Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Anfechtung der Willenserklärung
Bewerbungsgespräch (Gesundheitszustand)
Bewerbungsgespräch (Gesundheitszustand)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Unternehmer U sucht Akkordarbeiter für die Bedienung der Maschinen in seiner Fabrik. Weil dies schwere körperliche Arbeit ist, müssen alle Bewerber einen Fragebogen zu ihrer Gesundheit ausfüllen. Die Schwerbehinderte A gibt wahrheitswidrig an, dass sie völlig gesund sei und wird daraufhin angestellt.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Bewerbungsgespräch (Gesundheitszustand)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat U arglistig getäuscht (§ 123 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. U kann wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
3. Der Arbeitsvertrag ist bei Anfechtung durch U von Anfang an (ex-tunc) nichtig.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
kimboslice
19.1.2022, 22:56:18
Hi :) Wäre es nicht richtig, dass das Geschäft trotzdem ex-tunc nichtig ist, und lediglich ex-nunc behandelt wird? Oder verwechsle ich hier etwas? Danke im Voraus!
Lukas_Mengestu
20.1.2022, 12:54:17
Hallo kimboslice, vielen Dank für Deine Nachfrage. Terminologisch bringt eine solche Unterscheidung nach mE keinen Mehrwert. Entgegen des Wortlautes des § 142 Abs. 1 BGB hat die Rechtsprechung und arbeitsrechtliche Literatur die Auffassung entwickelt, die Norm sei grundsätzlich auf "in Vollzug gesetzte" Arbeitsverhältnisse nicht anwendbar (vgl. BAG NZA 1999, 584). Insofern wird der Vertrag lediglich für die Zukunft beseitigt und damit ex nunc. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
10.3.2022, 16:42:53
Beruht diese Behandlung bereits in Vollzug gesetzter Arbeitsverhältnisse allein auf der Rechtsfortbildung von Rechtsprechung und L
ehreoder gibt es auch Normen, die dies untermauern?
Victor
10.3.2022, 17:10:51
Nein ersteres ist der Fall. Es gibt keine Normen die dieses Institut untermauern. Nur der Umkehrschluss aus den Folgen von § 812, dem Gedanken des besonderen AN-Schutz und irgendwo immer Treu und Glauben
Faby
3.4.2022, 19:45:00
Kann man sagen, dass § 142 I BGB dann teleologisch reduziert wird?
Lukas_Mengestu
4.4.2022, 13:16:00
Hallo Faby, in der Tat läuft die die
Lehre vom fehlerhaften Arbeitsverhältnisauf eine teleologische Reduktion des
§ 142 BGBhinaus (vgl. Preis, in: ErfK, 22.A. 2022, § 611a RdNr. 145). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Jakob G.
5.8.2024, 15:12:53
Moin liebes Team! das hier stets als Sachverhaltsteil begriffene Bild enthält einen Fragebogen mit Ankreuzfeld für "Behinderung"; im schriftlichen Teil wird von Schwerbehinderung geschrieben. So wie ich das rechte Bild deute, bezieht sich dies auf das Vorstellungsbild des Arbeitgebers / Betrachters, jedwede Behinderung allgemein würde zu einer Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit und einer Untauglichkeit für Akkordarbeit führen. Möglicherweise liege ich da auch falsch, aber eine Klarstellung wäre hilfreich. Diese Aussage mag für viele körperliche Behinderungen zutreffen, wie aber die Paralympics zeigen, gilt das nicht für jede körperliche Behinderung. Zudem gibt es auch rein geistig bedingte Behinderungen, bei denen die Fähigkeit zur Akkordarbeit ungebremst sein kann.
cl@ra
9.9.2024, 20:49:04
Greift hier nicht eine Rückausnahme von der Annahme der ex nunc Nichtigkeit, weil hier aufgrund arglistiger Täuschung angefochten wurde? Geht das BAG nicht davon aus, dass ex tunc abgewickelt wird, weil der Täuschende sich nicht auf den Bestand des Vertrages verlassen kann? Außerdem hab ich den Sachverhalt so verstanden, dass der Arbeitsvertrag noch nicht vollzogen wurde, sodass noch keine Arbeitsleistungen erbracht wurden. Bleibt es in diesem Fall nicht auch bei der ex tunc Regel?
Tobias Baumgarten
18.9.2024, 18:50:26
Bei Dauerschuldverhältnissen wie dem Arbeitsvertrag geht es in der Regel nur ex-nunc, weil Leistungen bereits erbracht wurden und nicht mehr zurückgewährt werden können (z.B. Arbeitsleistung oder Wohnen beim Mietvertrag). Tatsächlich beschreibt der Sachverhalt allerdings nicht explizit, dass bereits eine Arbeitsleistung erbracht wurde.
B.H.
25.9.2024, 11:36:53
Würde an dieser Stelle nicht auch eine Anfechtung wegen eines
Eigenschaftsirrtums gem. § 119 II Alt. 1 BGB greifen?
Daniel
7.11.2024, 19:02:09
Aus meiner Sicht ja, da die Behinderung der Person auch dauerhaft anhaftet. Jedoch wäre dies für den Anfechtenden wegen der Schadensersatzpflicht aus § 122 Abs. 1 BGB nachteilig und der arglistig Täuschende zumindest auch nicht schutzwürdig. Das ist aber durch den
§ 122 BGBin der Form nicht berücksichtigt und müsste ausgelegt werden, wenn es nicht schon genau dafür den
§ 123 Abs. 1 BGBgeben würde :)