Pfändung von Sachen in Drittgewahrsam, § 809 ZPO

26. Juli 2023

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs-Illustration zur Pfändung von Sachen in Drittgewahrsam, § 809 ZPO:

S und D wohnen in einer WG. Im gemeinsam genutzten Wohnzimmer steht der Fernseher der S. G hat einen titulierten Anspruch gegen S und beauftragt Gerichtsvollzieher Z mit der Zwangsvollstreckung. Z pfändet ohne Zustimmung der D den Fernseher.

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Einordnung des Falls

Pfändung von Sachen in Drittgewahrsam, § 809 ZPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ist für D die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) der statthafte Rechtsbehelf gegen die Pfändung des Fernsehers?

Ja, in der Tat!

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) lauten: (1) Statthaftigkeit, (2) Erinnerungsbefugnis, (3) Zuständigkeit des Gerichts, (4) Form, (5) Rechtsschutzbedürfnis. Die Vollstreckungserinnerung ist statthaft (§ 766 Abs. 1 S. 1 ZPO), wenn der Erinnerungsführer gegen Vollstreckungsmaßnahmen des Vollstreckungsorgans mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts vorgeht. D kann die Verletzung der Verfahrensvorschrift des § 809 ZPO durch den Gerichtsvollzieher rügen. Damit ist die Erinnerung (§ 766 ZPO) statthaft. D ist auch erinnerungsbefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO analog), weil sie geltend machen kann, durch die Vollstreckungsmaßnahme möglicherweise in eigenen Rechten - nämlich ihrem Gewahrsam - verletzt zu sein.
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2. Ist die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) begründet, wenn Z gegen § 809 ZPO verstoßen hat?

Ja!

Die Vollstreckungserinnerung ist begründet (§ 766 Abs. 1 S. 1 ZPO), wenn die angegriffene Vollstreckungsmaßnahme nicht zulässig war. Das ist unter anderem der Fall, wenn der Gerichtsvollzieher Verfahrensvorschriften, die die Art und Weise der Zwangsvollstreckung regeln, verletzt hat. Der Gerichtsvollzieher darf eine Sache, die im Gewahrsam eines Dritten steht, nur bei dessen Herausgabebereitschaft pfänden (§ 809 ZPO). Die Erinnerung ist begründet, wenn Z gegen diese Vorschrift verstoßen hat.

3. Steht der Fernseher im Gewahrsam der D?

Genau, so ist das!

Gewahrsam (§ 809 ZPO) bedeutet grundsätzlich unmittelbaren Besitz. Besitzdiener oder mittelbare Besitzer haben daher regelmäßig keinen Gewahrsam (§ 809 ZPO). Allerdings reicht Mitgewahrsam des Dritten aus. Hier steht der Fernseher im von D und S gemeinsam genutzten Wohnzimmer der WG. Damit haben D und S Mitgewahrsam am Fernseher.

4. Durfte Z den Fernseher pfänden, weil er im Eigentum der S steht?

Nein, das trifft nicht zu!

Der Gerichtsvollzieher darf die im Mitgewahrsam eines Dritten stehenden Sachen nur pfänden, wenn der Dritte zur Herausgabe bereit ist (§ 809 ZPO). Auf die Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an - denn dies würde eine umfangreiche (rechtliche) Prüfung durch den Gerichtsvollzieher erfordern. Dies sieht das Verfahrensrecht nicht vor. Die Herausgabebereitschaft ist eine Prozesshandlung, die erklärt werden muss. D hat nicht zugestimmt und damit keine Herausgabebereitschaft erklärt. Damit war die Pfändung durch Z unzulässig. Die Vollstreckungserinnerung der D ist begründet.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Isabell

Isabell

19.9.2020, 16:38:59

Warum ist das hier nicht die Drittwiderspruchsilage?

Isabell

Isabell

19.9.2020, 16:39:30

*Klage blöde Auto"Korrektur" 🙄

Fahrradfischlein

Fahrradfischlein

24.9.2020, 13:17:07

Ich dachte auch zuerst an die Drittwiderspruchsklage. Allerdings geht es ihm ja nicht um einen materiell rechtlichen Anspruch, den er geltend macht, sondern um die Art der Vollstreckung. immerhin hat er nur

Mitgewahrsam

.

SVE

Sven

25.10.2020, 10:54:09

Es ist m.E., wie Fahrradfischlein sagt. Hier geht es um die Rüge eines Verfahrensfehlers bei der Vollstreckung und nicht darum, dass D einen eigenen materiell-rechtlichen Anspruch hätte. Anders wäre es z.B., wenn D in diesem Fall nicht nur

Mitgewahrsam

s-Inhaber, sondern z.B. Eigentümer des Fernsehers wäre - dann stünde ihm NEBEN der Vollstreckungserinnerung (wegen seines Mit-Gewahrsams) auch die Drittwiderspruchsklage (wegen seines Eigentums) zu.

Isabell

Isabell

23.5.2021, 22:11:21

Danke euch!

EVA

evanici

9.9.2023, 18:04:10

Wie sieht das denn in der Praxis aus? Müsste der GV sich das irgendwo unterschreiben lassen, dass der Dritte zur Herausgabe bereit ist?

JO

jomolino

13.9.2024, 10:59:50

Es wird ein Vollstreckungsprotokoll erstellt. Dort kann diese Information eingetragen werden, der Dritte muss dann den Vorgang auch unterzeichnen.


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