Bestimmtheit des Gehilfenvorsatzes

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Gauner G fragt L, ob er dessen Revolver haben dürfe, um demnächst vielleicht „ein Ding zu drehen”. L geht davon aus, dass G etwas stehlen oder rauben will und leiht ihm die Waffe. Wo und wann die Tat geschehen soll, weiß L nicht. Tatsächlich begeht G einen Diebstahl mit Waffen.

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Einordnung des Falls

Bestimmtheit des Gehilfenvorsatzes

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. L könnte sich wegen Beihilfe zum Diebstahl mit Waffen strafbar gemacht haben, indem er G den Revolver lieh (§§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 1 a Alt. 1, 27 StGB).

Ja, in der Tat!

L müsste dafür zur vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat von G - dem Diebstahl mit Waffen - Hilfe geleistet haben. Er müsste zudem mit doppeltem Gehilfenvorsatz, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.
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2. Hat L dem G Hilfe geleistet, indem er ihm den Revolver geliehen hat?

Ja!

Hilfeleisten meint jeden Tatbeitrag, der die Haupttat ermöglicht, erleichtert oder verstärkt.L hat G den Revolver geliehen. Mit diesem Revolver hat G den Diebstahl mit Waffen begangen. Die Handlung von L hat die Tat von G zumindest erleichtert.

3. Für den Gehilfenvorsatz bedarf es der Absicht oder des sicheren Wissens bezüglich der vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Gehilfe muss vorsätzlich in Bezug auf die begangene Haupttat handeln. Es genügt dabei, wenn er die Tat billigend in Kauf nimmt, also mit Eventualvorsatz handelt.

4. Da L aber nicht im Einzelnen wusste, was G vorhatte, fehlte ihm hier der Eventualvorsatz.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Gehilfenvorsatz muss sich auf die wesentlichen Merkmale des Unrechts und die Angriffsrichtung der Haupttat beziehen. Ort, Zeit, genauer Hergang und Opfer der Tat müssen dem Gehilfen nicht bekannt sein. Ordnet der Gehilfe die Tat fehlerhaft ein, so ist das unbeachtlich, soweit das tatsächlich verwirklichte Delikt in seinem Unrechtsgehalt nicht gänzlich von dem vorgestellten Delikt abweicht.L hatte keine Vorstellung von Ort, Zeit, Tathergang oder Opfer der Tat. Er ging aber davon aus, dass der Revolver im Rahmen eines Diebstahls oder Raubs eingesetzt werde. Dies traf zu. Somit hat er die Angriffsrichtung und den wesentlichen Unrechtsgehalt der Tat richtig eingeordnet und das Geschehen billigend in Kauf genommen.Grundsätzlich werden bei der Beihilfe also geringere Anforderungen an die Bestimmtheit der Haupttat gestellt als bei der Anstiftung. Grund dafür ist, dass ein Anstifter eine Tat für den Täter konkretisieren muss. Der Gehilfe begleitet hingegen nur eine bereits konkretisierte Tat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Christopher M.

Christopher M.

30.1.2024, 23:27:32

Wäre er auch der Beihilfe strafbar, wenn er Raub und Diebstahl vermutet hätte, tatsächlicher Verwendungszweck war aber Mord?

TI

Timurso

31.1.2024, 08:12:22

Nein. Die Beihilfe erfordert "doppelten Gehilfenvorsatz". Also einmal Vorsatz bezüglich der eigenen Handlung (Hilfeleisten) und einmal der Vorsatz bezüglich der Haupttat. Wenn der Gehilfe als Haupttat nicht mit Mord rechnet, kann er nicht wegen Beihilfe zum Mord bestraft werden.


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