Zivilrecht

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA)

Die echte GoA

Aufwendungsersatz bei Irrtum des Mieters über eigene Schönheitsreparaturpflicht

Aufwendungsersatz bei Irrtum des Mieters über eigene Schönheitsreparaturpflicht

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

M mietet bei V eine Wohnung. Der Mietvertrag bürdet M Schönheitsreparaturen beim Auszug auf. Als M auszieht, nimmt sie alle erforderlichen Schönheitsreparaturen vor. Später stellt sich heraus, dass die Klausel im Mietvertrag unwirksam ist.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Aufwendungsersatz bei Irrtum des Mieters über eigene Schönheitsreparaturpflicht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. M kann von V Ersatz für die Schönheitsreparaturen nach § 539 Abs. 1 BGB unabhängig von den Vorschriften über die GoA verlangen.

Nein, das trifft nicht zu!

§ 539 Abs. 1 BGB bestimmt, dass der Mieter vom Vermieter Aufwendungen auf die Mietsache, die der Vermieter ihm nicht gem. § 536a Abs. 2 BGB zu ersetzten hat, nach den Vorschriften über die GoA ersetzt bekommt. Bei § 539 Abs. 1 BGB handelt es sich um eine Rechtsgrundverweisung, sodass die Voraussetzungen der §§ 663, 670 ff. BGB vorliegen müssen.
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2. M kann von V Ersatz für die Reparaturkosten verlangen, wenn sie einen Anspruch auf Aufwendungsersatz nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB hat.

Ja!

Voraussetzung für einen Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB ist, dass M (1) ein fremdes Geschäft (2) mit Fremdgeschäftsführungswillen, (3) ohne Auftrag oder einer sonstigen Berechtigung geführt hat und die (4) Geschäftsführung berechtigt war.

3. Indem M die Schönheitsreparaturen vornahm, hat sie "ein Geschäft besorgt" (§ 677 BGB).

Genau, so ist das!

Geschäftsführung ohne Auftrag (GoA) begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis. Sie liegt vor, wenn jemand (der Geschäftsführer) ein Geschäft für einen anderen (den Geschäftsherrn) besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst dazu berechtigt zu sein. Geschäftsbesorgung ist wie im Auftragsrecht (§ 662 BGB) weit zu verstehen und umfasst jede fremdnützige tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Tätigkeit, auch von kurzer Dauer. Die Durchführung von Reparaturen ist eine tatsächliche Tätigkeit. M hat ein Geschäft besorgt.

4. Indem M die Schönheitsreparaturen durchführte, hat sie nach dem BGH ein "Geschäft des V" besorgt (§ 677 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Unter objektiv fremde Geschäfte fallen Tätigkeiten, die schon ihrem äußeren Erscheinungsbild nach in einen anderen Rechts- und Interessenkreis fallen.. BGH: Der Mieter, welcher irrig annimmt, mit der Durchführung von Schönheitsreparaturen eine Vertragspflicht zu erfüllen, wolle ein eigenes Geschäft führen (Rn. 18). Mit der Vornahme der Schönheitsreparaturen erbringe der Mieter eine Leistung, die rechtlich und wirtschaftlich als Teil des von ihm für die Gebrauchsüberlassung an der Wohnung geschuldeten Entgelts anzusehen sei. Die Reparatur komme zwar auch dem Erhalt und der Verbesserung des Mietobjekts und damit letztlich auch dem Vermieter zugute. BGH: Darauf komme es für M aber nicht maßgeblich an. Der unmittelbare Bezug zum Rechtskreis des Vermieters fehle (Rn. 20). M hat ein eigenes Geschäft geführt. In der Literatur (Thole, NJW 2010, 1243, 1246) wird die Entscheidung als überraschend wahrgenommen und als eine Abkehr vom „extensiven Einsatz der GoA“ als „Lückenfüller“ oder - noch zugespitzter - als „Höhepunkt des Niedergangs der GoA“ bewertet. Bis zu dieser BGH-Entscheidung hätten die Gerichte wenig Bedenken gehabt, den Begriff des fremden Geschäfts in dieser Fallgestaltung weit zu fassen.

5. M hat gegen V einen Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1, 818 Abs. 2 BGB auf Ersatz der Renovierungsarbeiten.

Ja!

