Öffentliches Recht

VwGO

Widerspruchsverfahren

Ablauf / Wirkungen des Widerspruchsverfahrens 4: Suspensiveffekt

Ablauf / Wirkungen des Widerspruchsverfahrens 4: Suspensiveffekt

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Gesundheitsamt G erlässt gegen Prinzessin P die Verfügung, dass P ihre Kneipe „Zum Prinzessinnentreff“ wegen Nichteinhaltung der Hygienevorschriften schließen muss. P legt hiergegen Widerspruch ein. Da P die Kneipe weiter betreibt, fordert Gs fleißiger Sachbearbeiter S sie erneut auf, sie zu schließen. Über den Widerspruch hat G jedoch noch nicht entschieden.

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Einordnung des Falls

Ablauf / Wirkungen des Widerspruchsverfahrens 4: Suspensiveffekt

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage „aufschiebende Wirkung“. Diese dient dem effektiven Rechtsschutz des Widerspruchsführers.

Ja, in der Tat!

Die aufschiebende Wirkung (auch: Suspensiveffekt) des Widerspruchs (§ 80 Abs. 1 S. 1 VwGO) ist eine einfachgesetzliche Ausprägung des Grundsatzes des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 S. 1 VwGO). Der Widerspruch schiebt die Wirkung des angegriffenen Verwaltungsakts auf, er suspendiert also dessen Wirkung für den Zeitraum des Widerspruchsverfahrens (Suspensiveffekt). Der Widerspruch hemmt damit auch den Eintritt der Bestandskraft des angegriffenen Verwaltungsakts. Die Bestandskraft ist wiederum eine Voraussetzung für die zwangweise Durchsetzung des Verwaltungsakts durch die Behörde. Würde der Widerspruch nicht diese Folge haben, so könnte die Behörde durch den Vollzug des Verwaltungsakts vollendete Tatsachen schaffen. In den in § 80 Abs. 2 VwGO geregelten Fällen kommt dem Widerspruch ausnahmsweise keine aufschiebende Wirkung zu. Dazu später mehr!
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2. Ps Widerspruch hat aufschiebende Wirkung. Muss P den Betrieb ihrer Kneipe auch schon einstellen, bevor G über den Widerspruch entschieden hat?

Nein!

Sobald der Adressat eines Verwaltungsakts gegen diesen den Widerspruch eingelegt hat, muss er den Verwaltungsakt so lange nicht befolgen, wie nicht über den Widerspruch entschieden wurde. Würde der Widerspruch nicht diese Folge haben, so könnte die Behörde durch den Vollzug des Verwaltungsakts vollendete Tatsachen schaffen. Der Sinn des Widerspruchsverfahrens besteht aber gerade auch darin, dass Verwaltungsakte erneut auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft und ggf. aufgehoben werden, bevor negative Folgen für den Adressaten entstehen. Solange G Ps Widerspruch nicht beschieden hat, muss P der Anordnung aus dem Verwaltungsakt nicht nachkommen. Sie kann ihre Kneipe weiterhin betreiben. Hier wird der Sinn des Suspensiveffekts deutlich: Müsste P den Betrieb – rechtswidriger Weise – einstellen, würde ihr ggf. ein großer wirtschaftlicher Schaden entstehen, der auch durch eine spätere Entscheidung über den Widerspruch zu ihren Gunsten nicht behoben werden könnte.

3. Nach der herrschenden Vollziehbarkeitstheorie bedeutet die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs, dass der angegriffene Verwaltungsakt unwirksam (vgl. § 43 Abs. 2 VwVfG) wird.

Nein, das ist nicht der Fall!

Nach ganz herrschender Ansicht bleibt der angegriffene Verwaltungsakt trotz der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wirksam (sog. Vollziehbarkeitstheorie). Der angegriffene Verwaltungsakt bleibt bestehen. Der Widerspruch subspendiert aber die rechtlichen Wirkungen des angegriffenen Verwaltungsakts. Insbesondere darf die Behörde den Verwaltungsakt während der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs nicht vollziehen. Nach a.A. ist die Wirksamkeit des angegriffenen Verwaltungsakts für die Dauer der aufschiebenden Wirkung beseitigt (sog. Wirksamkeitstheorie). Der angegriffene Verwaltungsakt wird also so behandelt, als ob er überhaupt nicht erlassen worden wäre.

4. Gegen die sog. Wirksamkeitstheorie spricht unter anderem der Wortlaut des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO.

Ja, in der Tat!

Nach ganz herrschender Ansicht bleibt der angegriffene Verwaltungsakt trotz der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs wirksam (sog. Vollziehbarkeitstheorie). Nach der sog. Wirksamkeitstheorie ist dagegen die Wirksamkeit des angegriffenen Verwaltungsakts für die Dauer der aufschiebenden Wirkung beseitigt (sog. Wirksamkeitstheorie). Gegen diese Ansicht spricht zunächst der Wortlaut des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO, der von der Vollziehung und nicht von der Wirksamkeit spricht. Ferner ist Sinn und Zweck des Suspensiveffekts, es zu verhindern, dass durch den Vollzug des Verwaltungsakts vollendete Tatsachen geschaffen werden. Dazu reicht es aus, nur die Vollziehung zu hemmen. Die Wirksamkeit des angegriffenen Verwaltungsakts muss nicht beseitigt werden.
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