Grundfall (§ 282 BGB)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A beauftragt M in ihrer Wohnung Parkett zu verlegen. In der Wohnung herrscht Rauchverbot. Bei den Arbeiten stößt M einen Blumentopf um. Zudem raucht sie - trotz mehrerer Abmahnungen - wiederholt in Ms Wohnzimmer. A kündigt M und beauftragt Parkettleger P. P verlangt € 500 mehr.
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Einordnung des Falls
Grundfall (§ 282 BGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat gegen M einen Anspruch auf Ersatz des zerstörten Blumentopfs nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. A hat gegen M einen Anspruch auf Ersatz der zusätzlichen Kosten der Parkettlegerin nach §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. A könnte einen Anspruch auf Ersatz der zusätzlichen Kosten der Parkettlegerin nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 282 BGB haben.
Ja, in der Tat!
4. Indem M den Blumentopf umgestoßen und im Wohnzimmer geraucht hat, hat M ihre Schutzpflicht gewahrt (§ 241 Abs. 2 BGB).
Nein!
5. M hat die Schutzpflichtverletzung zu vertreten gehabt.
Genau, so ist das!
6. Da M den Blumentopf umgestoßen hat, war es A unzumutbar, Ms Leistung weiter entgegenzunehmen.
Nein, das trifft nicht zu!
7. Da M in dem Wohnzimmer geraucht hat, war es A unzumutbar, Ms Leistung weiter entgegenzunehmen.
Ja!
8. Da M die Arbeiten nicht abgeschlossen hat, ist A ein Schaden entstanden.
Genau, so ist das!
9. Obwohl A nach §§ 280 Abs. 1, 3, 282 BGB Schadensersatz verlangt, ist M weiter zur Erbringung der Leistung verpflichtet.
Nein, das trifft nicht zu!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
TomBombadil
12.2.2024, 17:57:31
Hallo zusammen, mir ist die Logik des Erst-recht-Schlusses noch nicht ganz klar. Denn wenn ich recht erinnere, gibt es in der Begründung keine derartige "Schaltung": Die Argumentation beginnt mit "Wenn schon" und endet auf "nur". Das erscheint mir (noch) unsinnig. Ich vermisse die Begründung, weshalb die Verletzung einer Schutzpflicht schwerer wiegt als die Verletzung des Leistungsinteresses. Nur so scheint mir der Erst-recht-Schluss zulässig: Wenn schon bei einer Verletzung des Leistungsinteresses ein Wahlrecht besteht, dann erst recht bei einer Schutzpflichtverletzung ... Vielleicht mag mich ja jemand erleuchten. :)
Timurso
13.2.2024, 16:38:22
Das "nur" ist hier tatsächlich etwas verwirrend. Deswegen steht es auch in Anführungszeichen. Auf den ersten Blick wirkt eine Schutzpflichtverletzung weniger schlimm als eine
Leistungspflichtverletzung. Allerdings ist die Schutzpflichtverletzung ja gerade so gravierend, dass der Gläubiger nicht mehr am Vertrag festhalten muss, wie auch der Wortlaut von 282 sagt. Deswegen wiegt sie hier schwerer als eine
Leistungspflichtverletzung. Ich denke auch, dass man das schöner oder ausführlicher formulieren könnte in der Lösung. Darüber hinaus bin ich mir auch gar nicht so sicher, ob man die Analogie und den Erst-Recht-Schluss tatsächlich braucht. Einerseits steht ja bereits im Wortlaut, dass die Leistung nicht mehr zumutbar ist. Andererseits sagt § 281 IV BGB: "sobald der Gläubiger statt der Leistung Schadensersatz verlangt hat" und
§ 282 BGB: "... kann der Gläubiger ... Schadensersatz statt der Leistung verlangen". Meiner Meinung nach ist daher der § 281 IV BGB bereits direkt seinem Wortlaut nach anwendbar. Er macht keine Einschränkungen dahingehend, dass er nur für Schadensersatzansprüche nach § 281 BGB gelten soll.
TomBombadil
13.2.2024, 22:02:42
Hallo Timurso, lieben Dank für die ausführliche Erklärung. :)
QuiGonTim
22.2.2024, 22:46:06
Dass der Anspruch auf Schadenersatz und jener auf Leistung nur alternativ, nicht kumulativ vorliegen können, ergibt sich mE schon aus dem Wort („statt“). Demnach hat § 281 IV BGB mE hinsichtlich des Wahlrechts (weniger gläubigerfreundlich formuliert: des Ausschluss des Doppelanspruchs) bloß klarstellende Funktion und ist allenfalls für den Zeitpunkt des Untergangs des Leistungsanspruchs („sobald“) relevant.
