Strafrecht

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Anforderung an die Zueignungsabsicht – Aneignungsabsicht

Anforderung an die Zueignungsabsicht – Aneignungsabsicht

11. Mai 2023

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs Illustration: T zerstört ein Handy, indem er drauftritt.

T vermutet, dass seine Freundin F Kontakte zu anderen Männern pflegt. Um dies zu beweisen, entreißt er ihr gewaltsam das ungesicherte Handy und flüchtet damit. Wie geplant liest sich T sämtliche Chatverläufe durch und zertritt - wie von Anfang an geplant - das Handy im Anschluss.

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Einordnung des Falls

Der BGH entscheidet hier über die Anforderungen, die an die Zueignungsabsicht zu stellen sind. Danach müsse der Täter die dauernde Enteignung des Berechtigten wenigstens billigend in Kauf nehmen, während er die Aneignung beabsichtigen muss. Hierfür sei aber nicht erforderlich, dass der Täter die Sache auf Dauer behalten wolle. Vielmehr genüge es, wenn Täter die Sache auch nur vorübergehend, seinem Vermögen einverleiben wolle. Hieran fehle es aber, wenn der Täter die Sache an sich bringt, ohne sie behalten zu wollen, beispielsweise zum Zerstören, Vernichten, Wegwerfen, Preisgeben, Beiseite schaffen oder Beschädigen. In solchen Fällen handele es sich lediglich um eine Sachentziehung.

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat T eine fremde bewegliche Sache weggenommen (§ 249 Abs. 1 StGB)?

Ja!

Der objektive Tatbestand des Raubes erfordert zunächst, dass der Täter eine fremde bewegliche Sache wegnimmt. Das Handy ist ein im Alleineigentum der F stehender, tatsächlich fortschaffbarer körperlicher Gegenstand, also eine fremde bewegliche Sache. Spätestens mit der Flucht ist nach allgemeiner Verkehrsanschauung davon auszugehen, dass T die F gegen deren Willen von jeder Einwirkungsmöglichkeit auf das Handy ausgeschlossen und selbst die tatsächliche Sachherrschaft erlangt hat. Er hat damit den ursprünglichen Gewahrsam der F gebrochen und neuen eigenen begründet, das Handy also weggenommen.
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2. Hat T ein qualifiziertes Nötigungsmittel zum Zweck der Wegnahme eingesetzt (§ 249 Abs.1 StGB)?

Genau, so ist das!

Nötigungsmittel des Raubes (§ 249 StGB) sind Gewalt und Drohung. Dabei sind unter Gewalt nur körperbezogene Eingriffe von einigem Gewicht zu verstehen. Eine Drohung umfasst hingegen jede Ankündigung einer Übelszufügung, gerichtet auf eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben. Die Nötigung muss das Mittel zur Wegnahme sein. Demnach ist ein Finalzusammenhang erforderlich, wonach der Einsatz des Nötigungsmittels ex-ante zur Erleichterung oder Ermöglichung der Wegnahme objektiv bestimmt und geeignet sein muss. T entriss der F das Handy mittels Gewalt, sodass sowohl der Einsatz eines qualifizierten Nötigungsmittel, als auch der Finalzusammenhang zu bejahen sind.

3. Setzt der subjektive Tatbestand des Raubes lediglich voraus, dass der Täter vorsätzlich handelt?

Nein, das trifft nicht zu!

Neben Vorsatz bezüglich aller objektiven Tatbestandsmerkmale setzt der subjektive Tatbestand des Raubes voraus, dass der Täter mit Zueignungsabsicht handelte. Erforderlich ist dafür der Enteigungsvorsatz als der (mindestens Eventual-) Vorsatz dauerhafter Enteignung sowie die Aneignungsabsicht als die Absicht der (zumindest) vorübergehenden Aneignung. Der Täter muss mithin neben der dauernden Enteignung des Berechtigten, für die bedingter Vorsatz genügt, die Aneignung der Sache beabsichtigen. Hierfür ist nicht erforderlich, dass er diese auf Dauer behalten will. Jedoch muss er die - wenn auch möglicherweise nur vorübergehende - Aneignung zum Wegnahmezeitpunkt mit unbedingtem Willen erstreben.

4. Hatte T Enteignungsvorsatz?

Ja!

Enteignung ist die Verdrängung der Berechtigten aus ihrer wirtschaftlichen und dinglichen Position an der Sache. Der Täter muss mindestens mit bedingtem Vorsatz bezüglich der Enteignung handeln, er muss mithin ernstlich damit rechnen und sich damit abfinden, dass die Berechtigte enteignet wird. Der Enteignungswille muss auf die dauerhafte Verdrängung der Berechtigten aus ihrer Position gerichtet sein, dies grenzt die Enteignung von der bloßen Gebrauchsanmaßung ab. T hatte von Anfang an vor das Handy der F zu zerstören, nachdem er die Chatverläufe gelesen hatte. Er wusste mithin, dass F dauerhaft enteignet wird.

