Verkaufsangestellter nicht als Dritter

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K lässt sich bei V durch Mitarbeiter M beim Kauf eines Autos beraten. M nennt unwahre Schadstoffwerte, damit K nicht von den hohen Emissionen abgeschreckt wird. K interessiert sich allerdings ohnehin nur für die vielen PS des Autos. K schließt den Kaufvertrag mit V und nimmt den Wagen direkt mit.

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Einordnung des Falls

Verkaufsangestellter nicht als Dritter

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K stehen Gewährleistungsrechte gegen V wegen der Mangelhaftigkeit des Autos zu (§§ 437, 434 BGB).

Genau, so ist das!

Dem Käufer einer Sache stehen die Gewährleistungsrechte nach § 437 BGB zu, wenn die Sache im Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhaft war. Ein Mangel liegt vor, wenn die Sache bei Gefahrübergang nicht den Anforderungen des § 434 Abs. 1 BGB genügt. Die objektiven Anforderungen ergeben sich dabei auch aus öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen zur Beschaffenheit der Sache (§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2b BGB). Hier entspricht das Auto jedenfalls nicht den objektiven Anforderungen da es eine andere Beschaffenheit (höhere Schadstoffwerte) aufweist, als angegeben.§ 434 Abs. 3 S. 1 Nr. 2b BGB n.F. = § 434 Abs. 1 S. 3 BGB a.F.
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2. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist immer neben Gewährleistungsrechten anwendbar (§ 123 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Die Gewährleistungsrechte schützen das Interesse des Käufers, für seinen Kaufpreis die vereinbarte Gegenleistung zu erhalten (Äquivalenzinteresse). Schutzgut ist damit das Vermögen. § 123 BGB soll den Erklärenden vor einer Beeinflussung seines freien Willens schützen. Daher ist die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung aufgrund der unterschiedlichen Schutzgüter (Vermögen vs. Freie Willensbetätigung) immer möglich. Anstelle der Gewährleistungsrechte kann der Getäuscht dann Vermögensschutz aus der culpa in contrahendo (c.i.c.) suchen (§§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB). Ebenfalls droht keine Umgehung der kaufrechtlichen Spezifika.

3. K kann den Kaufvertrag wegen Eigenschaftsirrtums anfechten (§ 119 Abs. 2 BGB).

Nein!

Die kaufrechtliche Mängelhaftung schließt in ihrem Anwendungsbereich das Anfechtungsrecht wegen eines Eigenschaftsirrtums aus. Ein Sachmangel stellt regelmäßig einen Eigenschaftsirrtum dar. Durch ein Anfechtungsrecht würden die kaufrechtlichen Spezifika umgangen, insbesondere die kürzere Verjährungsfrist von zwei Jahren (§ 438 BGB), die Ausschlussgründe für Mängelrechte (Haftungsausschluss, Kenntnis des Käufers etc.) und der grundsätzliche Vorrang der Nacherfüllung, der durch das Fristsetzungserfordernis für Rücktritt, Minderung und Schadenersatz statt der Leistung gesichert wird.

4. Wenn M "Dritter" (§ 123 Abs. 2 BGB) ist, kann K den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) nur unter der zusätzlichen Voraussetzung anfechten, dass V die Täuschung kannte oder kennen musste.

Genau, so ist das!

Dies ergibt sich eindeutig aus dem Gesetzestext in § 123 Abs. 2 S. 1 BGB: "Hat ein Dritter die Täuschung verübt, so ist eine Erklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben war, nur dann anfechtbar, wenn dieser die Täuschung kannte oder kennen musste."

5. K kann den Kaufvertrag mit V wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Damit K anfechten kann, muss er aufgrund der Täuschung des V einem Irrtum unterlegen sein, der ihn zur Abgabe der Willenserklärung zumindest bestimmt hat (Mitursächlichkeit). Das ist dann der Fall, wenn die Erklärung ohne die Täuschung bzw. Drohung überhaupt nicht oder mit einem anderen Inhalt abgegeben worden wäre. Die Täuschung über die Schadstoffwerte war nicht ursächlich für die Abgabe der Willenserklärung. K waren die Schadstoffwerte des Autos gleichgültig. Es kam ihm nur auf die PS an.

6. M ist „Dritter“ im Verhältnis zwischen K und V (§ 123 Abs. 2 BGB).

Nein!

„Dritter“ im Sinne des § 123 Abs. 2 BGB ist eine Person, die nicht „im Lager“ des Vertragspartners steht (Lagertheorie). Im Lager des Vertragspartners stehen z.B. Stellvertreter, Verhandlungsgehilfen ohne Abschlussvollmacht, Vertreter ohne Vertretungsmacht, wenn später genehmigt wird. Die Rechtsprechung legt "Dritter" sehr eng aus. Im Zweifel ist der Täuschende als im Lager des Anfechtungsgegners stehend zu bewerten. M ist Mitarbeiter des V und führt für V die Verkaufsverhandlungen. M wird im Rechte- und Pflichtenkreis des V tätig und ist nach der Wertung des § 278 BGB als Erfüllungsgehilfe anzusehen. M ist kein „Dritter“. Seine Täuschung ist V aufgrund seiner Stellung als Erfüllungsgehilfe zuzurechnen.
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