Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die echte GoA – Sonderfälle

Aufwendungsersatz bei Irrtum des Mieters über eigene Schönheitsreparaturpflicht

Aufwendungsersatz bei Irrtum des Mieters über eigene Schönheitsreparaturpflicht

13. Juli 2025

17 Kommentare

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

M mietet bei V eine Wohnung. Der Mietvertrag bürdet M Schönheitsreparaturen beim Auszug auf. Als M auszieht, nimmt sie alle erforderlichen Schönheitsreparaturen vor. Später stellt sich heraus, dass die Klausel im Mietvertrag unwirksam ist.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Aufwendungsersatz bei Irrtum des Mieters über eigene Schönheitsreparaturpflicht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M kann von V Ersatz für die Schönheitsreparaturen nach § 539 Abs. 1 BGB unabhängig von den Vorschriften über die GoA verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 539 Abs. 1 BGB bestimmt, dass der Mieter vom Vermieter Aufwendungen auf die Mietsache, die der Vermieter ihm nicht gemäß § 536a Abs. 2 BGB zu ersetzten hat, nach den Vorschriften über die GoA ersetzt bekommt. Bei § 539 Abs. 1 BGB handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung, sodass die Voraussetzungen der §§ 663, 670 ff. BGB vorliegen müssen. Du musst also die Vorschriften der GoA inzident prüfen.
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2. M kann von V Ersatz für die Reparaturkosten verlangen, wenn sie einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB hat.

Ja!

Voraussetzung für einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB ist, dass M (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen, (3) ohne Auftrag oder einer sonstigen Berechtigung geführt hat und die (4) Geschäftsführung berechtigt war.

3. Indem M die Schönheitsreparaturen vornahm, hat sie „ein Geschäft besorgt“ (§ 677 BGB).

Genau, so ist das!

Geschäftsbesorgung ist wie im Auftragsrecht (§ 662 BGB) weit zu verstehen und umfasst jede fremdnützige tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit, auch von kurzer Dauer. Die Durchführung von Reparaturen ist eine tatsächliche Tätigkeit. M hat ein Geschäft besorgt.

4. M ging davon aus, zur Durchführung der Schönheitsreparaturen verpflichtet zu sein. Spricht das dafür, dass M ausschließlich ein Geschäft des V vorgenommen hat (§ 677 BGB)?

Nein, das trifft nicht zu!

Unter objektiv fremde Geschäfte fallen Tätigkeiten, die schon ihrem äußeren Erscheinungsbild nach in einen anderen Rechts- und Interessenkreis fallen.. BGH: Der Mieter, welcher irrig annimmt, mit der Durchführung von Schönheitsreparaturen eine Vertragspflicht zu erfüllen, wolle ein eigenes Geschäft führen (Rn. 18). Mit der Vornahme der Schönheitsreparaturen erbringe der Mieter eine Leistung, die rechtlich und wirtschaftlich als Teil des von ihm für die Gebrauchsüberlassung an der Wohnung geschuldeten Entgelts anzusehen sei. Die Reparatur komme zwar auch dem Erhalt und der Verbesserung des Mietobjekts und damit letztlich auch dem Vermieter zugute. BGH: Darauf komme es für M aber nicht maßgeblich an. Der unmittelbare Bezug zum Rechtskreis des Vermieters fehle (Rn. 20). M hat damit ein eigenes Geschäft geführt. In der Literatur (Thole, NJW 2010, 1243, 1246) wird die Entscheidung als überraschend wahrgenommen und als eine Abkehr vom „extensiven Einsatz der GoA“ als „Lückenfüller“ oder - noch zugespitzter - als „Höhepunkt des Niedergangs der GoA“ bewertet. Bis zu dieser BGH-Entscheidung hätten die Gerichte wenig Bedenken gehabt, den Begriff des fremden Geschäfts in dieser Fallgestaltung weit zu fassen.

5. M hat gegen V einen Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB auf Ersatz der Renovierungsarbeiten.

Ja!

Aufgrund der Unwirksamkeit der Klausel hat M die Arbeiten ohne Rechtsgrund geleistet. Da der Tatbestand der GoA ebenfalls nicht vorliegt, kommt auch diese nicht als Rechtsgrund in Betracht. Da die Leistung nicht in Natur herausgegeben werden kann (§ 818 Abs. 1 BGB), ist gem. § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. BGH: Bei rechtsgrundlosen Werkleistungen bemisst sich der Wert der herauszugebenden Bereicherung grundsätzlich nach dem Wert der üblichen, hilfsweise der angemessenen Vergütung.
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