachvollziehen, warum hier der Faustschlag des T zu der schweren Folge geführt und damit den spezifischen

Unmittelbarkeitszusammenhang

darstellt und nicht der Tritt des O. Liebe Grüße

NI

Niklas

23.1.2021, 12:16:16

Ich revidiere meine Frage. :D

Dolusdave

Dolusdave

10.1.2022, 08:13:34

Werden T die Tathandlungen des B zugerechnet? Man könnte ja an Mittäterschaft denken, aber mE fehlt es hier an dem gemeinsamen Tatplan

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

11.1.2022, 10:05:41

Hallo Dolusdave, zwar kann der

Tatentschluss

auch

konkludent

gefasst werden und auch ein während der Tatverwirklichung Hinzustoßender kann bei gegenseitigem EInverständnis seinen Tatbeitrag in die gemeinsame Tat einführen. Allerdings genügt ein einseitiger Akt nicht, um eine Willensübereinstimmung. Hier bietet der Sachverhalt nicht genügend Anhaltspunkte dafür, von einer Zustimmung des T zu dem Tritt auszugehen. Insofern wäre eine Mittäterschaft mangels gemeinsamem Tatplan in der Tat eher abzulehnen. Beste Grüße, Lukas - für das

Jurafuchs

-Team

TI

Timon02

5.12.2024, 17:19:03

Dass der Tritt des B nicht vom gemeinsamen

Tatentschluss

i.S.d. § 25 II erfasst ist, folge ich. Insoweit liegt ein

Mittäterexzess

vor, der nicht zurechenbar ist über Mittäterschaft. Jedoch kann man nach dem Urteil BGH I StR 430/23 auch schon an die vorherigen Gewalthandlungen anknüpfen, demzufolge dem Faustschlag des T. Danach wohne den vorausgegangenen mittäterschaftlichen Gewalthandlungen eine Eskalationsgefahr inne, die als den Körper

verletzungshandlung

en eigentümliche Gefahr gesehen werden kann. Und sich letztendlich im Tod des O realisiert. Also, aus meiner Sicht zusammengefasst, stellt der BGH auf die vom gemeinsamen

Tatentschluss

erfasste Handlung des Mittäters ab und fragt, ob dieser ein Eskalationspotenzial anhaftete bzgl. einer tödlichen Überreaktion des anderen Mittäters. Über diesen Weg ist eine KV mit Todesfolge in Mittäterschaft gem. §§ 227 II, 25 II des T zu bejahen. Vielleicht könntet ihr diese Rechtsprechung zu dem Thema einarbeiten :)


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen