Zivilrecht
Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)
Die echte GoA
Aufwendungsersatz bei Irrtum des Mieters über eigene Schönheitsreparaturpflicht
Aufwendungsersatz bei Irrtum des Mieters über eigene Schönheitsreparaturpflicht
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M mietet bei V eine Wohnung. Der Mietvertrag bürdet M Schönheitsreparaturen beim Auszug auf. Als M auszieht, nimmt sie alle erforderlichen Schönheitsreparaturen vor. Später stellt sich heraus, dass die Klausel im Mietvertrag unwirksam ist.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Aufwendungsersatz bei Irrtum des Mieters über eigene Schönheitsreparaturpflicht
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. M kann von V Ersatz für die Schönheitsreparaturen nach § 539 Abs. 1 BGB unabhängig von den Vorschriften über die GoA verlangen.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. M kann von V Ersatz für die Reparaturkosten verlangen, wenn sie einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB hat.
Ja!
3. Indem M die Schönheitsreparaturen vornahm, hat sie "ein Geschäft besorgt" (§ 677 BGB).
Genau, so ist das!
4. Indem M die Schönheitsreparaturen durchführte, hat sie nach dem BGH ein "Geschäft des V" besorgt (§ 677 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
5. M hat gegen V einen Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB auf Ersatz der Renovierungsarbeiten.
Ja!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
vodir
18.2.2021, 06:45:31
Könnte man hier auch zwischen dem objektiv fremden Geschäft (was ja zumindest ein auch-fremdes Geschäft sein sollte, weil es ja auch in den
Pflichtenkreisdes Vermieters fällt) und dem subjektiven
Fremdgeschäftsführungswillen unterscheiden? Dann müsste der BGH den FGW ja widerleglich vermuten, könnte hier aber wegen der vermeintlich bestehenden Pflicht zu FGW (-) kommen.
lege artis
4.4.2021, 21:00:20
1
vodir
4.4.2021, 21:10:08
Hä?
lege artis
4.4.2021, 21:18:21
Ich habe noch nie einen Kommentar geschrieben und das war nur ein Test, sorry 😄
s.t.
6.9.2021, 13:54:33
Finde das auch zu undifferenziert zwischen fremdes Geschäft und FGW
Lukas_Mengestu
20.12.2021, 12:22:33
Hallo zusammen, vielen Dank für eure Nachfragen. Der BGH hat sich in diesem Fall ausdrücklich dagegen ausgesprochen, dass die Schönheitsreparatur als "auch-fremdes" Geschäft eingeordnet wird. Insbesondere hat er das Vorbringen der Revision abgelehnt, dass es sich bereits deshalb um ein auch-fremdes Geschäft handele, weil durch die Renovierung die
Mietsacheverbessert würde und dem Vermögen des Vermieters zukommt. Vielmehr hat er darauf hingewiesen, dass die Schönheitsreparatur eine Leistung des Mieters darstellt, "die rechtlich und wirtschaftlich als Teil des von ihm für die Gebrauchsüberlassung an der Wohnung geschuldeten Entgelts anzusehen ist". Mit anderen Worten, statt eine höhere Miete zu zahlen, hat man die Verpflichtung übernommen, Schönheitsreparaturen vorzunehmen. Ebensowenig wie die Zahlung der Miete in den Rechtskreis des Vermieters fällt, gilt dies nach der Argumentation des BGH für die Durchführung der Schöhnheitsreparatur. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Rambo
3.8.2021, 17:57:50
Hier wird nur die BGH-Entscheidung aus 2009 erwähnt. Grds. wird in dieser Fallkonstellation ein auch fremdes Geschäft bejaht. Problematisch ist der
Fremdgeschäftsführungswille, der aber grds. vom BGH vermutet wird (Argument: Derjenige, der auf Grund eines nichtigen Vertrags handelt, darf nicht schlechter stehen als derjenige, der ohne Vertragsgrundlage handelt.) Die h.L. verneint die Vermutung des FGW ( Argument: Vermutung reine Fiktion, da GF handelt, um seine vermeintliche Vertragspflicht zu erfüllen). Zudem systemwidrige Umgehung des BereicherungsR & dessen Besonderheiten. Ich bitte daher um Überprüfung und ggf. Überarbeitung. LG
Lukas_Mengestu
7.12.2021, 12:17:21
Hallo Rambo, in der Tat hast Du recht, dass die Gerichte den
Fremdgeschäftsführungswillen und damit die GoA sehr extensiv bejaht haben, wohingegen die Literatur dies unter Verweis auf den fehlenden Willen abgelehnt haben. Das die BGH Rechtsprechung insoweit mit der bisherigen Linie bricht, wird aus unserer Sicht durch den Vertiefungshinweis deutlich, der zum Ausdruck bringt, dass die Literatur durchaus verwundert von dieser Entscheidung war. Jedenfalls im Bereichd er Schönheitsreparaturen ist durch die Entscheidung aus dem Jahr 2009 aber nun auch in der Rechtsprechung dahingehend geklärt, dass hier kein
Fremdgeschäftsführungswillen vorliegt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
antoniasophie
10.9.2022, 18:20:24
Ich verstehe nicht so ganz, wie ein fremdnütziges Tätigwerden in der Definition zur Geschäftsbesorgung mit der Ablehnung eines fremden Geschäfts zusammenpasst. Welche Anforderung besteht an die Fremdnützigkeit schon bei der Frage, ob überhaupt ein Geschäft vorliegt?