JuraKönigin2025
28.8.2024, 10:08:14
Hallo liebes Jura Fuchs Team, wieso kommt hier kein Anspruch aus 281 in Betracht? Hier geht es ja auch um SE statt der Leistung und könnten man nicht sagen, dass hier der Handwerker sowohl nur Teil geleistet hat als auch Schlechtgeleistete? Ich stehe hier gerade auf dem Schlauch... Ich würd mich über eine Antwort sehr freuen :) LG
Julian
28.8.2024, 12:47:36
Ich bin nicht sicher, würde aber vermuten, dass ein etwaiger Anspruch aus §§ 280 I, III, 281 BGB hier vorliegend durch die spezielleren Regelungen des §§ 634 Nr. 4, 633, 280, 281 BGB verträgt wird und daneben nicht mehr anwendbar ist. Deshalb wird in der Aufgabe vermutlich ausschließlich auf die Folgen der Nebenpflichtverletzung, nicht aber der
Leistungspflichtverletzung abgestellt…
Tobias Krapp
31.8.2024, 00:45:39
Hallo JuraKönigin2025, danke für deine Nachfrage. § 634 BGB, wie von Julian angedacht, greift hier nicht, da zum einen hier keine Mängel des Werks vorliegen, zum anderen eine Abnahme nicht erfolgte, die Voraussetzung für den Sprung vom Schuldrecht AT zum Schuldtrecht BT ist. Entscheidend ist hier, dass §§ 280 I, III, 281 BGB die Verletzung einer
LEISTUNGSPFLICHTerfordern. Relevante Pflichtverletzung ist entweder die Nichtleistung oder die Schlechtleistung.
Leistungspflichtder M ist hier die Herstellung des versprochenen Werks, § 631 I BGB, also das Verlegen des Parketts. Das Umstoßen der Blumentöpfe durch M und das Rauchen beeinflussen die Herstellung des versprochenen Werks nicht, das Parkett kann schließlich trotzdem problemlos verlegt werden. Daher kommt eine Schlechtleistung nicht in Betracht. Ob eine Nichtleistung überhaupt vorliegt, käme zum einen darauf an, wann die Leistung nach Absprache der Parteien fällig ist und zum anderen, was genau A der M gesagt hat; die Aufgabe ist hier, da der Fokus hierauf nicht liegt, sehr kurz - laut Sachverhalt hat A "gekündigt", wenn dies als Kündigung (nach § 648a BGB) oder Rücktritt (nach § 324 BGB) auszulegen ist, ist der Vertrag ohnehin für die Zukunft beendigt. Dann kann ab diesem Zeitpunkt gar nicht mehr geleistet werden. Aber auch wenn A M schlicht Zutritt verwehrt und die Leistung fällig wäre, wäre §§ 280 I, III, 281 BGB ausgeschlossen, da dann M die Nichtleistung nicht zu vertreten hätte. Im Ergebnis kommt damit Schadenersatz nur nach §§ 280 I, III,
282 BGBin Betracht. Ich hoffe, das hat weitergeholfen! Viele Grüße - für das Jurafuchsteam - Tobias
hannabuma
22.10.2024, 12:35:25
Irgendwie fällt mir die Unterscheidung zwischen SEndL und SEsdL gerade bei diesem Fall etwas schwer und ich erkenne leider nicht wo mein Denkfehler liegt. Bei der Frage bezüglich der Beauftragung einer zusätzlichen Parkettlegerin wird hier so argumentiert: „Hätte M ihre Leistung ordnungsgemäß erbracht, wäre A nicht gezwungen gewesen P zu beauftragen und die Mehrkosten wären nicht entstanden. Es handelt sich insoweit um einen Schaden statt der Leistung.“ Beim Blumentopf ist es dann aber anders und ich kann gerade nicht so ganz nachvollziehen wieso. Hätte M ihre Leistung ordnungsgemäß erbracht, dann wäre doch auch der Blumentopf infolge der Schutzpflichtverletzung nicht kaputt gegangen (wenn eben von der ordnungsgemäßen Leistung auch die Wahrung der Schutzpflichten umfasst ist). Somit wäre der Schaden entfallen, was ja eigentlich zum SEsdL führt, wobei es in der Aufgabe aber ein SEndL ist. Kann man das wirklich so formulieren: „Hätte M ihre Leistung ordnungsgemäß erbracht“? Worauf bezieht sich das ordnungsgemäße Erbringen? Ist damit nur die Erfüllung der
Leistungspflichtgemeint, oder auch die Wahrung der Schutzpflichten? Und sollte man bei der Unterscheidung zwischen SEndL und SEsdL nicht eher danach fragen, was mit dem Schaden passieren würde, wenn man sich eine hypothetische Nacherfüllung im letztmöglichen Zeitpunkt hinzudenkt? Mich verwirrt gerade irgendwie nur die Formulierung mit der hypothetischen ordnungsgemäßen Leistung statt der hypothetischen Nacherfüllung und die Rolle der Schutzpflichtverletzung in diesem Fall…Sorry, dass die Frage so wirr formuliert ist ich hoffe man versteht trotzdem was gemeint ist. 🥲