Wirkung des Verlöbnisses 1 (Fall)

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Nach langjähriger Beziehung haben sich M und F verlobt. Für den Fall, dass M einen „Rückzieher“ macht, hat er der F seinen Mercedes versprochen. Kurze Zeit später verliebt sich M in L und sagt die Hochzeit mit F ab. Das Hochzeitskleid hatte sich F bereits gekauft.

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Einordnung des Falls

Wirkung des Verlöbnisses 1 (Fall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Kann F von M die Herausgabe des Mercedes verlangen?

Nein, das ist nicht der Fall!

Das Versprechen einer Konventionalstrafe für den Fall, dass die Eingehung der Ehe unterbleibt, ist nichtig (§ 1297 Abs. 2 BGB). Das Versprechen, dass F der M den Mercedes schenkt, falls er einen „Rückzieher“ macht, ist somit nichtig. F kann daher nicht von M die Herausgabe verlangen.
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2. Kann F von M Ersatz der Kosten für das Hochzeitskleid verlangen?

Ja, in der Tat!

Sofern ein Verlobter ohne wichtigen Grund vom Verlöbnis zurücktritt, ist er dem Partner, dessen Eltern und Dritten, die anstelle der Eltern gehandelt haben, zum Ersatz des Vertrauensschadens verpflichtet (§ 1298 BGB). F hatte auf das Verlöbnis vertraut und sich nur deshalb das Hochzeitskleid gekauft. Sie kann daher den Ersatz der Kosten für das Hochzeitskleid von M verlangen. Die gleiche Pflicht trifft auch den Verlobten, der durch eigenes Verschulden, einen wichtigen Grund für den Rücktritt des Partners veranlasst.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Nico

Nico

21.2.2022, 23:27:24

Wäre das Versprechen des F ansonsten auch formnichtig nach §§ 518 I 1, 125 I 1 BGB?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

22.2.2022, 10:26:19

Hallo NiC.-, wenn man in der Vereinbarung eine (aufschiebend bedingte) Schenkung sieht, so wäre diese in der Tat bis zur Bewirkung formnichtig nach §§ 518 Abs. 1 S. 1, 125 Abs. 1 S. 1 BGB. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

der unerkannt geisteskranke E

der unerkannt geisteskranke E

27.10.2023, 16:07:10

Wäre darin eine solche Schenkung zu sehen, dann wäre dieser Formmangel aber gem. 518 II heilbar. Damit könnte nicht über das

Bereicherungsrecht

rückabgewickelt werden, was bei Anwendung von nur 1297 II jedoch der Fall wäre. Ist dann eine Schenkung wegen der speziellen Regel des 1297 II, der eben gerade die Nichtigkeit eines solchen Geschäfts erreichen möchte, abzulehnen?

Jopies

Jopies

21.12.2023, 15:36:35

Dagegen spricht aus meiner Sicht, dass der Verlobungsbrecher mit dem Vollzug des Versprechens seine Schutzbedürftigkeit verliert. Ähnlich wie die Regeln zur Schenkung leichtfertige Versprechungen ausschließen sollen, so sollen hier m. E. die Verlobten vor vorschnellen Versprechungen geschützt werden. Mit Vollzug des Versprechens nach Bruch des Verlöbnis sind dem Leistenden aber sowohl die Umstände bewusst, als auch dass er nun konkret eine Vermögenseinbuße erleidet. Er wird damit, ähnlich wie ein Schenker, nicht mehr schutzbedürftig. Die vergleichbare Lage spricht dagegen, mit der Strafsperre des Verlöbnisses reinzugrätschen und eine Kondiktion in jedem Fall zu garantieren.

Jopies

Jopies

21.12.2023, 15:36:48

Dagegen spricht aus meiner Sicht, dass der Verlobungsbrecher mit dem Vollzug des Versprechens seine Schutzbedürftigkeit verliert. Ähnlich wie die Regeln zur Schenkung leichtfertige Versprechungen ausschließen sollen, so sollen hier m. E. die Verlobten vor vorschnellen Versprechungen geschützt werden. Mit Vollzug des Versprechens nach Bruch des Verlöbnis sind dem Leistenden aber sowohl die Umstände bewusst, als auch dass er nun konkret eine Vermögenseinbuße erleidet. Er wird damit, ähnlich wie ein Schenker, nicht mehr schutzbedürftig. Die vergleichbare Lage spricht dagegen, mit der Strafsperre des Verlöbnisses reinzugrätschen und eine Kondiktion in jedem Fall zu garantieren.

Jopies

Jopies

21.12.2023, 15:42:30

Auf der anderen Seite kann man m. E. sehr wohl die Regel zur Nichtigkeit des Strafversprechens als speziellen Fall der Schenkung hier auffassen bzw. die zeitliche aufgeschobene Schenkung als Umgehung der Vorschrift und damit als eine Unterlaufung des gesetzgeberischen Zweckes. (P.S. an das Jura Fuchs Team: könnte man meine gedoppelte Nachricht oben löschen?)

der unerkannt geisteskranke E

der unerkannt geisteskranke E

28.12.2023, 21:58:00

Das ist grundsätzlich sehr schön argumentiert. Ich meine, entscheidend ist in diesem Fall, dass § 1297 II BGB die Nichtigkeit des Versprechens gerade ohne Heilungsmöglichkeit vorschreibt. Entsprechend finde ich es also überzeugender § 1297 II BGB insoweit als lex specialis anzusehen und die Vorschriften der §§ 516 ff. BGB unangewendet zu lassen.

TI

Timurso

10.4.2024, 19:57:37

Ich kann die Diskussion über mir nicht ganz nachvollziehen. Auf das Verhältnis der Nichtigkeitsgründe kommt es imo nicht an, die Schenkung kann gleichzeitig wegen Formmangels und Verstoß gegen 1297 II BGB nichtig sein. Der Vollzug würde dann nur den Formmangel heilen, der Schenkungsvertrag wäre aber weiter nichtig und kondizierbar. In 1297 II eine Heilungsmöglichkeit bei Vollziehung reinzulesen halte ich für ziemlich abwegig. Erstens gibt das Wortlaut im Gegensatz zu 516 BGB nicht her. Zweitens werden gerade beim Auflösen von Verlöbnissen unbedachte Entscheidungen getroffen, vor denen die Parteien durch 1297 II BGB geschützt werden sollen. Dieser Schutz sollte nicht davon abhängen, ob geleistet wurde oder nicht.


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