Abgrenzung beendeter/unbeendeter Versuch - Rücktrittshorizont
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T möchte O mit einer Pistole erschießen. Er plant, nur einmal auf O zu schießen. Nachdem dieser Schuss nicht trifft, hat T Mitleid mit O und verwendet nicht die anderen Kugeln des Magazins.
Einordnung des Falls
Abgrenzung beendeter/unbeendeter Versuch - Rücktrittshorizont
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der Versuch ist nach h.M. fehlgeschlagen.
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Nein, das ist nicht der Fall!
2. Nach der Lehre vom Rücktrittshorizont des BGH liegt ein beendeter Versuch vor.
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Nein, das trifft nicht zu!
3. Für die Lehre vom Rücktrittshorizont spricht, dass ein Abstellen auf den Tatplan den planenden Täter privilegiert.
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Ja!
Fundstellen
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ri
14.9.2021, 19:18:36
Der planende Täter wird doch gerade nicht privilegiert. Nur der unerfahrene, laienhafte Täter macht sich einen Tatplan und wird durch die Tatplantheorie schlechter gestellt, da ein Fehlschlag oder ein beendeter Versuch schneller angenommen werden, wenn dieser Tatplan nicht mehr umgesetzt werden kann oder wenn der Täter alles für den Tatplan erforderliche getan hat. Der skrupellose Profi-Killer hingegen macht sich keinen genauen, ausgefeilten Tatplan, sondern kalkuliert Eventualitäten ein.

Lukas_Mengestu
18.11.2021, 19:19:14
Hallo ri, da lässt sich sicher trefflich streiten. Ebenso gut kann man argumentieren, dass der skrupellose Profi-Killer durch das einplanen von Eventualitäten auch diese in seinen Tatplan aufnimmt. Er weiß, was er tut und er weiß auch, welche möglichen Abweichungen des "best case" auf ihn zukommen. Anders dagegen vielleicht der laienhafte Täter, der nicht ganz so genau weiß, was auf ihn zukommt. Da er die Eventualitäten nicht berücksichtigt, wäre nach der Tatplantheorie sehr schnell ein beendeter Versuch anzunehmen. Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team
evanici
4.9.2023, 11:03:31
Ist die Lehre vom Rücktrittshorizont beim beendeten Versuch dann quasi das Pendant zur Gesamtbetrachtungslehre bei der Beurteilung des Vorliegens eines fehlgeschlagenen Versuchs? Und die Meinung, die auf das bloße Vorliegen objektiver Umstände abstellt, wäre dann quasi ein Ausfluss der Einzelakttheorie, oder? Hinsichtlich der Zeitpunkte wäre es doch eigentlich so, dass der Versuch nach der Einzelakttheorie am frühesten beendet wäre, nach der Lehre vom Rücktrittshorizont entsprechend später und nach der Tatplanlehre am spätesten oder ist das zu pauschal? Und würde man auf die Einzelakttheorie abstellen, wäre der Versuch hier auch schon fehlgeschlagen, oder?
Leo Lee
9.9.2023, 10:34:50
Hallo evanici, genauso ist es! Die Lehre vom Rücktrittshorizont behandelt – wie die Gesamtbetrachtungslehre – das Gesamtgeschehen und nicht nur den einzelnen Akt als „Tat“ und ist deshalb eine Emanation derer. Völlig richtig ist auch deine Aussage zum Ausfluss der Einzelakttheorie! I.Ü. kann ich die Lektüre von Wessels/Beulke/Satzger AT 50. Auflage, Rn. 1038 ff. sehr empfehlen hierzu :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo