+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Handwerkerin H hat gegen ihren Kunden K gerichtlich einen Zahlungstitel erstritten, den sie vollstrecken möchte. Das Urteil wurde beiden Parteien bereits zugestellt und der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat H auf ihren Antrag hin bereits eine vollstreckbare Ausfertigung erteilt.
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Einordnung des Falls
Antrag auf Durchführung der Zwangsvollstreckung - Vertiefung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Zur Zwangsvollstreckung kommt es nur, wenn H einen Vollstreckungsantrag stellt bzw. einen Vollstreckungsauftrag erteilt.
Ja, in der Tat!
Genauso wie im Erkenntnisverfahren gilt auch im Zwangsvollstreckungsverfahren die sog. Dispositionsmaxime (= Verfügungsgrundsatz). Dies bedeutet, dass der Vollstreckungsgläubiger als „Herr des Verfahrens“ über Beginn, Gegenstand, Umfang und Ende der Zwangsvollstreckung entscheidet. Dieser Grundsatz findet sich in § 753 Abs. 1 ZPO wieder: Es kommt nur zur Zwangsvollstreckung, wenn der Vollstreckungsgläubiger einen Vollstreckungsantrag stellt bzw. einen Vollstreckungsauftrag erteilt.
Zur Zwangsvollstreckung kommt es nur, wenn H dies beantragt. Ohne ihr Zutun passiert nichts.
Der Begriff „Vollstreckungsantrag“ ist der Oberbegriff. Ein Vollstreckungsantrag, der sich an den Gerichtsvollzieher richtet (beispielsweise zur Sachpfändung) wird Vollstreckungsauftrag genannt (§§ 753, 754 ZPO).
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2. Ein Vollstreckungsauftrag ist rein prozessual. Würde Hs Vollstreckungsauftrag also ein Auftragsverhältnis nach §§ 662ff. BGB begründen?
Nein!
Ein Vollstreckungsauftrag begründet kein Auftragsverhältnis im Sinne der §§ 662ff. BGB. Vielmehr handelt es sich bei einem Vollstreckungsauftrag um einen rein prozessualen Antrag.
Da es sich bei einem Vollstreckungsantrag/Vollstreckungsauftrag um einen prozessualen Antrag handelt, unterliegt er den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen.
3. Auch im Zwangsvollstreckungsrecht gilt die Dispositionsmaxime. Kann H danach selbst entscheiden, in was vollstreckt werden soll bzw. welche Art von Vollstreckungsmaßnahme vorgenommen werden soll?
Genau, so ist das!
Aus der im Zwangsvollstreckungsverfahren geltenden Dispositionsmaxime folgt zunächst, dass der Vollstreckungsgläubiger entscheiden kann, ob eine Zwangsvollstreckung stattfindet. Bei der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen darf der Vollstreckungsgläubiger darüber hinaus auch wählen, in was vollstreckt werden soll bzw. welche Art von Vollstreckungsmaßnahme durchgeführt werden soll.
Die H kann entscheiden, in welchen Teil von Ks Vermögen vollstreckt werden bzw. welche Art von Vollstreckungsmaßnahme durchgeführt werden soll.
Der Vollstreckungsgläubiger sollte natürlich eine Vollstreckungsmaßnahme wählen, die etwas zum Gegenstand hat, das auch im Vermögen des Vollstreckungsschuldners vorzufinden ist. Um herauszufinden, über welche Art von Vermögen der Vollstreckungsschuldner verfügt, kann der Gerichtsvollzieher eine Vermögensauskunft von ihm einholen (§§ 802a Abs. 2 Nr. 2, 802c ZPO).
4. H muss den Vollstreckungsantrag beim zuständigen Vollstreckungsorgan stellen bzw. das zuständige Vollstreckungsorgan beauftragen.
Ja, in der Tat!
Genauso wie im Erkenntnisverfahren müssen auch im Zwangsvollstreckungsverfahren allgemeine Verfahrensvoraussetzungen vorliegen. Andernfalls darf mit der Zwangsvollstreckung nicht begonnen werden. Diese sind:
(1) die (sachliche und örtliche) Zuständigkeit des Vollstreckungsorgans
(2) die Partei- und Prozessfähigkeit der Parteien (Vollstreckungsgläubiger und Vollstreckungsschuldner),
(3) die Prozessführungsbefugnis des Vollstreckungsgläubigers und
(4) das Rechtsschutzbedürfnis des Vollstreckungsgläubigers.
Die Zuständigkeit des Vollstreckungsorgans gehört zu den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen der Zwangsvollstreckung. H muss also darauf achten, dass sie den Vollstreckungsantrag beim sachlich und örtlich zuständigen Vollstreckungsorgan stellt.
5. Welches Vollstreckungsorgan zuständig ist, hängt davon ab, für welche Art von Vollstreckungsmaßnahme sich H letztendlich entscheidet (vgl. z.B. § 808 Abs. 1 ZPO und § 828 Abs. 1 ZPO).
Ja!
Eine Geldforderung kann entweder in das bewegliche Vermögen (Sachpfändung, Forderungspfändung) oder in das unbewegliche Vermögen (Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung oder Zwangshypothek an einem Grundstück) vollstreckt werden. Für Sachpfändungen ist nach §§ 753 Abs. 1, 802a Abs. 2 Nr. 4, 808 Abs. 1 ZPO der Gerichtsvollzieher und für Forderungspfändungen nach § 828 Abs. 1 ZPO das Vollstreckungsgericht sachlich zuständig. Die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung fallen ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich des Vollstreckungsgerichts (§§ 869 ZPO, 1 Abs. 1 ZVG). Zuständiges Vollstreckungsorgan für eine Zwangshypothek ist das Grundbuchamt (§ 867 Abs. 1 ZPO).
6. Durch eine Vermögensauskunft konnte H herausfinden, dass K Eigentümer einer Münzsammlung ist, die K pfänden lassen könnte. Ist hierfür das Vollstreckungsgericht sachlich zuständig?
Nein, das ist nicht der Fall!
Für Sachpfändungen ist nach §§ 753 Abs. 1, 802a Abs. 2 Nr. 4, 808 Abs. 1 ZPO der Gerichtsvollzieher sachlich zuständig.
Bei der Münzsammlung handelt es sich um eine bewegliche Sache, die durch eine Sachpfändung gepfändet werden kann. Zuständig wäre daher nicht das Vollstreckungsgericht, sondern der Gerichtsvollzieher.
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