Referendariat

Die ZVR-Klausur

Einführung

Antrag auf Zwangsvollstreckung – Voraussetzungen

Antrag auf Zwangsvollstreckung – Voraussetzungen

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Handwerkerin H erhebt Klage gegen ihren Kunden K, da dieser sich weigert, eine offene Forderung zu begleichen. Das Gericht erlässt ein der Klage stattgebendes Urteil und erklärt dieses für vorläufig vollstreckbar. Als K immer noch nicht zahlen will, überlegt H, wie es nun weitergeht. ‌

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Einordnung des Falls

Antrag auf Zwangsvollstreckung – Voraussetzungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. H hat nun einen titulierten Anspruch gegen K.

Ja!

Nach § 704 ZPO kann aus einem Urteil die Zwangsvollstreckung betrieben werden. Ein Urteil ist also ein Vollstreckungstitel. Man spricht auch davon, dass der klageweise geltend gemachte Anspruch durch das Urteil „tituliert“ ist. Gemeint ist dasselbe. Die von K erhobene Klage auf Zahlung der offenen Forderung war zulässig und begründet, weshalb das Gericht ein der Klage stattgebendes Urteil erlassen hat. Damit hat H nun einen Vollstreckungstitel bzw. einen titulierten Anspruch gegen K.
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2. H muss nichts weiter tun, damit es zur Zwangsvollstreckung kommt.

Nein, das ist nicht der Fall!

Auch im Zwangsvollstreckungsverfahren gibt es bestimmte Verfahrensgrundsätze. Genauso wie im Erkenntnisverfahren gilt auch hier die sog. Dispositionsmaxime (= Verfügungsgrundsatz). Dies bedeutet, dass der Vollstreckungsgläubiger als „Herr des Verfahrens“ über Beginn, Gegenstand, Umfang und Ende der Zwangsvollstreckung entscheidet. Dieser Grundsatz spiegelt sich z.B. in § 753 Abs. 1 ZPO wieder. Es kann nur zur Zwangsvollstreckung kommen, wenn der Vollstreckungsgläubiger einen Vollstreckungsantrag stellt bzw. einen Vollstreckungsauftrag erteilt (§ 753 Abs. 1 ZPO). Zur Zwangsvollstreckung kommt es nur, wenn H dies beantragt. Ohne ihr Zutun passiert nichts. Neben der Dispositionsmaxime gelten noch weitere Verfahrensgrundsätze im Zwangsvollstreckungsverfahren. Von Bedeutung sind hierbei insbesondere der Grundsatz der Formalisierung der Zwangsvollstreckung und das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG).

3. H muss warten bis das Urteil formell rechtskräftig ist, bevor sie die Zwangsvollstreckung beantragen kann.

Nein, das trifft nicht zu!

Die Zwangsvollstreckung findet aus (formell) rechtskräftigen oder vorläufig vollstreckbaren Urteilen statt (§ 704 ZPO). Ein Urteil ist mit Ablauf der Rechtsmittelfrist (formell) rechtskräftig (§ 705 S. 1 ZPO). Bis dahin ist das Urteil durch das Gericht für vorläufig vollstreckbar zu erklären (vgl. §§ 708, 709 ZPO). Ob es ohne (§ 708 ZPO) oder nur gegen Sicherheitsleistung (§ 709 ZPO) vorläufig vollstreckbar ist, hängt regelmäßig von der Höhe der Verurteilung in der Hauptsache ab (§ 708 Nr. 11 ZPO). Das Gericht hat das Urteil für vorläufig vollstreckbar erklärt. Es ist damit schon vor seiner formellen Rechtskraft vorläufig vollstreckbar. Sofern es nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist (§ 709 ZPO) muss H diese erbringen, bevor sie vollstrecken kann (§ 751 Abs. 2 ZPO). §§ 708, 709 ZPO regeln die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen, die im Erkenntnisverfahren in der ersten Instanz ergehen. Nach § 537 Abs. 1 ZPO und § 558 ZPO ist dies auch in der Berufung und der Revision möglich.

4. Bevor H den Vollstreckungsauftrag erteilen kann, muss sie eine Klausel beantragen (vgl. §§ 754 Abs. 1 ZPO, 724 Abs. 1 ZPO).

Ja!

Um den Gerichtsvollzieher zur Zwangsvollstreckung zu ermächtigen, muss ihm nicht nur ein Vollstreckungsantrag, sondern auch eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels übergeben werden (§ 754 Abs. 1 ZPO). Dabei handelt es sich um eine mit der Vollstreckungsklausel versehene Ausfertigung des Urteils (§ 724 Abs. 1 ZPO), die auf Antrag des Vollstreckungsgläubigers erteilt wird. Eine Vollstreckungsklausel hat nach § 725 ZPO folgenden Wortlaut: „Vorstehende Ausfertigung wird dem [Bezeichnung der Partei] zum Zwecke der Zwangsvollstreckung erteilt“. H muss zunächst eine Vollstreckungsklausel beantragen. Denn sie muss beim Vollstreckungsorgan eine vollstreckbare Ausfertigung zusammen mit dem Vollstreckungsantrag einreichen. Eine Vollstreckungsklausel ist die Bescheinigung, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Titel stattfinden darf. Sie dient der Formalisierung der Zwangsvollstreckung.

5. Darf H nach § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO den Vollstreckungsauftrag erst erteilen, nachdem das Urteil dem K zugestellt worden ist?

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Zwangsvollstreckung darf nur beginnen, wenn das Urteil bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt wird (§ 750 Abs. 1 S. 1 ZPO). § 750 Abs. 1 S. 2 HS 1 ZPO bestimmt, dass eine Zustellung durch den Gläubiger ausreicht. Hieraus wird deutlich, dass sich § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO allein auf die Zustellung an den Vollstreckungsschuldner bezieht. Es genügt, wenn dem K das Urteil zeitgleich mit der Zwangsvollstreckung zugestellt wird. H muss also nicht abwarten, bis das Urteil dem H zugestellt worden ist, bevor sie den Vollstreckungsauftrag erteilen kann.
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