5. Wollte T sich den Sachwert des Handys dauerhaft aneignen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Aneignung ist die beabsichtige Einverleibung der Sache in das Vermögen des Täters oder eines Dritten. Die Aneignungsabsicht liegt nicht vor, wenn der Täter die Sache nur wegnimmt, um sie im Anschluss zu zerstören. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Aneignungsabsicht pauschal zu verneinen ist, wenn der Täter die Sache irgendwann vernichten oder wegwerfen will. Ausschlaggebend ist, ob er die Sache zerstören möchte bevor er sie seinem Vermögen einverleibt oder im Anschluss. T ging es zum Zeitpunkt der Wegnahme darum, das Mobiltelefon der Geschädigten zu entziehen, um ihre Chatverläufe zu lesen. BGH: Damit liege es aber gerade nicht auf der Hand, dass der Angeklagte den Bestand seines Vermögens durch - wenn auch vorübergehende - Zuführung der Substanz oder des Sachwerts des Mobiltelefons mehren wollte (RdNr.18).

6. Genügt, um den Aneignungsvorsatz zu bejahen, dass T das Handy kurzzeitig nutzte, um die Chatverläufe zu lesen?

Nein, das trifft nicht zu!

Fraglich ist, ob die Nutzung des Handys vor der Zerstörung bereits die Aneignungsabsicht begründen kann. Dies kann nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls beantwortet werden. Ausschlaggebend ist insbesondere, ob der Täter im weitesten Sinne wirtschaftlich von der Nutzung profitieren möchte. T ging es nicht darum, einen wirtschaftlichen oder jedenfalls materiellen Vorteil aus der Wegnahme zu ziehen. Das Handy an sich (und damit der materielle Wert) war nicht ausschlaggebend für ihn.

7. Hat sich T der räuberischen Erpressung nach §§ 253, 255 StGB strafbar gemacht?

Nein!

Vertritt man (wie der BGH) die Ansicht, dass der Raub lex specialis zur räuberischen Erpressung ist, so könnte eine Bestrafung nach §§ 253, 255 StGB als Auffangtatbestand in Betracht kommen. Anders als der Raub ist die Begehung einer räuberischen Erpressung auch ohne Zueignungsabsicht möglich. Allerdings muss der Täter auch hier mit Bereicherungsabsicht handeln. Diese liegt vor, wenn die Tat subjektiv auf die Erlangung eines Vermögensvorteils gerichtet ist.Der zwischenzeitliche bloße Besitz ist nur dann als Vermögensvorteil einzustufen, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlich messbaren Gebrauchsvorteilen führt. T entriss der F das Handy, um Chatverläufe zu lesen und es danach zu vernichten. T beabsichtigte nicht sein Vermögen zu mehren. Das Lesen von Fs Chatverläufen führt zu keinen wirtschaftlich messbaren Gebrauchsvorteilen.

8. Bleibt T also straffrei?

Nein, das ist nicht der Fall!

Dass T weder wegen Raubes, noch wegen räuberischer Erpressung bestraft werden kann bedeutet nicht, dass er straffrei bleibt. Indem er Fs Handy willentlich und rechtswidrig zertreten hat, hat er sich der Sachbeschädigung strafbar gemacht (§ 303 Abs.1 StBG). Darüber hinaus könnte die angewendete Gewalt den Tatbestand der Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) erfüllt haben, jedenfalls liegt eine Nötigung vor (§ 240 Abs. 1 StGB). Der Tatbestand des Aussphänes von Daten (§ 202a StGB) ist dagegen nicht erfüllt, da die Daten hierfür gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert seien müssen.
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Prüfungsschema

Wie prüfst Du die Strafbarkeit wegen Raubes (§ 249 StGB)?

  1. Tatbestandsmäßigkeit
    1. Objektiver Tatbestand
      1. Wegnahme einer fremden beweglichen Sache
      2. Qualifiziertes Nötigungsmittel (Gewalt gegen Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib/Leben)
      3. Zusammenhang zwischen Nötigungsmittel und Wegnahme (Finalzusammenhang, subj. und zeitlicher und örtlicher Zusammenhang, obj.)
    2. Subjektiver Tatbestand
      1. Vorsatz
      2. Zueignungsabsicht
    3. Objektive Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung und entsprechender Vorsatz
  2. Rechtswidrigkeit
  3. Schuld
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