Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Versuch und Rücktritt
Rücktritt unbeendeter Versuch Grundlagen 1
Rücktritt unbeendeter Versuch Grundlagen 1
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T lauert vor der Wohnungstür von O. Sie möchte in die Wohnung rennen und O dabei unmittelbar erschießen. Als T gerade die Tür eintritt und die Schwelle zum „Jetzt-geht-es-los“ überschreitet, sieht sie gerade noch ein Kind neben O im Raum. T flieht, weil sie vor einem Kind nicht töten möchte.
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Einordnung des Falls
Rücktritt unbeendeter Versuch Grundlagen 1
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ts Versuch des Totschlags (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB) ist fehlgeschlagen.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Es lag ein beendeter Versuch vor.
Nein!
3. T hat die weitere Tatausführung aufgegeben.
Genau, so ist das!
4. T hat die Tatausführung freiwillig aufgegeben.
Ja, in der Tat!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Rick-energie🦦
25.6.2022, 12:10:19
Anders wäre es, wenn der Täter denkt: "Vor einem Kind zu töten? Das schaffe ich einfach nicht." Korrekt?
Nora Mommsen
7.7.2022, 11:47:21
Hallo Rick-dich, das ist möglich. Zunächst darf es sich nicht um einen fehlgeschlagenen Versuch handeln. Dies ist der Fall wenn der Täter sich theoretisch noch in der Lage gesehen hat, die Tat planmäßig zu beenden. Allerdings könnte es dann an der Freiwilligkeit fehlen. Dazu darf der Täter nicht mehr in der Lage sein, als Herr seiner Sinne die Entscheidung zu treffen sondern muss aufgrund des emotionalen und psychischen Drucks wie fremdgesteuert an der Tatvollendung gehindert sein. Dann scheidet ein Rücktritt gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 1 StGB aus. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
I-m-possible
8.7.2022, 03:51:08
Irgendwie hab ich hier eine Irritation beim „nicht“ fehlgeschlagenen Versuch als Antwort verspürt. Der Täter kann vorliegend die von ihm geplante Tat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mittel ohne zeitliche Zäsur nicht ausführen. Das wäre für mich entscheidend, dass ein Fehlschlag vorliegt. Woran dies scheitert ist erst einmal unerheblich in dem Stadium der Prüfung oder ?
Nora Mommsen
21.7.2022, 16:50:01
Hallo I-m-possible, die Differenzierung ist an dieser Stelle tatsächlich wichtig und ein Hauptaugenmerk der Rücktrittsprüfung. Denn ein Rücktritt ist nach h.M. nur bei einem nicht-fehlgeschlagenen Versuch möglich. Es muss also die freie Entscheidung des Täters sein, den Erfolg zu verhindern/nicht eintreten zu lassen. Wenn dies aus anderen Gründen schon nicht mehr geht, weil z.B. die Waffe kaputt ist oder alle Patronen verschossen sind und Fehlschläger waren, dann liegt ein Fehlschlag vor. Ein freiwilliger Rücktritt ist dann nicht mehr möglich. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
MenschlicherBriefkasten
4.10.2024, 10:48:46
Warum scheitert die Freiwilligkeit hier nicht am Vorliegen von seelischem Druck? Hier bekommt der Täter ja Gewissensbisse, gerät dadurch unter (seelischen) Druck und gibt aus diesem Motiv die weitere Tatausführung auf.
agi
6.10.2024, 14:45:40
So wie ich es verstanden hab, fällt die Freiwilligkeit aufgrund eines psychischen Druckes dann weg, wenn ein innerer oder äußerer Zwang derart besteht, dass der Täter sich nicht mehr im Stande sieht, zwischen m
ehreren Alternativverhalten selbst zu entscheiden. Sprich der Täter dadurch nicht mehr Herr seiner Entscheidung ist, sondern „fremdgesteuert“ wird. Laut SV hier, kann der T ja noch selbst entscheiden, bzw. trifft er ja die Entscheidung bewusst nicht zu schiessen, obwohl er es hätte tun können.
Leo Lee
13.10.2024, 08:56:58
Hallo MenschlicherBriefkasten, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Wie agi bereits zutreffend ausgeführt hat, ist bei Freiwilligkeit (einzig) entscheidend, ob der Täter noch Herr seiner Entschlüsse war und auch freiwillig also selbstbestimmt entschieden hat, dass er eben die Vollendung verhindern möchte bzw. die Tat abwenden möchte. Wenn er in Schockstarre verfällt und deshalb nicht weitermacht, dann ist es wohl nicht selbstbestimmt, denn er war je "eingefroren". Wenn er jedoch aufgrund Gewissensbisse Druck erfährt, dann ist dies der Fall, weil er intrinsisch dieses Gefühl verspürt (wobei man natürlich darüber streiten kann, ob Gewissensbisse nicht ähnlich wie bei Schockstarren nicht vllt. heteronom sind). Deshalb würde man hier die Freiwilligkeit mMn bejahen. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 5. Auflage, Hoffmann-Holland § 24 rtn. 137 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo