Verlöbnis Minderjähriger Vertiefung (Fall)

24. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der 16-jährige M hat sich mit der 40-jährigen F verlobt. Zur Verlobung hat er ihr einen teuren Ring gekauft. Kurz vor der Hochzeit tritt F aufgrund des jungen Alters des M doch von der Verlobung zurück. Die Eltern des M hatten von vornherein dem Verlöbnis nicht zugestimmt.

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Einordnung des Falls

Verlöbnis Minderjähriger Vertiefung (Fall)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Lag nach der Vertragstheorie ein wirksames Verlöbnis vor?

Nein!

Nach der Vertragstheorie kommt das Verlöbnis durch einen Vertrag zustande, auf den die Vorschriften des BGB über Rechtsgeschäfte anzuwenden sind. Nach § 107 BGB bedürfen Minderjährige zur Abgabe einer Willenserklärung, die nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist, die Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Da die Einwilligung der Eltern des M fehlte, lag hier nach der Vertragstheorie kein wirksames Verlöbnis vor. Nach der abgeschwächten Vertragstheorie stellt das Verlöbnis eine geschäftsähnliche Handlung dar, auf die die Vorschriften über Willenserklärungen entsprechend anwendbar sind, sodass das Ergebnis identisch ist.
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2. Lag nach der Theorie der Vertrauenshaftung ein wirksames Verlöbnis vor?

Genau, so ist das!

Nach der Theorie der Vertrauenshaftung stellt das Verlöbnis ein vorvertragliches Vertrauensverhältnis und kein Rechtsgeschäft dar. Konstitutiv sind für das Verlöbnis daher nicht zwei übereinstimmende Willenserklärungen, sondern das beiderseitige Vertrauen auf das Eheversprechen. Es ist davon auszugehen, dass M und F in zurechenbarer Weise auf das Zustandekommen der Ehe vertraut haben. Demnach liegt nach dieser Theorie ein wirksames Verlöbnis vor.

3. Wirkt sich der Theorienstreit auf den Anspruch des M auf Rückgabe des Rings nach § 1301 BGB aus?

Ja, in der Tat!

Wenn nach einem wirksamen Verlöbnis die Eheschließung unterbleibt, kann gemäß § 1301 BGB jeder Verlobte vom anderen die Herausgabe der Gegenstände nach Bereicherungsrecht herausverlangen, die er dem anderen geschenkt oder zum Zeichen des Verlöbnisses gegeben hat. Da § 1301 BGB ein wirksames Verlöbnis voraussetzt, kann M den Ring nur nach der Theorie der Vertrauenshaftung herausverlangen. Nach der Vertragstheorie stünde ihm der Anspruch hingegen nicht zu. Der Theorienstreit um die Rechtsnatur des Verlöbnisses ist nur bei Minderjährigkeit eines der Verlobten von Bedeutung und daher auch nur in diesen Fällen zu erörtern.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

VO

Vojtech

4.2.2022, 22:29:04

Kommt man nicht auch mit der Vertragstheorie zu einem Anspruch aus § 1301 BGB, wenn die Eltern die Verlobung nachträglich genehmigen, sodass sie bis zum Rücktritt als wirksam anzusehen ist?

VIC

Victor

5.2.2022, 23:38:34

Sollten die Eltwen genehmigen läge in der Tat ein Verlöbnis vor. Allerdings kommt man beim Rücktritt dann zum Problem, ob die Minderjährige auch der Einwilligung der Eltern bedarf, da es ja theoretisch nicht

lediglich rechtlich vorteilhaft

wäre. Daher geht man eher von der freien Rücktrittsmöglichkeit ohne Einwilligung aus. Es soll ja keine Zwangsehen/-verlöbnisse geben. Aber das war ja hier dann nicht genau die Frage.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.2.2022, 12:11:15

