Strafrecht
Examensrelevante Rechtsprechung SR
Entscheidungen von 2022
Ausnutzungsbewusstsein bei Heimtücke
Ausnutzungsbewusstsein bei Heimtücke
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
M stellt seine Frau F wegen anzüglicher SMS an einen anderen Mann zur Rede. F antwortet, er solle verschwinden. Dabei äußert sie sinngemäß, alles wäre ok, wenn sie ihn nun umbringe. Als F aufstehen will, hält M sie mit dem Arm zurück, um ihr den Weg zu einem nahegelegenen Messer zu versperren. M greift wütend selbst danach und ersticht sie.
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Einordnung des Falls
Ausnutzungsbewusstsein bei Heimtücke
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. M könnte sich wegen Mordes strafbar gemacht haben (§ 211 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. M könnte das Mordmerkmal der Heimtücke verwirklicht haben (§ 211 Abs. 2 Var. 5 StGB).
Ja!
3. Unterstellt, Fs Äußerung war ernst gemeint, muss man starke Zweifel an ihrer Arglosigkeit erheben.
Genau, so ist das!
4. Zumindest fehlt M aber der Vorsatz bezüglich Fs Arglosigkeit (sog. Ausnutzungsbewusstsein).
Ja, in der Tat!
5. M handelte jedoch wütend und daher tötete er F aus niedrigen Beweggründen ( § 211 Abs. 2 Var. 4 StGB).
Nein!
6. M hat sich aber wegen Totschlags strafbar gemacht (§ 212 Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
IsiRider
28.10.2023, 13:20:43
Was ist mit Notwehr?
DeliktusMaximus
28.10.2023, 13:28:28
Der Fall gibt zu wenig her, um einen Angriff zu bejahen.
iniusta causa
28.10.2023, 13:48:48
Leo Lee
29.10.2023, 08:02:54
Hallo IsiRider, eine Notwehr dürfte bereits daran scheitern, dass hier überhaupt kein Angriff vorliegt seitens der F, gegen den sich der M verteidigen könnte. Vielmehr ist es der M, der die F zunächst zurückhält, um sodann nach dem Messer zu greifen und die F zu erstechen. Wenn man in der Aussage „er sollte verschwinden“, einen Angriff sehen will, so dürfte es daran scheitern, dass I. diese Aussage überhaupt keinen Angriff (auf die
Ehre) darstellt und zudem II. wenn ein Angriff vorläge, dieser bereits beendet wäre :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo
IsiRider
12.11.2023, 11:18:25
Achso, ich hatte den Eindruck, ein Angriff stünde unmittelbar bevor. Aber da habe ich wohl zu viel hineininterpretiert.
Eileen 🦊
9.8.2024, 15:50:59
Müsste man dann nicht aus der subjektiven Perspektive des Täter begutachten, ob aus seiner Sicht ein Angriff vorlag (ggf. in Irrtumskonstellation)?
gottloser Vernunftsjurist
25.11.2023, 23:48:07
Hallo, In der zweiten oder dritten Erklärung ist von "Tatoper" die Rede :D Außerdem ist die Rede von einem bewussten Ausnutzen der Arg- und Wehrlosigkeit. Bedeutet das für euch, einen dolus eventualis ausreichen zu lassen?
Lukas_Mengestu
30.11.2023, 16:33:53
Danke Luk7_8, das haben wir korrigiert. Im Hinblick auf die subjektive Seite: Grundsätzlich bedarf es des bedingten
Vorsatzes hinsichtlich sämtlicher objektiver Tatbestandsmerkmale. Nach herrschender Auffassung genügt das aber nicht, sondern es bedarf zusätzlich eines Ausnutzungsbewusstseins. Voraussetzung hierfür ist das Erkennen der Tatsituation in dem Sinne, dass dem Täter bewusst ist, einen durch Ahnungslosigkeit gegenüber einem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen. Was darunter genau zu verstehen ist, ist im einzelnen streitig. Während ein Teil der Literatur darin lediglich eine andere Wendung für den
Eventualvorsatzsieht (vgl. MüKoStGB/Schneider, 4. Aufl. 2021, StGB § 211 Rn. 187), so sieht die Rspr. darin ein Mehr gegenüber dem reinen
Eventualvorsatz. Gerade das geforderte planvollen Ausnutzen hat der BGH hier abgelehnt, sodass dann eine Heimtückestrafbarkeit ausscheidet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
mwally
27.11.2023, 11:31:36
Wie wären die subsidiären Tatbestände im Gutachten anzubringen? Müssen diese auch durchgeprüft werden oder reicht es, deren Vorliegen anzunehmen und in rinem Prüfungspunkt Konkurrenzen (?) / Subsidiarität (?) darauf hinzuweisen?
Lukas_Mengestu
30.11.2023, 16:42:53
Hallo mwally, im Einzelfall hängt das natürlich ein wenig von der Sachverhaltsgestaltung und dem Bearbeitervermerk ab. Grundsätzlich ist im ersten Examen ein vollständiges Gutachten gefordert, sodass zB die subsidiäre gefährliche Körperverletzung (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2, 5 StGB) kurz geprüft werden kann, um sie dann auf Konkurrenzebene zurücktreten lassen. Vor dem Hintergrund, dass die Norm ohnehin zurücktritt, solltest Du Dich dabei aber kurz fassen und nach Möglichkeit auf den Feststellungsstil ausweichen. Beste Grüße, Lukas für das Jurafuchs-Team
Eileen 🦊
9.8.2024, 15:53:39
Wäre es hier auch vertretbar, die Heimtücke daran scheitern zu lassen, dass die Wehrlosigkeit nicht auf der Arglosigkeit beruht? Hier fehlt m.E. der Zusammenhang, weil die Wehrlosigkeit auf dem Festhalten durch den M beruht. LG