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Jurafuchs

Unternehmer U sucht Akkordarbeiter für die Bedienung der Maschinen in seiner Fabrik. Weil dies schwere körperliche Arbeit ist, müssen alle Bewerber einen Fragebogen zu ihrer Gesundheit ausfüllen. Die Schwerbehinderte A gibt wahrheitswidrig an, dass sie völlig gesund sei und wird daraufhin angestellt.

Einordnung des Falls

Bewerbungsgespräch (Gesundheitszustand)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat U arglistig getäuscht (§ 123 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Tatsachen sind alle Umstände der Gegenwart oder Vergangenheit, die dem Beweis zugänglich sind. Die Gesundheit ist ein solcher Umstand der Gegenwart. A täuschte auch vorsätzlich über diese Tatsachen hinweg und handelte mithin arglistig.

2. U kann wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Grundsätzlich trifft den Arbeitnehmer im Bewerbungsgespräch eine Wahrheitspflicht. Ein Recht zur Lüge bei der Frage des Arbeitgebers nach einer Körperbehinderung durch einen Stellenbewerber besteht nur dann, wenn die verschwiegene Behinderung erfahrungsgemäß die Eignung des Arbeitnehmers für die vorgesehene Tätigkeit nicht beeinträchtigt. U fragt nach der Gesundheit, weil die Akkordarbeit in seinem Maschinenbetrieb schwer und im Akkord ist. Dies erfordert eine gute Gesundheit, um weitere Gesundheitsschäden durch Überlastung zu vermeiden. Eine Schwerbehinderung beeinträchtigt hierbei die Eignung des Arbeitnehmers zur Ausführung der Akkordarbeit. A durfte also nicht lügen.

3. Der Arbeitsvertrag ist bei Anfechtung durch U von Anfang an (ex-tunc) nichtig.

Nein!

Grundsätzlich wirkt die Anfechtung ex-tunc (§ 142 Abs. 1 BGB). Eine Rückabwicklung der Leistungen erfolgt dann nach § 812 ff. BGB. Bei Arbeitsverhältnissen bestehen jedoch viele wechselseitige Ansprüche, die schwer rückabzuwickeln sind, und es droht der nachträgliche Verlust wichtiger Arbeitnehmerschutzrechte, z.B. Entgeltfortzahlung und Urlaubsentgelt. Um diese Unbilligkeit zu vermeiden, werden bereits in Vollzug gesetzte Arbeitsverhältnisse grundsätzlich für die Vergangenheit als voll wirksam behandelt. Die Anfechtung entfaltet dann lediglich Wirkung für die Zukunft. Mithin ist der Arbeitsvertrag erst ab dem Zeitpunkt der Anfechtung als nichtig anzusehen (ex-nunc).

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KI

kimboslice

19.1.2022, 22:56:18

Hi :) Wäre es nicht richtig, dass das Geschäft trotzdem ex-tunc nichtig ist, und lediglich ex-nunc behandelt wird? Oder verwechsle ich hier etwas? Danke im Voraus!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.1.2022, 12:54:17

Hallo kimboslice, vielen Dank für Deine Nachfrage. Terminologisch bringt eine solche Unterscheidung nach mE keinen Mehrwert. Entgegen des Wortlautes des § 142 Abs. 1 BGB hat die Rechtsprechung und arbeitsrechtliche Literatur die Auffassung entwickelt, die Norm sei grundsätzlich auf "in Vollzug gesetzte" Arbeitsverhältnisse nicht anwendbar (vgl. BAG NZA 1999, 584). Insofern wird der Vertrag lediglich für die Zukunft beseitigt und damit ex nunc. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

10.3.2022, 16:42:53

Beruht diese Behandlung bereits in Vollzug gesetzter Arbeitsverhältnisse allein auf der Rechtsfortbildung von Rechtsprechung und Lehre oder gibt es auch Normen, die dies untermauern?

VIC

Victor

10.3.2022, 17:10:51

Nein ersteres ist der Fall. Es gibt keine Normen die dieses Institut untermauern. Nur der Umkehrschluss aus den Folgen von § 812, dem Gedanken des besonderen AN-Schutz und irgendwo immer Treu und Glauben

FABY

Faby

3.4.2022, 19:45:00

Kann man sagen, dass § 142 I BGB dann teleologisch reduziert wird?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.4.2022, 13:16:00

Hallo Faby, in der Tat läuft die die

Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnis

auf eine teleologische Reduktion des § 142 BGB hinaus (vgl. Preis, in: ErfK, 22.A. 2022, § 611a RdNr. 145). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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