Fall zu § 174 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
P ist als Leiter der Personalabteilung der G-GmbH zu Kündigungen bevollmächtigt. P erklärt gegenüber Arbeitnehmerin A schriftlich die Kündigung, weil diese trotz Abmahnung wiederholt die Erfüllung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten verweigert. A weiß, welche Position P bei G hat.
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Einordnung des Falls
Fall zu § 174 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ein Vertreter, der ein einseitiges Rechtsgeschäft tätigt, kann verhindern, dass dieses vom Erklärungsempfänger zurückgewiesen wird, indem er seine Vollmachtsurkunde bei der Vornahme des Geschäfts vorlegt.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Auch wenn der Vertreter, der ein einseitiges Rechtsgeschäft tätigt, keine Vollmachtsurkunde vorlegt, kann das Zurückweisungsrecht dennoch ausgeschlossen sein.
Ja, in der Tat!
3. A kann die Kündigung zurückweisen.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
jurafuchsles
22.7.2022, 10:56:57
In welchem Verhältnis stehen eigentlich § 174 und § 180 ? Warum stellt man hier nicht auf §180 S. 2 BGB ab?
Skywalker
5.8.2022, 12:04:54
180 regelt den Fall, dass ein einseitiges Rechtsgeschäft ohne Vertretungsmacht! vorgenommen wird. Im Gegensatz zum Vertrag ist dieses laut S. 1 grundsätzlich unwirksam (Der "Vertretene" hat also auch keine Möglichkeit das Rechtsgeschäft durch nachträgliche Zustimmung wirksam werden zu lassen). 180 S. 2 erlaubt dieses Zustimmungsrecht für den Vertretenen ausnahmsweise doch, wenn der Erklärungsempfänger die Erklärung nicht beanstandet oder einverstanden ist. 174 regelt hingegen den Fall, dass ein einseitiges Rechtsgeschäft mit Vertretungsmacht! ("Bevollmächtigter") vorgenommen wird. Für diesen Fall ist die abgegebene Erklärung (auch) unwirksam, wenn sie ohne Vorlage der (orginalen) Vertretungsurkunde zurückgewiesen wird (Voraussegesetzt der Vertretene hat keine Kenntnis von der Vertretungsmacht - sonst keine Schutzbedürftigkeit). In dem Fall hat der Personalleiter eine Vollmacht Personal zu entlassen. Deshalb ist hier 174 und nicht 180 anzuwenden.
Antonia
27.8.2024, 12:38:35
Hat § 174 also zur Folge, dass wenn der Bevollmächtigte die Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere aus diesem Grund das Rechtsgeschäft unverzüglich zurückweist, das einseitige Rechtsgeschäft endgültig unwirksam ist, d.h. keine schwebende Unwirksamkeit mit Genehmigungsmöglichkeit nach § 177?
rex ipso iure
2.10.2024, 12:17:40
Auf ersten Anhieb würde ich sagen: ja, § 177 spricht erstens von einem Vertrag, also von einem zweiseitigen Rechtsgeschäft und § 174 von einem einseitigen und zweitens, sofern § 174 anwendbar ist, wie hier, handelt ja bereits ein Bevollmächtigter ( rechtsgeschäftlich erteilte Vollmacht) und das Rechtsfolgen Regime aus § 177 f erfasst gerade Personen ohne Vertretungsmacht. Außerdem klingt § 174 1 „ist unwirksam“ für mich endgültig und eindeutig. Wäre auch meines Erachtens unbillig, wenn § 177 angewendet würden, wenn dann genehmigt würde und in der Zwischenzeit weitergearbeitet würde und die Genehmigung ex tunc wirkte.