Aufgrund der Unwirksamkeit der Klausel hat M die Arbeiten ohne Rechtsgrund geleistet. Da die Leistung nicht in Natur herausgegeben werden kann (§ 818 Abs. 1 BGB), ist gem. § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz zu leisten. BGH: Bei rechtsgrundlosen Werkleistungen bemisst sich der Wert der herauszugebenden Bereicherung grundsätzlich nach dem Wert der üblichen, hilfsweise der angemessenen Vergütung.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

VOD

vodir

18.2.2021, 06:45:31

Könnte man hier auch zwischen dem objektiv fremden Geschäft (was ja zumindest ein auch-fremdes Geschäft sein sollte, weil es ja auch in den

Pflichtenkreis

des Vermieters fällt) und dem subjektiven

Fremdgeschäftsführungswille

n unterscheiden? Dann müsste der BGH den FGW ja widerleglich vermuten, könnte hier aber wegen der vermeintlich bestehenden Pflicht zu FGW (-) kommen.

lege artis

lege artis

4.4.2021, 21:00:20

1

VOD

vodir

4.4.2021, 21:10:08

Hä?

lege artis

lege artis

4.4.2021, 21:18:21

Ich habe noch nie einen Kommentar geschrieben und das war nur ein Test, sorry 😄

S.

s.t.

6.9.2021, 13:54:33

Finde das auch zu undifferenziert zwischen fremdes Geschäft und FGW

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.12.2021, 12:22:33

Hallo zusammen, vielen Dank für eure Nachfragen. Der BGH hat sich in diesem Fall ausdrücklich dagegen ausgesprochen, dass die Schönheitsreparatur als "auch-fremdes" Geschäft eingeordnet wird. Insbesondere hat er das Vorbringen der Revision abgelehnt, dass es sich bereits deshalb um ein auch-fremdes Geschäft handele, weil durch die Renovierung die

Mietsache

verbessert würde und dem Vermögen des Vermieters zukommt. Vielmehr hat er darauf hingewiesen, dass die Schönheitsreparatur eine Leistung des Mieters darstellt, "die rechtlich und wirtschaftlich als Teil des von ihm für die Gebrauchsüberlassung an der Wohnung geschuldeten Entgelts anzusehen ist". Mit anderen Worten, statt eine höhere Miete zu zahlen, hat man die Verpflichtung übernommen, Schönheitsreparaturen vorzunehmen. Ebensowenig wie die Zahlung der Miete in den Rechtskreis des Vermieters fällt, gilt dies nach der Argumentation des BGH für die Durchführung der Schöhnheitsreparatur. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Rambo

Rambo

3.8.2021, 17:57:50

Hier wird nur die BGH-Entscheidung aus 2009 erwähnt. Grds. wird in dieser Fallkonstellation ein auch fremdes Geschäft bejaht. Problematisch ist der

Fremdgeschäftsführungswille

, der aber grds. vom BGH vermutet wird (Argument: Derjenige, der auf Grund eines nichtigen Vertrags handelt, darf nicht schlechter stehen als derjenige, der ohne Vertragsgrundlage handelt.) Die h.L. verneint die Vermutung des FGW ( Argument: Vermutung reine Fiktion, da GF handelt, um seine vermeintliche Vertragspflicht zu erfüllen). Zudem systemwidrige Umgehung des BereicherungsR & dessen Besonderheiten. Ich bitte daher um Überprüfung und ggf. Überarbeitung. LG

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.12.2021, 12:17:21

Hallo Rambo, in der Tat hast Du recht, dass die Gerichte den

Fremdgeschäftsführungswille

n und damit die GoA sehr extensiv bejaht haben, wohingegen die Literatur dies unter Verweis auf den fehlenden Willen abgelehnt haben. Das die BGH Rechtsprechung insoweit mit der bisherigen Linie bricht, wird aus unserer Sicht durch den Vertiefungshinweis deutlich, der zum Ausdruck bringt, dass die Literatur durchaus verwundert von dieser Entscheidung war. Jedenfalls im Bereichd er Schönheitsreparaturen ist durch die Entscheidung aus dem Jahr 2009 aber nun auch in der Rechtsprechung dahingehend geklärt, dass hier kein

Fremdgeschäftsführungswille

n vorliegt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

antoniasophie

antoniasophie

10.9.2022, 18:20:24

Ich verstehe nicht so ganz, wie ein fremdnütziges Tätigwerden in der Definition zur Geschäftsbesorgung mit der Ablehnung eines fremden Geschäfts zusammenpasst. Welche Anforderung besteht an die Fremdnützigkeit schon bei der Frage, ob überhaupt ein Geschäft vorliegt?

