Verkaufsangestellter nicht als Dritter
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K lässt sich bei V durch Mitarbeiter M beim Kauf eines Autos beraten. M nennt unwahre Schadstoffwerte, damit K nicht von den hohen Emissionen abgeschreckt wird. K interessiert sich allerdings ohnehin nur für die vielen PS des Autos. K schließt den Kaufvertrag mit V und nimmt den Wagen direkt mit.
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Einordnung des Falls
Verkaufsangestellter nicht als Dritter
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K stehen Gewährleistungsrechte gegen V wegen der Mangelhaftigkeit des Autos zu (§§ 437, 434 BGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung ist immer neben Gewährleistungsrechten anwendbar (§ 123 Abs. 1 BGB).
Ja, in der Tat!
3. K kann den Kaufvertrag wegen Eigenschaftsirrtums anfechten (§ 119 Abs. 2 BGB).
Nein!
4. Wenn M "Dritter" (§ 123 Abs. 2 BGB) ist, kann K den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) nur unter der zusätzlichen Voraussetzung anfechten, dass V die Täuschung kannte oder kennen musste.
Genau, so ist das!
5. K kann den Kaufvertrag mit V wegen arglistiger Täuschung anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
6. M ist „Dritter“ im Verhältnis zwischen K und V (§ 123 Abs. 2 BGB).
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Alfestus
26.4.2022, 11:25:45
Ich finde den SV etwas doof formuliert.. grundsätzlich könnte er anfechten. Er tut es nur nicht, da es für ihn nicht wichtig ist. In der Praxis isr dieser Umstand nicht so einfach zu bewerten, sodass ich den SV etwas umformulieren würde.
Lukas_Mengestu
2.5.2022, 17:50:58
Hallo Alfestus, es tut mir Leid, dass dieser Fall Dir nicht zusagt. Hier müssen wir allerdings einige Dinge auseinanderhalten. 1) Ausweislich der hier geschilderten Fallkonstellation steht K kein Anfechtungsrecht wegen arglistiger Täuschung zu. Es genügt nicht, dass der Geschäftsgegner täuscht, sondern AUFGRUND dieser Täuschung muss hier das Geschäft abgeschlossen worden sein. Das heißt bei der hier geschilderten Situation wäre es tatsächlich für K nicht möglich, den Vertrag anzufechten. 2) Gänzlich losgelöst davon ist die Frage, ob dieser Sachverhalt in dieser Form von einer Tatsacheninstanz festgestellt werden würde. Da gebe ich Dir recht, dass er etwas konstruiert ist. Aber gerade bei Parteien ohne Anwalt kann es durchaus vorkommen, dass diese vor Gericht angeben, dass ihnen die Abgaswerte eigentlich bei Vertragsschluss egal waren. Unabhängig davon ist man gerade in der Klausur gezwungen, mit den gegebenen Feststellungen zu arbeiten. Eine Modifikation des Sachverhaltes kommt nicht in Betracht, weswegen von Hypotheticals stark abzuraten ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Trallaballahopsasa
15.1.2023, 22:05:02
So konstruiert ist der SV nicht einmal. Gerade in den VW Prozessen zum Dieselskandal wurde so mancher Kläger nach seiner Kaufmotivation befragt.
Lea
30.6.2023, 15:57:00
Wie ist denn zu beurteilen, dass in § 119 I BGB gerade steht „dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde" und eine solche Formulierung bei § 123 I BGB komplett entfällt. Wäre es dann vertretbar,dass man das Erfordernis des Zusammenhangs für die Abgabe der Erklärung wegen des unterschiedlichen Wortlautes in Bezug auf die Voraussetzung ablehnt ?
QuiGonTim
15.9.2023, 23:44:27
Interessanter Gedanke. Allerdings ergibt sich schon aus dem Wortlaut des
§ 123 Abs. 1 BGB(“zur Abgabe [...] durch
arglistige Täuschung[...] bestimmt”), dass ein Zusammenhang zwischen Täuschung und Abgabe der WE bestehen muss. Im Übrigen entspricht das Erfordernis des Zusammenhangs dem Sinn und Zweck des § 123 BGB, dem Schutz der Willensfreiheit. Besteht kein Zusammenhang zwischen Täuschung und Abgabe der WE, ist die Willensfreiheit nicht berührt. Mithin besteht dann auch keine Schutzwürdigkeit. Dass der Zusammenhang in § 119 explizit genannt ist, hat angesichts des sonst ausufernden Anwendungsbereichs wohl eher eine Einschränkungsfunktion zum Schutz des Rechtsverkehrs. Im Ergebnis würde ich deiner Argumentation also nicht zustimmen.
Stella2244
4.11.2024, 16:57:42
Sehr gute Argumentation! @[QuiGonTim](133054)
iPhone von Jannik
8.8.2024, 16:32:50
Wie würde man die Pflicht, die verletzt worden ist normativ für den Schadensersatz des Getäuschten aus c.i.c. anknüpfen?
Stella2244
4.11.2024, 16:55:18
Zb Verletzung der richtigen Aufklärungspflicht
Antonia
6.9.2024, 17:54:09
Die Mitursächlichkeit ist doch auch erforderlich für die Anfechtung nach §119, 120 oder?
schwemmely
28.10.2024, 14:57:51
Hei @[Antonia](79449), ja, das siehst du z.B. in § 119 Abs. 1 HS. 2 BGB "wenn anzunehmen ist, dass er sie bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde."
schwemmely
29.10.2024, 17:24:23
#vernetztlernen die Lagertheorie kenne ich aus dem Streit beim Dreiecksbetrug bzgl. der Abgrenzung zum
Diebstahl in mittelbarer Täterschaft. Dort wird bzgl. des Näheverhältnis ja ein „richtiger Streit“ geführt bzw. die 3 Meinungen angebracht. meine Frage: 1. ist hier nur die Lagertheorie anzusprechen und grds. nie ein Streit über das Näheverhältnis aufzureissen (mit
Befugnistheorie…)? 2. kann man sein Wissen zur Lagertheorie aus dem Strafrecht hier grds. anwenden (/sind sie deckungsgleich?) Lg
Stella2244
4.11.2024, 16:54:09
Ich würde das nicht so groß aufziehen, die Rechtsprechung geht im Zweifel davon aus, dass die Person kein Dritter im Sinne des § 123 II BGB ist.