Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die echte GoA – Sonderfälle

Geschäftsführer wird aufgrund eines nichtigen Vertrags tätig

Geschäftsführer wird aufgrund eines nichtigen Vertrags tätig

19. Juli 2025

52 Kommentare

4,7(55.406 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

Unternehmer U beauftragt Wirtschaftsprüferin W, eine Schuldensanierung seines Unternehmens durchzuführen. W erreicht bei den Gläubigern Schuldennachlässe. Weder U noch W erkennen, dass der Vertrag wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz nichtig war.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Geschäftsführer wird aufgrund eines nichtigen Vertrags tätig

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. W hat gegen U einen Anspruch auf Zahlung seiner Vergütung aus dem Beratungsvertrag.

Nein!

Vertragliche Ansprüche scheiden aus, da der Vertrag zwischen U und W gemäß § 134 Abs. 1 BGB i.V.m. § 3 RDG (= Rechtsdienstleistungsgesetz) nichtig ist. Das Rechtsdienstleistungsgesetz steht im Habersack Ergänzungsband unter Ordnungsnummer 99).
Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)-Wissen in 5min testen
Teste mit Jurafuchs kostenlos dein Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)-Wissen in nur 5 Minuten.

2. W kann von U Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, wenn er einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB hat.

Genau, so ist das!

Voraussetzung für einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB ist, dass A (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen, (3) ohne Auftrag oder einer sonstigen Berechtigung geführt hat und die (4) Geschäftsführung berechtigt war.

3. Indem W das Unternehmen des U saniert hat, hat sie „ein Geschäft besorgt“ (§ 677 BGB).

Ja, in der Tat!

Geschäftsbesorgung ist wie im Auftragsrecht (§ 662 BGB) weit zu verstehen und umfasst jede fremdnützige tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit, auch von kurzer Dauer.Die Schuldsanierung eines Unternehmens ist eine rechtsgeschäftliche Tätigkeit. W hat ein Geschäft besorgt.

4. Die Schuldensanierung durch W ist nach Ansicht der h.L. ein „objektiv fremdes Geschäft“ (§ 677 BGB).

Nein!

Unter objektiv fremde Geschäfte fallen Tätigkeiten, die schon ihrem äußeren Erscheinungsbild nach in einen anderen Rechts- und Interessenkreis fallen.Die Regulierung der Schulden des U stellt nach Ansicht der h.L. für W kein fremdes, sondern ein eigenes Geschäft in Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtungen dar. Somit falle die Geschäftsführung ausschließlich in ihren Rechts- und Interessenkreis. Mangels Fremdgeschäftsführungswillen liegt darüber hinaus kein „subjektiv fremdes Geschäft“, sondern ein eigenes Geschäft vor. Daher sollen nach h.L. Fälle von Leistungen auf nichtige Verträge nicht über die GoA, sondern ausschließlich über das Bereicherungsrecht gelöst werden (Lorenz NJW 1996, 883 (886)).

5. Die Schuldensanierung durch W ist nach dem BGH ein „auch-fremdes Geschäft“ (§ 677 BGB).

Genau, so ist das!

BGH: Der Erbringer einer (unerkannt) rechtsgrundlosen Leistung werde (zumindest) auch im fremden Rechts- und Interessenkreis tätig (vgl. Lorenz NJW 1996, 883 (885)).Die Tatsache, dass die Leistungserbringerin sich zur Leistung verpflichtet hielt, führt entgegen der h.L. nicht zu einem Eigengeschäft der Geschäftsbesorgerin W, sondern zu einem „auch-fremden Geschäft“. Der Fremdgeschäftsführungswille wird nach BGH beim "auch-fremden Geschäft" vermutet.

6. Der Aufwendungsersatzanspruch umfasst nur Aufwendungen, die der Geschäftsführer für erforderlich halten darf (§ 670 BGB).

Ja, in der Tat!

Nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB kann der Geschäftsführer nur die Aufwendungen ersetzt bekommen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf (§ 670 BGB). BGH: Wenn die Aufwendung in einer vom Gesetz verbotenen Tätigkeit besteht, darf der Geschäftsführer sie nicht für erforderlich halten. Es kommt nicht darauf an, ob die Parteien die konkrete Nichtigkeit des Vertrags kennen, sondern allein darauf, dass die vereinbarte Tätigkeit gesetzlich verboten ist. Die vereinbarte Tätigkeit war hier nach § 3 RDG verboten. W durfte die Aufwendungen daher nicht für erforderlich halten (BGH). Ein Aufwendungsersatzanspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB bestehe nicht. Auch die h.L. lehnt den Aufwendungsersatzanspruch (§§ 677, 683 S. 1, 670 BGB) ab: Da W mit Eigengeschäftsführungswillen handelte, habe sie maßgeblich die (vermeintlichen) Pflichten aus seinem Vertrag erfüllen wollen.

7. Bereicherungsrechtliche Ansprüche nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB sind bei tatbestandlichem Vorliegen der berechtigten GoA grundsätzlich ausgeschlossen.

Ja!

Die berechtigte GoA stellt einen Rechtsgrund im Sinne der §§ 812 ff. BGB dar. Der BGH prüft trotz tatbestandlichen Vorliegens der GoA (dogmatisch inkonsistent) dennoch Bereicherungsrecht.U hat die geleisteten Dienste des W durch Leistung erlangt. Da der Vertrag zwischen U und W nichtig ist, leistete W auch ohne Rechtsgrund. U schuldet W Wertersatz für die geleisteten Dienste aus §§ 812 Abs.1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB.h.L.: Bei der Abwicklung nichtiger Verträge sei die GoA nicht anwendbar, da das Bereicherungsrecht hierfür spezieller sei. Durch die Anwendung der GoA bestünde die Gefahr, dass die differenzierten Regelungen der §§ 814, 817 S. 2 und § 818 Abs. 3 BGB umgangen werden. Die GoA habe zudem eine andere Zielrichtung: Sie solle Geschäftsherrn und -führer schützen, nicht nichtige Verträge rückabwickeln. Bei Verträgen, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, scheiden auch bereicherungsrechtliche Ansprüche regelmäßig. Schaue Dir dazu hier den sog. „Schwarzarbeiter-Fall“ an.
Dein digitaler Tutor für Jura
Rechtsgebiet-Wissen testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dein digitaler Tutor für Jura
Rechtsgebiet-Wissen testen