Was ist ein Analogieschluss?

23. Juni 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Ferdinand Freiherr von und zu Lindenmulch (F) möchte seine Freundin im Krankenhaus besuchen. Seit Lawra seinen Porsche kaputt gemacht hat, nutzt er einen Esel als Transportmittel. Vor dem Krankenhaus steht ein Schild „Hunde haben keinen Zutritt.“ F will seinen Esel nicht draußen lassen.

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Einordnung des Falls

Was ist ein Analogieschluss?

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. F meint, das Schild würde für seinen Esel nicht gelten. Sind Esel nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Schilds im Krankenhaus untersagt?

Nein, das trifft nicht zu!

Am Anfang jeder juristischen Auslegung steht der Wortlaut der Norm oder Regelung. Daneben sind weitere Auslegungsmethoden, wie z.B. die Auslegung nach dem Sinn und Zweck der Norm, anwendbar. Ein „Hund“ ist nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ein bestimmtes Tier, nicht aber ein Sammelbegriff für Tiere im Allgemeinen. Ein Esel ist also nicht wörtlich vom Verbot erfasst. Dennoch sollte man sich fragen, warum das Verbot existiert: Zum Schutz von Hygiene, Sicherheit und Ruhe im Krankenhaus. Diese Zwecke würden genauso durch andere Tiere – z. B. Katzen oder Esel – beeinträchtigt.
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2. Der Sinn und Zweck des Schildes spricht dafür, dass F seinen Esel nicht mit ins Krankenhaus nehmen darf. Ist diese Auslegung mit der äußersten Wortlautgrenze des Wortes „Hund“ vereinbar?

Nein!

Die Auslegung ist an die äußerste Wortlautgrenze gebunden. Eine Ausdehnung über diese Grenze hinaus ist keine Auslegung mehr – sondern Rechtsfortbildung. Ein Esel kein Hund, sondern ein anderes Tier. Den Begriff „Hund“ kann man nicht auf einen Esel beziehen. Das Verbot so auszulegen, dass es auch für Esel gilt, überschreitet damit die äußerste Wortlautgrenze des Begriffs des „Hund“.

3. Typischerweise sind Menschen mit Hunden unterwegs. Könnte es sein, dass das Krankenhaus vergessen hat, andere Anwendungsfälle des Zutrittverbots durch Tiere zu regeln?

Genau, so ist das!

Wenn eine Regelung bestimmte Fälle regelt, aber vergleichbare Sachverhalte ungewollt außer Betracht bleiben, kann eine sog. planwidrige Regelungslücke vorliegen. Solche planwidrigen Regelungslücken kann man ggf. durch einen Analogieschluss schließen, indem man die Norm „analog“ auf den konkreten, nicht geregelten Fall, anwendet. Voraussetzung für einen Analogieschluss ist, dass neben der planwidrigen Regelungslücke eine vergleichbare Interessenlage zwischen der Regelung des ausdrücklich erfassten Falles und der Regelung des nicht erfassten Falles besteht. Im Alltag betreten Menschen vor allem mit Hunden öffentliche Gebäude. Dass andere Tiere nicht genannt sind, bedeutet nicht automatisch eine bewusste Entscheidung – es kann auch einfach vergessen worden sein (= planwidrige Regelungslücke). Um den Sinn des Verbots – Hygieneschutz – zu erreichen, könnte es aber genauso erforderlich sein, auch andere Tiere vom Zutritt des Krankenhauses auszuschließen (= vergleichbare Interessenlage).

4. Darf F nach einer analogen Anwendung des Verbots auf sämtliche Tiere seinen Esel mit ins Krankenhaus nehmen?

Nein, das trifft nicht zu!

Wenn eine Analogie greift, ist der abstrakte Rechtssatz der Vergleichsnorm auf den neuen Fall zu übertragen. Hier wäre der übertragene Rechtssatz: „Tiere dürfen nicht mit ins Krankenhaus genommen werden“, weil sie die Hygiene und Sicherheit gefährden. Ein Esel ist ein Tier. Da er genauso wie ein Hund den mit dem Verbot verfolgten Zweck beeinträchtigen kann, unterfällt er dem erweiterten Anwendungsbereich durch Analogie. F darf ihn also nicht mit in das Krankenhaus nehmen. Die Analogie führt nicht zu einer Einzelfallausnahme für den Esel, sondern zur Einbeziehung unter den abstrakt gebildeten Rechtssatz. So wird der Zweck der Regelung konsequent und gerecht umgesetzt.
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