Strafrecht

BT 1: Totschlag, Mord, Körperverletzung u.a.

Gefährliche Körperverletzung, § 224 StGB

Gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB – Stoß von Kindern in eiskaltes Wasser als lebensgefährdende Behandlung

Gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB – Stoß von Kindern in eiskaltes Wasser als lebensgefährdende Behandlung

16. April 2025

2 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

T schubst das Kind O im Winter in einen eiskalten Bach. O erleidet dadurch eine Unterkühlung, die stationär behandelt werden muss.

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Einordnung des Falls

Gefährliche Körperverletzung nach § 224 StGB – Stoß von Kindern in eiskaltes Wasser als lebensgefährdende Behandlung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T könnte sich wegen gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht haben, indem er K im Winter in einen eiskalten Bach stieß (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB).

Genau, so ist das!

Objektive Voraussetzungen für eine gefährliche Körperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB sind: (1) Körperliche Misshandlung oder Gesundheitsschädigung (2) Mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung T müsste zudem vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.
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2. Hat T das Kind O an der Gesundheit geschädigt (§ 223 Abs. 1 StGB)?

Ja, in der Tat!

Eine Gesundheitsschädigung ist das Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen, also vom Normalzustand abweichenden Zustands.Durch den Sturz in den eiskalten Bach erlitt O eine Unterkühlung. Das ist ein vom Normalzustand abweichender körperlicher Zustand.

3. T könnte die Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangen haben (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB).

Ja!

Eine solche liegt nach Rspr. und h.L. vor, wenn die Begehungsweise nach den Umständen des konkreten Falles, wie der Art, Dauer und Stärke der Einwirkung objektiv generell geeignet ist, das Opfer in Lebensgefahr zu bringen. Eine konkrete Lebensgefahr sei nicht erforderlich. Dagegen setzt ein Teil der Literatur voraus, dass das Opfer durch die Körperverletzung in eine wirkliche (konkrete) Lebensgefahr gekommen ist.

4. T hat die Körperverletzung des O nach h.M. „mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung“ begangen (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB).

Genau, so ist das!

Nach der Rspr. und h.L. liegt eine „das Leben gefährdenden Behandlung“ vor, wenn die Begehungsweise nach den Umständen des konkreten Falles, wie der Art, Dauer und Stärke der Einwirkung objektiv generell geeignet ist, das Opfer in Lebensgefahr zu bringen. Der Wurf eines Kindes in einen eiskalten Bach im Winter könnte auf viele Weisen das Leben des Opfers gefährden (etwa lebensgefährliche Verletzungen durch den Sturz, Ertrinken, Herzversagen durch die kalten Temperaturen). Er ist deshalb abstrakt lebensgefährdend. Das reicht nach Ansicht der h.M., um den objektiven Tatbestand des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB bejahen zu können.

5. Hat T auch eine konkrete Lebensgefahr für O herbeigeführt?

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Teil der Literatur setzt i.R.v. § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB voraus, dass das Opfer durch die Körperverletzung in eine wirkliche (konkrete) Lebensgefahr gekommen ist. O erlitt lediglich eine Unterkühlung. Diese musste zwar stationär behandelt werden. Im Sachverhalt gibt es jedoch keine Hinweise darauf, dass Os Leben tatsächlich konkret gefährdet war. Nach der Ansicht, die eine konkrete Lebensgefahr verlangt, scheidet eine Strafbarkeit nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB aus.

6. Musst Du den Streit um die Auslegung von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB im vorliegenden Fall entscheiden?

Ja!

Wenn die verschiedenen Ansichten eines Streits in Deinem konkreten Fall zu denselben Ergebnissen führen, dann kannst Du Dir einen Streitentscheid „sparen“. Dennoch solltest Du auch hier die verschiedenen Meinungen und ggf. ihre Hauptargumente kurz benennen. Die Ansichten kommen hier zu unterschiedlichen Ergebnissen, nach denen der objektive Tatbestand erfüllt ist bzw. entfällt. Ein Streitentscheid ist nötig. Für die Rspr. und h.L. spricht, dass der Wortlaut lediglich auf die Handlung, nicht aber auf einen Taterfolg abzielt. Zudem verlangen auch die anderen Tatbestandsvarianten des § 224 Abs. 1 StGB lediglich ein gefährliches Handeln (systematisches Argument). Für die andere Ansicht spricht hingegen, dass der erhöhte Strafrahmen eine konkrete Gefahr erforderlich machen könnte. Wenn Du beide Ansichten gegenübergestellt hast, ist es in der Klausur nebensächlich, welcher Ansicht Du folgst. Im Zweifel kannst Du hier klausurtaktisch vorgehen. Z.B. die Prüfung beenden, wenn Du keine Zeit mehr hast, weiter zu prüfen oder aber weiter prüfen, wenn Du Dir ansonsten Probleme abschneiden würdest.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Vincent

Vincent

14.1.2025, 12:47:07

Mir erschließt sich die Abstellung auf den Zeitpunkt nicht. Hier wird die konkrete Lebensgefahr verneint, da es lediglich zu einer Behandlungsbedürftigen Unterkühlung kam. Wieso wird hier auf einen solch späten Zeitpunkt nach der Tat abgestellt zu dem diese Erkenntnis erlangt wurde? Befinde ich mich nicht konkret in Lebensgefahr, wenn ich mit durchnässten Sachen durch Temperaturen um den Gefrierpunkt laufen muss und ist das Überleben in diesem Fall nicht rein vom Zufall abhängig ? Gerade bei einem Kind, dass deutlich schneller auskühlt als ein Erwachsener ist eine solche Situation doch real Lebensgefährlich ? Bei der Aussetzung würde man eine Gefahr des Todes in diesem Fall schließlich auch bejahen, da die Gefahr eines tödlichen Ausganges konkret besteht.

Rechtsanwalt B. Trüger

Rechtsanwalt B. Trüger

22.1.2025, 14:46:38

Ich würde mich hier anschließen und dennoch auf einen noch früheren Zeitpunkt abstellen, nämlich dem Schupsen ins eiskalte Wasser im Winter. mMn kann man hier eine konkrete Lebensgefahr dadurch bejahen, dass es bei so kalten (Wasser)Temperaturen schon mehr oder weniger direkt nach dem Hineinfallen z.B. zum Herzstillstand kommen kann. Je nach deuten der Zeichnung ggf. sogar ein Ertrinken?!


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