Neutrale Handlungen
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K geht zu ihrer Bank und verlangt, dass die Bankangestellte B Geld über einen anonymen Kapitaltransfer ins Ausland überweist. B erkennt, dass K so Steuern hinterziehen will. Sie nimmt die Überweisung dennoch vor.
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Einordnung des Falls
Neutrale Handlungen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B könnte sich wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung strafbar gemacht haben, als sie die Überweisung ins Ausland für K vornahm (§ 370 AO, § 27 StGB).
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Weil das Ausführen von Überweisungen zu ihrem Job gehört, ist eine Strafbarkeit von B unstrittig ausgeschlossen.
Nein, das ist nicht der Fall!
3. Nach der Lehre von der Sozialadäquanz sind objektiv sozialadäquate Handlungen nicht strafbar.
Ja, in der Tat!
4. Die Lehre vom deliktischen Sinnbezug vereint objektive und subjektive Kriterien.
Ja!
5. Die Ansichten kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Damit ist ein Streitentscheid nötig.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Tinki
18.8.2024, 17:28:34
Ich verstehe nicht so ganz, warum überhaupt höhere Anforderungen angelegt werden. Mit Blick auf die Grundrechte scheint es mir keine zu krasse Einschränkung der Berufsfreiheit (oder Handlungsfreiheit), wenn der Berufstätige den Erfolg als möglich erkennt und es billigend in Kauf nimmt, dass der andere es zu der Begehung von Strafbarkeiten nutzt. Erst Recht verstehe ich nicht, warum über das positive Wissen des Berufstätigen hinaus noch der deliktsspezifische Sinnbezug gefordert wird? Vielen Dank für eine Erklärung!
Tinki
18.8.2024, 17:29:35
Jakob G.
6.9.2024, 14:10:24
Als Anwält*in ist es ja schwierig, dem dolus eventualis i.S. der Billigungsformel zu entgegehn. Es nicht wenigstens für möglich und nicht ganz fernliegend zu halten, dass der Rechtsrat zur Begehung von Straftaten genutzt wird. Das kann z.B. auch in einem Rat liegen, der skizziert, welches Verhalten gesetzestreu wäre. Das das Kausalitätserfordernis der Rspr. in Bezug auf die Beihilfehandlung wird so weicht gehandhabt, sodass nicht von vorn herein klar ist, ob sich hierin ein Fördern der Tat 'verbirgt'. Dann bliebe noch das Billigungskriterium. Um dem zu entgehen, würde sich ja eine Nachfrage bei der Mandantschaft aufdrängen. Dazu gehalten zu sein, ist schon eine tiefgreifende Berufsausübungsregelung. Denn wenn tatsächlich mit Wissen der Anwält*in Straftaten begangen würden, kommt irgendwann der Moment wo das Mandat niedergelegt werden muss.