Öffentliches Recht

Kommunalrecht

Grundlagen

Keine individuelle Einrichtungsgarantie - "Eingemeindung"

Keine individuelle Einrichtungsgarantie - "Eingemeindung"

21. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der Landtag des Bundeslandes B beschließt das „Zoffenhausen-Eingemeindungs-Gesetz“ (ZEG), nach dem die kreisangehörige Gemeinde Zoffenhausen gegen ihren Willen Teil der kreisfreien Stadt Stunkstadt werden soll. Zoffenhausen erhält keine Möglichkeit, sich zu dieser Eingemeindung zu äußern.

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Einordnung des Falls

Keine individuelle Einrichtungsgarantie - "Eingemeindung"

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG gewährt den Gemeinden subjektive Rechte.

Genau, so ist das!

Das Selbstverwaltungsrecht verschafft den Kommunen insbesondere Abwehrrechte gegen staatliche Beeinträchtigungen und Leistungsrechte gegen den Staat.
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2. Das ZEG ist materiell verfassungswidrig, soweit es das Recht auf kommunale Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG) der Gemeinde Zoffenhausen verletzt.

Ja, in der Tat!

Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ist ein Verfassungsgut, das der materiellen Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes entgegenstehen kann. Die Obersätze im öffentlichen Recht sollten immer mit „soweit“ (und nicht mit „wenn“) gebildet werden, wenn die Prüfung auch ergeben kann, dass die Voraussetzungen nur teilweise erfüllt werden können.

3. Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG garantiert die Existenz der Institution „Kommune“ im Staatsaufbau (institutionelle Garantie).

Ja!

Indem Art. 28 GG und die Regelungen der Landesverfassungen Gemeinden und Gemeindeverbände ausdrücklich erwähnen, ist die Existenz dieser Einrichtungen geschützt („institutionelle Rechtssubjektsgarantie“). Das heißt, dass Gemeinden unbedingt im Staatsaufbau vorhanden sein müssen - eine vollständige Abschaffung der kommunalen Verwaltungsebene wäre also verfassungswidrig.

4. Darüber hinaus garantiert Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG auch den individuellen Fortbestand der Gemeinde Zoffenhausen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Garantie der Existenz von Gemeinden wird nur institutionell und nicht individuell durch Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG abgesichert. Neugliederungen, Gebietsänderungen oder Eingemeindungen einzelner Gemeinden steht Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG nicht prinzipiell entgegen.

5. Können staatliche Beeinträchtigungen des kommunalen Selbstverwaltungsrechts verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein?

Ja, in der Tat!

Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG unterliegt insbesondere einem Gesetzesvorbehalt („im Rahmen der Gesetze“). Daher dürfen auch Eingemeindungen nur durch Gesetz vorgenommen werden (vgl. § 8 Abs. 3 S. 1 GemO BW).

6. Die Eingemeindung ist nur mit dem Einverständnis von Zoffenhausen zulässig.

Nein!

Gebietsänderungen dürfen auch gegen den Willen der betroffenen Gemeinden durch Gesetz vorgenommen werden. Es bedarf in formeller Hinsicht einer Anhörung der Gemeinde (vgl. § 8 Abs. 5 GemO BW; § 11 Abs. 1 S. 2 KV MV; § 11 Abs. 1 S. 2 KV MV). Materiell müssen derartige Maßnahmen (1) aus Gründen des öffentlichen Wohls gerechtfertigt (vgl. § 8 Abs. 1 GemO BW; § 24 Abs. 1 KomVG NI; § 8 Abs. 1 GemO SN), (2) dem Gesetzesvorbehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG genügen, sowie (3) verhältnismäßig und nicht willkürlich sein. Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen wurden in den meisten Ländern einfachgesetzlich und in einem zusammenhängenden Abschnitt über das Gemeindegebiet verankert.

7. Die formellen Voraussetzungen der Eingemeindung liegen im Falle des ZEG vor.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Eingemeindung erfordert in formeller Hinsicht eine Anhörung der Gemeinde (vgl. § 8 Abs. 5 GemO BW; § 11 Abs. 1 S. 2 KV MV). Zoffenhausen wurde nicht angehört.

8. Die materiellen Voraussetzungen der Eingemeindung sind gerichtlich voll überprüfbar.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Gesetzgeber hat einen weiten politischen Gestaltungsspielraum bei Gebietsänderungen, weshalb die gerichtliche Kontrolldichte beschränkt ist. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Frage, ob die Eingemeindung durch Gründe des öffentlichen Wohls gerechtfertigt ist. Die Entscheidung ist gerichtlich nur dahingehend überprüfbar, ob der Gesetzgeber bei der Bewertung und Abwägung eindeutig fehlerhaft gehandelt hat. Die Eingemeindung ist demnach insbesondere verfassungswidrig, wenn (1) der Gesetzgeber die Sachlage schlecht ermittelt hat, (2) in wesentlichen Punkten von falschen Annahmen ausgegangen ist, (3) offensichtliche Fehler bei den zugrunde liegenden Erwägungen, Wertungen und Prognosen gemacht hat, oder (4) ohne erkennbare Gründe vom bisherigen System kommunaler Ordnung abweicht („Systemuntreue“). Zudem dürfen (5) die Nachteile nicht außer Verhältnis zu den Vorteilen der Eingemeindung für Kommunen und Einwohnerinnen stehen (Schaden-Nutzen-Bilanz).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

IS

IsiRider

23.4.2023, 14:27:46

Ist das in den Landesgesetzen verankert oder ist das Rspr., die man kennen muss?

Paul König

Paul König

24.4.2023, 09:00:37

Hey @[IsiRider](24300), in den meisten Ländern (zB §§ 8 GemO BW; 8 GemO SN; 23 KomVG NS) schon. Damit wurde die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung gesetzlich nachvollzogen. Für welches Land interessierst Du Dich? Meist hat der Paragraph die Überschrift "Gebietsänderung". Beste Grüße - Paul (für das Jurafuchs-Team) @[Lukas Mengestu](136780)

CR7

CR7

2.5.2023, 21:05:55

* §8 SächsGemO :D

Pilea

Pilea

5.7.2023, 19:22:33

Schleswig-Holstein: §§ 14 ff. GO SH

MAR

Maryen

6.2.2024, 15:52:38

16 HGO

lexspecialia

lexspecialia

3.4.2024, 15:43:31

Könnte jemand bitte die richtige Norm für Bayern zitieren?

Paul König

Paul König

5.4.2024, 17:08:05

@[lexspecialia](213087) In Bayern wäre dies Art. 11 BayGO!

Sambajamba10

Sambajamba10

29.7.2024, 17:31:50

§ 9 ThürKO

AS

as.mzkw

5.10.2024, 11:36:43

§§ 17 ff. GO NRW


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