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

13.11.2024, 09:51:31

Hallo @[antoniasophie](62488), ich bin nicht ganz sicher, ob ich Deine Frage richtig verstehe. Der BGH äußert sich in seiner (viel diskutierten) Entscheidung sehr knapp und sagt im Wesentlichen nur das, was wir auch in unserer Aufgabe erläutert haben (zum Nachlesen: BGH NJW 2009, 2590, 2591 f). Welche Anforderungen an die Fremdnützigkeit zu stellen sind, lässt sich ohnehin abstrakt kaum beantworten. Es gilt die übliche Formel, dass man schauen muss, ob das Geschäft "in einen fremden Rechts- und Interessenkreis" fällt. Das ist natürlich ein Gummibegriff, den man in vielen Grenzfällen in die eine oder andere Richtung füllen kann - je nachdem, ob GoA-Regeln zur Anwendung kommen sollen oder nicht. In dieser Entscheidung hat der BGH eben gesagt, dass die Schönheitsreparaturen auf Grundlage einer unwirksamen Klausel durch den Mieter allein deshalb erfolgen, weil er seiner vermeintlichen vertraglichen Verpflichtung nachkommen will (BGH NJW 2009, 2590, 2591 f, Rn 20). Dass diese Reparaturen der

Mietsache

und damit dem Eigentum des Vermieters zugute kommen, sei nicht entscheidend (BGH NJW 2009, 2590, 2592, Rn 20 mwN). Das kann man aus guten Gründen anders sehen und fügt sich nicht ohne Weiteres in die Rspr des BGH zu anderen Fällen ein. In einer Prüfungsaufgabe würde Euch hier üblicherweise mehr "Abwägungsmaterial" in der Sachverhaltsdarstellung gegeben, damit Ihr argumentieren könnt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

cjackson94

cjackson94

14.4.2023, 09:26:44

Mir fällt es schwer nachzuvollziehen, warum der BGH hier von der Rechtsprechung zu nichtigen Verträgen abweicht. Eigentlich ist die Ausgangsposition die selbe: Der Geschäftsführer denkt, dass er verpflichtet ist - ob nun aus nichtigem Vertrag oder aus nichtiger Klausel. Wo genau ist der Unterschied? Übersehe ich was?

Burumar🐸

Burumar🐸

8.6.2023, 09:02:35

+push+

INDUB

InDubioProsecco

8.6.2023, 13:27:18

Ich sehe es genau so: Der Mieter "fummelt" ja an einer Sache rum, an der ein fremdes Eigentumsrecht besteht. Es müsste sich nach dem Maßstab des "auch-fremden Geschäfts" also genau um ein solches handeln.

Blan

Blan

8.9.2023, 06:37:44

Der maßgebliche Punkt ist, dass der BGH den Schönheitsreparaturen „Entgeltcharakter“ zuschreibt. Grund: das Abwälzen von Schönheitsreparaturen auf den Mieter wirkt sich auf den Mietzins aus. Heißt: Wenn die Reparatur auf den Mieter abgewälzt wird, dann wird auch sein Mietpreis geringer (Wichtiges Argument i.R.d. Feststellung, ob Schönheitsreparaturen für sich genommen zu benachteiligend sind). Jetzt ist in diesem Fall die Klausel aber nichtig und der Mieter Renoviert dennoch -> die maßgebliche Frage ist: übernimmt er eine Aufgabe des Vermieters oder zahlt er zu viel Miete? Wenn der Vermieter einen Anspruch darauf hätte, dass der Mietzins aufgrund der Nichtigkeit der Klausel angepasst werden würde, dann würde man mit der Reparatur wohl auch nicht zu viel Entgelt zahlen - denn der Mieter würde dem Vermieter ja quasi noch mehr Entgelt schulden. Dem ist aber nicht so, denn der Vermieter hat keinen Anspruch auf Mieterhöhung bei Verwenden einer nichtigen Klausel (BGH, Urteil vom 09.07.2008 – AZ VIII ZR 83/07 – ). Der Vermieter hat also keinen Anspruch darauf, dass der Mieter mehr Entgelt entrichtet - der vereinbarte Mietzins ist fest. Wenn jetzt aber die Klausel unwirksam ist und der Mieter dennoch Renoviert, dann stellt das eben ein zu viel gezahltes Entgelt dar (also zu viel gezahlte Miete). Das ist ausschließlich eine Pflicht, die den Mieter betrifft und in seinen Kreis fällt - daher kann es nur ein eigenes Geschäft sein.

NAT

NathalieK

11.11.2023, 19:26:26

Danke!!! Echt Top wie du das hier für alle verständlich ausformuliert hast.


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