Keine Beihilfe ohne Vollendungsvorsatz

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T erzählt ihrem Bruder B, dass sie ihren Onkel O töten will. B rät ihr davon ab. Er erklärt sich aber später bereit, ihr Gift zu besorgen, damit O zumindest „friedlich” stirbt. Das von B besorgte „Gift”, das T dem O gibt, ist aber - wie B weiß - nur ein harmloser Vitaminsaft.

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Einordnung des Falls

Keine Beihilfe ohne Vollendungsvorsatz

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hat sich wegen versuchten Mordes strafbar gemacht, indem sie O das vermeintliche Gift gab (§§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1, 22, 23 StGB).

Ja!

Der Mord ist nicht vollendet und der Versuch gemäß § 23 Abs. 1 StGB strafbar. T wollte O töten und mit der Vergiftung die auf Arglosigkeit beruhende Wehrlosigkeit des O in feindlicher Willensrichtung ausnutzen, mithin heimtückisch handeln. Das „Gift” war zwar nur Vitaminsaft, weswegen es von Anfang an nicht geeignet war, den Taterfolg herbeizuführen. Folglich handelt es sich um einen sogenannten „untauglichen Versuch”. Gemäß § 22 StGB muss der Täter aber nur „nach seiner Vorstellung von der Tat” zur Tatbegehung unmittelbar ansetzen. Deswegen ist auch ein untauglicher Versuch strafbar. T hat somit durch die Gabe des Vitaminsafts, den sie für Gift hielt, unmittelbar zur Tat angesetzt. Zudem handelte sie rechtswidrig und schuldhaft.
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2. B könnte sich wegen Beihilfe zum versuchten Mord strafbar gemacht haben, indem er T das vermeintliche Gift gab (§§ 211 Abs. 2 Gr. 2 Var. 1, 22, 23, 27 StGB).

Genau, so ist das!

Dafür müsste B der T zu ihrer vorsätzlichen, rechtswidrigen Tat Hilfe geleistet und dabei mit doppeltem Gehilfenvorsatz, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.

3. Der versuchte Mord ist eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat. Hat B zu dieser auch Hilfe geleistet?

Ja, in der Tat!

Hilfeleisten meint jeden Tatbeitrag, der die Haupttat ermöglicht, erleichtert oder verstärkt.B hat T das vermeintliche Gift besorgt. T hat dieses auch eingesetzt. Im Hinblick auf die Durchführung des versuchten Mords war Bs Beitrag somit kausal. B hat T damit Hilfe geleistet.

4. Hatte B Vorsatz bezüglich der vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat von T?

Nein!

Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung des Tatbestands, in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände. Der Gehilfenvorsatz muss die Tatbegehung, also auch die Vollendung der Haupttat umfassen. Weiß der Gehilfe, dass es zu keiner Vollendung kommen kann, handelt er nicht vorsätzlich.B hat T ein untaugliches Mittel zur Tatausführung gegeben. Er ist deswegen nicht davon ausgegangen, dass T die Vollendung des geplanten Mordes tatsächlich gelingt. Somit fehlt es B am Vorsatz für die Haupttat. Er hat sich deshalb auch nicht der Beihilfe zum versuchten Mord strafbar gemacht.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Juraluchs

Juraluchs

26.1.2024, 15:19:01

Das Geben des Vitaminsafts kann man mE schon objektiv nicht als Fördern der Haupttat begreifen. Ggf. kann man aber

psychische Beihilfe

konstruieren.

LELEE

Leo Lee

27.1.2024, 18:51:12

Hallo Juraluchs, vielen Dank für dein Feedback! In der Tat könnte man meinen, dass das Geben des Vitaminsafts kein Fördern der Haupttat darstellen könne. Beachte allerdings, dass wir hier die Beihilfe zum VERSUCHTEN Mord prüfen. Hierauf bezogen ist das Geben des Vitaminsafts sehr wohl eine physische Beihilfe (Tathilfe), da durch das Reichen des Safts der versuchte Mord überhaupt in Gang gesetzt wird (physische Beihilfe ist sehr weit zu verstehen)! D.h., wenn es um die Beihilfe zum vollendeten Mord ginge, hätte B tatsächlich mangels Tauglichkeit keine Beihilfe geleistet. Weil jedoch durch das Geben des Safts der Versuch „ermöglicht“ wird, hat der B hierauf bezogen sehr wohl objektiv „Tathilfe“ geleistet. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-StGB 4. Auflage, Joecks/Scheinfeld § 27 Rn. 5 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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