Öffentliches Recht

VwGO

Vorläufiger Rechtsschutz (§§ 80, 80a VwGO)

Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Einführung)

Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Einführung)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Klassisches Klausurproblem

Jurastudentin Lawra (L) fragt sich, was es für einen Kläger bedeutet, wenn die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO ausnahmsweise nicht eintritt. Sie möchte wissen, was es mit dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf sich hat.

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Einordnung des Falls

Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Einführung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Entfalten Widerspruch und Anfechtungsklage ausnahmsweise keine aufschiebende Wirkung, ist der Verwaltungsakt sofort vollziehbar.

Ja!

Grundsätzlich entfalten Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO). Das beutetet, dass der angegriffene Verwaltungsakt vom Adressaten nicht befolgt werden muss und von der Behörde nicht zwangsweise durchgesetzt werden kann, solange das Widerspruchsverfahren bzw. der gerichtliche Prozess noch andauert. In § 80 Abs. 2 VwGO sind Fälle geregelt, in denen die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise nicht eintritt (§ 80 Abs. 2 Nr. 1-3 VwGO) bzw. die aufschiebende Wirkung entfällt (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). In diesen Fällen bleibt auch ein angegriffener Verwaltungsakt vollziehbar. Der vorläufige Rechtsschutz nach §§ 80, 80a VwGO spielt in Klausur und Praxis eine herausragende Rolle.
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2. Die subjektiven Rechte des Klägers sind auch dann umfänglich geschützt, wenn Widerspruch und Anfechtungsklage keinen Suspensiveffekt bewirken.

Nein, das ist nicht der Fall!

Wenn der Verwaltungsakt für die Dauer eines Verfahrens nicht suspendiert wird, muss der Kläger während des laufenden Verfahrens jederzeit damit rechnen, dass der angefochtenen Verwaltungsakt von der Behörde zwangsweise durchgesetzt wird. Dadurch werden seine subjektiven Rechte während des Prozesses nicht umfänglich geschützt. Der angegriffene Verwaltungsakt könnte im schlimmsten Fall mit irreversiblen Folgen vollzogen werden. In diesem Fall würde eine spätere gerichtliche Entscheidung zu Gunsten des Klägers nichts mehr daran ändern, dass der rechtswidrige Verwaltungsakt ihn nachhaltig geschädigt hat. Wenn der Sachverhalt eine Situation abbildet, in der dringend gehandelt werden muss und der Vollzug eines Verwaltungsakts droht, der gemäß § 80 Abs. 2 VwGO nicht suspendiert wird, muss es bei Dir klingeln: Vorläufiger Rechtsschutz!

3. Um irreversiblen Rechtsverletzungen vorzubeugen, gibt es die Möglichkeit des vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 80, 80a VwGO.

Ja, in der Tat!

In bestimmten Fällen kann die aufschiebende Wirkung wiederhergestellt bzw. angeordnet werden. Dies ist vor allem der Fall, wenn das Interesse des Betroffenen an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung des streitgegenständlichen Verwaltungsakts (das sog. Aussetzungsinteresse) gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts (das sog. Vollzugsinteresse) überwiegt. Ein solches Überwiegen wird v.a. angenommen, wenn der vollziehbare Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist oder die sofortige Vollziehbakrkeit eine unbillige Härte für den Betroffenen bedeutet. Zur Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gibt es zwei Wege: Die Behörde kann auf Antrag oder vom Amts wegen die sofortige Vollziehbakrkeit aussetzen (§ 80 Abs. 4 VwGO). Das Gericht kann das Gleiche auf Antrag vornehmen (§ 80 Abs. 5 VwGO). Im Studium ist vor allem der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO relevant.

4. Bei der Fallbearbeitung muss L zuerst prüfen, ob ein Ausnahmefall nach § 80 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Ja!

Deutet der Sachverhalt darauf hin, dass einstweiliger Rechtsschutz einschlägig sein könnte, bietet sich in der Fallbearbeitung im Rahmen der statthaften Klage- bzw. Antragsart die folgende Prüfungsreihenfolge an: (1) Prüfung, ob der Kläger gegen einen Verwaltungsakt vorgehen will (dann ist in der Hauptsache die Anfechtungsklage statthaft); (2) Prüfung, ob Widerspruch und Anfechtungsklage im konkreten Fall aufschiebende Wirkung entfalten (§ 80 Abs. 1 VwGO) oder eine Ausnahmefall nach § 80 Abs. 2 VwGO vorliegt. (3) Liegt ein Ausnahmefall nach § 80 Abs. 2 VwGO vor, muss ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt werden (= Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz). Achte bitte wirklich immer darauf, ob ein Fall von § 80 Abs. 5 VwGO gegeben ist. Wenn Du in einem solchen Fall einfach eine Anfechtungsklage prüfst, ist die Klausur zwar nicht verloren, aber es gibt deutlichen Punktabzug.

5. Entfällt die aufschiebende Wirkung wegen einer Ausnahme nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3a VwGO, kann das Verwaltungsgericht auf einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hin die aufschiebende Wirkung anordnen.

Genau, so ist das!

Innerhalb des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO ist begrifflich zwischen zwei Alternativen zu unterscheiden. In den Fällen des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 - 3a VwGO bestand eine aufschiebende Wirkung wegen der gesetzlichen Ausnahme von Anfang an nicht. Ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO erfolgreich, ordnet das Gericht die aufschiebende Wirkung also erstmalig an (§ 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO). Im Fall von § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO besteht grundsätzlich eine aufschiebende Wirkung, diese wird aber durch die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung aufgehoben. In diesen Fällen kann das Gericht die aufschiebende Wirkung wiederherstellen (§ 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO). Hier immer sauber arbeiten und die richtige Formulierung wählen. Es kostet Dich Punkte, wenn Du Anordnung und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung durcheinander bringst. Das wirkt sich nämlich genau genommen auch auf den Begründetheitsmaßstab aus (dazu später mehr).

6. Wenn jemand gegen einen Verwaltungsakt vorgeht, der an einen anderen gerichtet ist, sowie in Drittanfechtungskonstellationen gibt es keinen eigenständigen einstweiligen Rechtsschutz.

Nein, das trifft nicht zu!

Der einstweilige Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO ist auf die klassische Anfechtungssituation im Verhältnis zwischen Staat und Bürger zugeschnitten. Nicht selten aber entfalten Verwaltungsakte Doppelwirkung: sie sind begünstigend für einen, aber belastend für andere. Auch in diesen Dreiecks- oder Drittanfechtungskonstellationen kann es entscheidend sein, dass die Betroffenen - also die Adressaten bzw. die Drittbetroffenen - einstweiligen Rechtsschutz ergreifen können, um die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts abzuwenden. Auch kann es sein, dass ein Betroffener die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts herbeiführen will, gegen den ein anderer Bürger Widerspruch oder Anfechtungsklage erhoben hat. Diese Konstellationen regelt § 80a VwGO. § 80a VwGO ist etwas kompliziert. Die einzelnen Konstellationen erklären wir Dir im weiteren Verlauf des Kapitels.
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