Sebastian Schmitt
13.11.2024, 09:51:31
Hallo @[antoniasophie](62488), ich bin nicht ganz sicher, ob ich Deine Frage richtig verstehe. Der BGH äußert sich in seiner (viel diskutierten) Entscheidung sehr knapp und sagt im Wesentlichen nur das, was wir auch in unserer Aufgabe erläutert haben (zum Nachlesen: BGH NJW 2009, 2590, 2591 f). Welche Anforderungen an die Fremdnützigkeit zu stellen sind, lässt sich ohnehin abstrakt kaum beantworten. Es gilt die übliche Formel, dass man schauen muss, ob das Geschäft "in einen fremden Rechts- und Interessenkreis" fällt. Das ist natürlich ein Gummibegriff, den man in vielen Grenzfällen in die eine oder andere Richtung füllen kann - je nachdem, ob GoA-Regeln zur Anwendung kommen sollen oder nicht. In dieser Entscheidung hat der BGH eben gesagt, dass die Schönheitsreparaturen auf Grundlage einer unwirksamen Klausel durch den Mieter allein deshalb erfolgen, weil er seiner vermeintlichen vertraglichen Verpflichtung nachkommen will (BGH NJW 2009, 2590, 2591 f, Rn 20). Dass diese Reparaturen der
Mietsacheund damit dem Eigentum des Vermieters zugute kommen, sei nicht entscheidend (BGH NJW 2009, 2590, 2592, Rn 20 mwN). Das kann man aus guten Gründen anders sehen und fügt sich nicht ohne Weiteres in die Rspr des BGH zu anderen Fällen ein. In einer Prüfungsaufgabe würde Euch hier üblicherweise mehr "Abwägungsmaterial" in der Sachverhaltsdarstellung gegeben, damit Ihr argumentieren könnt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
cjackson94
14.4.2023, 09:26:44
Mir fällt es schwer nachzuvollziehen, warum der BGH hier von der Rechtsprechung zu nichtigen Verträgen abweicht. Eigentlich ist die Ausgangsposition die selbe: Der Geschäftsführer denkt, dass er verpflichtet ist - ob nun aus nichtigem Vertrag oder aus nichtiger Klausel. Wo genau ist der Unterschied? Übersehe ich was?
Burumar🐸
8.6.2023, 09:02:35
+push+
InDubioProsecco
8.6.2023, 13:27:18
Ich sehe es genau so: Der Mieter "fummelt" ja an einer Sache rum, an der ein fremdes Eigentumsrecht besteht. Es müsste sich nach dem Maßstab des "auch-fremden Geschäfts" also genau um ein solches handeln.
Blan
8.9.2023, 06:37:44
Der maßgebliche Punkt ist, dass der BGH den Schönheitsreparaturen „Entgeltcharakter“ zuschreibt. Grund: das Abwälzen von Schönheitsreparaturen auf den Mieter wirkt sich auf den Mietzins aus. Heißt: Wenn die Reparatur auf den Mieter abgewälzt wird, dann wird auch sein Mietpreis geringer (Wichtiges Argument i.R.d. Feststellung, ob Schönheitsreparaturen für sich genommen zu benachteiligend sind). Jetzt ist in diesem Fall die Klausel aber nichtig und der Mieter Renoviert dennoch -> die maßgebliche Frage ist: übernimmt er eine Aufgabe des Vermieters oder zahlt er zu viel Miete? Wenn der Vermieter einen Anspruch darauf hätte, dass der Mietzins aufgrund der Nichtigkeit der Klausel angepasst werden würde, dann würde man mit der Reparatur wohl auch nicht zu viel Entgelt zahlen - denn der Mieter würde dem Vermieter ja quasi noch mehr Entgelt schulden. Dem ist aber nicht so, denn der Vermieter hat keinen Anspruch auf Mieterhöhung bei Verwenden einer nichtigen Klausel (BGH, Urteil vom 09.07.2008 – AZ VIII ZR 83/07 – ). Der Vermieter hat also keinen Anspruch darauf, dass der Mieter mehr Entgelt entrichtet - der vereinbarte Mietzins ist fest. Wenn jetzt aber die Klausel unwirksam ist und der Mieter dennoch Renoviert, dann stellt das eben ein zu viel gezahltes Entgelt dar (also zu viel gezahlte Miete). Das ist ausschließlich eine Pflicht, die den Mieter betrifft und in seinen Kreis fällt - daher kann es nur ein eigenes Geschäft sein.
NathalieK
11.11.2023, 19:26:26
Danke!!! Echt Top wie du das hier für alle verständlich ausformuliert hast.