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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

G hat gegen die selbstständige Automechanikerin S einen titulierten Anspruch. Er beauftragt Gerichtsvollzieher Z mit der Vollstreckung. Dieser pfändet das Auto der D, das gerade zur Reparatur auf der Hebebühne steht. D will gegen die Pfändung vorgehen.

Einordnung des Falls

3. Evidentes Dritteigentum (§ 71 Abs. 2 GVGA)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Zulässiger Rechtsbehelf für D gegen die Pfändung des Autos ist die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO).

Ja, in der Tat!

Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) lauten: (1) Statthaftigkeit, (2) Erinnerungsbefugnis, (3) Zuständigkeit des Gerichts, (4) Form, (5) Rechtsschutzbedürfnis. Die Vollstreckungserinnerung ist statthaft (§ 766 Abs. 1 S. 1 ZPO), wenn der Erinnerungsführer gegen Vollstreckungsmaßnahmen des Vollstreckungsorgans mit der Rüge der Verletzung formellen Rechts vorgeht. D könnte unter Berufung auf § 808 ZPO i.V.m. § 71 Abs. 2 GVGA rügen, Z habe das Rechtsstaatsprinzip bei der Vollstreckungshandlung nicht ausreichend berücksichtigt. Damit ist die Erinnerung statthaft.

2. Die Erinnerung (§ 766 Abs. 1 ZPO) ist bereits begründet, wenn D beweisen kann, dass ihr das Auto gehört.

Nein!

Wegen der Formalisierung der Zwangsvollstreckung kann und soll der Gerichtsvollzieher rechtlich auf den ersten Blick nicht eindeutige Umstände wie die Eigentumsverhältnisse nicht prüfen. Mit dem Einwand, das Auto gehöre ihr, wird D daher im Rahmen einer Vollstreckungserinnerung nicht durchdringen. Einen solchen Einwand kann der Dritte nur mit der Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) erfolgreich geltend machen.

3. Die Vollstreckungserinnerung (§ 766 Abs. 1 ZPO) ist begründet, weil für Z eindeutig ersichtlich war, dass das Auto nicht S gehört.

Genau, so ist das!

Die Vollstreckungserinnerung ist begründet (§ 766 Abs. 1 S. 1 ZPO), wenn die angegriffene Vollstreckungsmaßnahme nicht zulässig war. Wegen des Rechtsstaatsprinzips muss der Gerichtsvollzieher bei der Pfändung evidentes Dritteigentum berücksichtigen (§ 71 Abs. 2 GVGA). Evidenz wird nur bejaht, wenn für den Gerichtsvollzieher vernünftigerweise kein Zweifel am Dritteigentum bestehen kann. § 71 Abs. 2 S. 1 GVGA nennt dafür beispielsweise Sachen, die einem Handwerker zur Reparatur übergeben wurden. Für Z hätte das Dritteigentum der D an dem Auto daher evident sein müssen. Die Pfändung war rechtswidrig; die Erinnerung ist begründet und erfolgreich.

4. Die Pfändung durch Z wäre dennoch rechtmäßig - und D könnte sie nicht mit der Erinnerung (§ 766 ZPO) angreifen - wenn G die Pfändung des Autos ausdrücklich verlangt.

Ja, in der Tat!

Die in § 71 Abs. 2 S. 1 GVGA genannten Gegenstände - also beispielsweise die dem Handwerker zur Reparatur überlassene Sache - muss der Gerichtsvollzieher pfänden, wenn der Gläubiger es ausdrücklich verlangt (§ 71 Abs. 2 S. 2 GVGA). Eine solche Pfändung ist dann rechtmäßig; Z handelt in diesem Fall nicht verfahrensfehlerhaft und die Erinnerung wäre unbegründet. Um gegen die Pfändung ihres Autos vorzugehen, bliebe D nur der Weg über die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO).

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Isabell

Isabell

19.9.2020, 16:43:46

Man darf sich in der Klausur nicht alleine und unmittelbar auf das Regelwerk der Gerichtsvollzieher berufen.

Vallowitz

Vallowitz

12.8.2021, 09:32:06

Dh 766 und 771 ZPO können immer auch parallel stehen? Danke 🦊

OFAC

omnimodo facturus

14.8.2021, 16:42:05

Ja.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

25.11.2021, 12:43:52

Genau Vallowitz, hierbei handelt es sich aber um unterschiedliche Verfahren. Einmal richtet sich das Begehren gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung (Erinnerung, § 766 ZPO) und ein anderes Mal geht es um die materielle Rechtslage (Drittwiderspruchsklage, § 771 ZPO). Was der Kläger will, ist im Rahmen der

Statthaftigkeit

zu prüfen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MO93

Mo93

9.2.2023, 14:04:54

Im Rahmen von § 71 Abs. 2 S. 2 GVGA wird in der Falllösung einzig auf das ausdrückliche Verlangen des Gläubigers abgestellt. Der Normtext nennt aber noch die Voraussetzung, dass der Dritte erklärt, dass er der Pfändung nicht widerspreche. Eine solche Erklärung des Dritten liegt im Beispielsfall erkennbar nicht vor. Wird sie bei Abwesenheit des Dritten einfach fingiert?

SE.

se.si.sc

21.2.2023, 21:51:45

Warum sollte sie? Es handelt sich doch um eine alternative Aufzählung ("oder"), d.h. uns genügt für unseren Fall die Tatsache, dass der Gläubiger die Pfändung ausdrücklich verlangt. Auf eine eventuelle Erklärung des Dritten, dass er der Pfändung nicht widerspricht, kommt es nach dem Wortlaut des § 74 II 2 GVGA dann überhaupt nicht mehr an. Ein eventueller Widerspruch wäre für den Gerichtsvollzieher jedenfalls unbeachtlich und der Dritte auf die Drittwiderspruchsklage nach § 771 ZPO zu verweisen.


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