@Vojtech: wie Victor schon ausgeführt hat, wäre bei einer Genehmigung in der Tat ein wirksames Verlöbnis zustande gekommen. Für eine Genehmigung bestehen indes keine Anhaltspunkte. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Eltern von ihrer anfänglichen Ablehnung abweichen werden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

AN

Anonym

7.4.2022, 01:51:57

Hallo. Wie wäre es, wenn eine ausländische Ehe unter Minderjährigkeit geschlossen wurde und etwa auch die Ausübung der Religionsfreiheit eine Rolle spielt? Stellen wir uns mal vor, eine Minderjährige wurde verheiratet. Kinder vorhanden. Nun ist sie Deutsche Staatsangehörige. Wie funktioniert die Beweisaufnahme in einem solchen Fall? Gibt es auch so etwas wie Zeugenschutz? VG

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

7.4.2022, 18:10:33

Hallo Anonym, ich kann Deinem Fall leider noch nicht so recht folgen. Insbesondere ist noch nicht klar, nach welchem Recht sich das ganze richtet, wo die Akteure jetzt sind, wie alt der/die Minderjährige war (=unwirksame oder aufhhebbare Ehe?), worüber Beweis erhoben werden soll und wofür es Zeugenschutz bedarf. Vorweg möchte ich insoweit aber schon einmal darauf hinweisen, dass wir hier keine Rechtsberatung bieten können und dürfen. Die Kommentarfunktion unter den Aufgaben dient vielmehr dazu, Fragen und Anregungen zu den konkreten Aufgaben zu stellen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

Jopies

Jopies

20.5.2023, 09:25:57

Wenn man davon ausgeht, dass hier nach der Vertragstheorie kein Verlobung zustande gekommen ist, stünde M dann ein Anspruch auf Leistungskondiktion (

Rechtsgrundlos

igkeit, Zweckverfehlung) bestehen? Oder noch andere Ansprüche?

Carl Wagner

Carl Wagner

20.5.2023, 11:20:23

Vielen Dank für deine Frage Jopies! Die Vertragstheorie ist hM (vgl. Peters, JA 2023, 276, 277 in Fn. 12). (1) Die Eltern haben zunächst die Möglichkeit das Verlöbnis doch noch zu genehmigen, um die Ersatzansprüche gem. §§ 1298 ff. BGB nach einem Rücktritt dem MJ zu ermöglichen (MüKoBGB/Roth, 9. Aufl. 2022, BGB § 1297 Rn. 8). (2) Andere Ansprüche zB aus §§ 530 ff. BGB oder §§ 812 ff. BGB, §§ 823 ff. BGB sind neben § 1301 BGB möglich. (BeckOK BGB/Hahn, 65. Ed. 1.2.2023, BGB § 1301 Rn. 10) Im Falle von Minderjährigen und beim Folgen der Vertragstheorie dürfte bei fehlender Genehmigung, die Leistungskondiktion entscheidend sein, da ja nie ein wirksames Verlöbnis bestand und die Genehmigung vorliegend verweigert wurde (§ 812 I 1 Alt. 1 BGB) (3) Exkurs: § 823 I oder II BGB (iVm § 263 StGB kommen in Betracht bei einem Heiratsschwindel (Betrug) oder beim Verschweigen einer bereits existierenden Ehe. (4) Vertiefungshinweis: Peters, JA 2023, 276 ff. Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team

DIAA

Diaa

25.8.2023, 09:13:39

Liebes Jurafuchs-Team, in der ersten Aufgabe hieß es, dass ein Verlöbnis nach der Vertrauenshaftungstheorie ein gesetzliches Rechtsgeschäft der Vertragsvorbereitung darstellt. Doch in dieser Aufgabe wird das anders dargelegt, und zwar, dass ein Verlöbnis doch kein RG darstellt -,-

PR

professorhaehnchen

23.4.2024, 11:55:35

In der ersten Aufgabe heißt es doch aber, dass es sich um ein gesetzliches RechtsVERHÄLTNIS (der Vertragsvorbereitung) handelt und nicht etwa ein Rechtsgeschäft.


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