Zivilrecht

Schuldrecht Allgemeiner Teil

Schadensersatz wegen Unmöglichkeit (Leistungsstörungsrecht)

Grundfall: Leistungsgegenstand durch Verkäufer fahrlässig untergegangen

Grundfall: Leistungsgegenstand durch Verkäufer fahrlässig untergegangen

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Millionärin M verkauft Kaufmann K ihren Oldtimer "Tommy". Bevor K ihn abholen kann, wird "Tommy" von unbekannten Dieben aus der Garage der M gestohlen, weil M den Autoschlüssel hat stecken lassen. K hätte mit dem Verkauf des Wagens einen Gewinn von €5.000 erzielt.

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Einordnung des Falls

Grundfall: Leistungsgegenstand durch Verkäufer fahrlässig untergegangen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K kann von M Übergabe und Übereignung des Wagens verlangen (§ 433 Abs. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Bei Abschluss eines Kaufvertrages ist der Verkäufer verpflichtet, dem Käufer die Sache zu übergeben und das Eigentum an der Sache zu verschaffen (§ 433 Abs. 1 BGB). Die Leistungspflicht des Schuldners ist aber ausgeschlossen, wenn die Leistungserbringung unmöglich geworden ist (§ 275 Abs. 1 BGB.) M und K haben einen Kaufvertrag über den Oldtimer "Tommy" (Stückschuld) geschlossen. Die Übergabe und Übereignung von Tommy ist M durch den Diebstahl subjektiv unmöglich geworden (§ 275 Abs. 1 Alt. 2 BGB). Damit ist der Anspruch des K auf Übergabe und Übereignung von Tommy untergegangen.
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2. Bereits bei Abschluss des Vertrages war es M unmöglich zu leisten. Anspruchsgrundlage für den entgangenen Gewinn ist § 311a Abs. 2 BGB.

Nein!

Wenn die Primärleistungspflicht aufgrund von Unmöglichkeit ausgeschlossen ist, so verbleibt dem Gläubiger die Möglichkeit Schadensersatz zu verlangen. Im Hinblick auf die Anspruchsgrundlage ist dabei zu unterscheiden, ob die Unmöglichkeit bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestand (=anfängliche Unmöglichkeit, § 311a Abs. 2 BGB) oder erst nachträglich eingetreten ist (=nachträgliche Unmöglichkeit, §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB). Ms Wagen wurde erst nach Vertragsschluss gestohlen, somit ist §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB die maßgebliche Anspruchsgrundlage.

3. K kann den entgangenen Gewinn von M als Schadensersatz verlangen, sofern die Voraussetzungen des § 280 Abs. 1, 3, 283 BGB vorliegen.

Genau, so ist das!

Im Falle der nachträglichen Unmöglichkeit richtet sich der Anspruch nach §§280 Abs. 1, 3, 283 BGB. Dieser setzt voraus: (1) Schuldverhältnis, (2) Nichtleistung aufgrund von Unmöglichkeit (=Pflichtverletzung), (3) Vertretenmüssen des Schuldners, (4) Schaden.Mit Ausnahme der besonderen Pflichtverletzung (=Unmöglichkeit) ist das Prüfprogramm insoweit identisch mit dem einfachen Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB. Denn da die Leistung endgültig unmöglich ist, würde auch eine Mahnung oder Fristsetzung nichts an dem Ausbleiben ändern.

4. M hat ihre vertraglichen Pflichten verletzt.

Ja, in der Tat!

Eine Pflichtverletzung nach §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB liegt vor, wenn (1) die fällige Leistung nicht erbracht wird und (2) der Schuldner seine Leistung nach §§ 275 Abs. 1-3 BGB aufgrund von nachträglicher Unmöglichkeit nicht erbringen muss.Mangels anderer Vereinbarung war Ms Leistung sofort fällig (§ 271 BGB). Aufgrund des Diebstahls nach Vertragsschluss war es ihr subjektiv unmöglich diese Leistung zu erbringen, sodass ihre Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 Alt. 1 BGB ausgeschlossen ist.

5. M hatte die Unmöglichkeit auch zu vertreten.

Ja!

Im Falle des §§ 280 Abs. 1, 3, 283 BGB bezieht sich das erforderliche Vertretenmüssen nicht auf die Nichtleistung als solche. Vielmehr muss der Schuldner die Umstände, die zur Leistungsbefreiung nach § 275 Abs. 1-3 BGB geführt haben, zu vertreten haben (§ 276 BGB). Auch hier wird das Vertretenmüssen grundsätzlich vermutet (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB). Am Vertretenmüssen fehlt es insbesondere, wenn der Schuldner das Leistungshindernis nicht vorhersehen musste und es auch nicht hätte vermeiden können.Das Vertretenmüssen wird vermutet. Da V den Schlüssel im Auto hat stecken lassen, hat sie jedenfalls die im Verkehr erforderliche Sorgfalt missachtet und fahrlässig gehandelt (§ 276 Abs. 2 BGB). Sie wird die Vermutung also nicht widerlegen können.

6. K hat einen Schaden erlitten.

Genau, so ist das!

Der Schaden liegt für den Gläubiger im Verlust seines primären Leistungsanspruchs. Der Umfang der Schadenshöhe richtet sich nach den §§ 249 ff. BGB. Durch den Diebstahl hat K den Anspruch auf Übereignung von Tommy verloren. Ohne das schädigende Ereignis, hätte K Tommy mit einem Gewinn von €5.000 weiterverkaufen können. Diesen entgangenen Gewinn muss M ihm somit ersetzen (§ 249 Abs.1, 252 BGB).
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