Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Klassiker im Öffentlichen Recht
Klassiker: Durchsuchungen und Beschlagnahmen bei Presseangehörigen ("Cicero") (BVerfG, 27.02.2007)
Klassiker: Durchsuchungen und Beschlagnahmen bei Presseangehörigen ("Cicero") (BVerfG, 27.02.2007)
20. Mai 2025
9 Kommentare
4,6 ★ (10.217 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
C ist Chefredakteur eines Politmagazins. Er veröffentlichte einen Artikel, der Informationen und Zitate aus einem streng geheimen Bericht des Bundeskriminalamts (BKA) enthielt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen C wegen Beihilfe zur Verletzung des Dienstgeheimnisses (§§ 353b, 27 StGB).
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Einordnung des Falls
Klassiker: Durchsuchungen und Beschlagnahmen bei Presseangehörigen ("Cicero") (BVerfG, 27.02.2007)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 13 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Im Ermittlungsverfahren ordnete das AG die Durchsuchung von Cs Redaktionsräumen und die Beschlagnahme einer Festplatte an. C erhob hiergegen erfolglos Beschwerde zum LG. Kann C Verfassungsbeschwerde erheben?
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. C muss als Beschwerdeführer beschwerdebefugt sein.
Genau, so ist das!
3. C hält die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen des AG für verfassungswidrig und rügt seine Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG). Ist er beschwerdebefugt?
Ja, in der Tat!
4. Das LKA hatte von der beschlagnahmten Festplatte eine Datenkopie gemacht, diese aber später gelöscht. Das LG, das über Cs Beschwerde entschied, hielt diese wegen der Löschung für erledigt. Beschwerdebefugnis?
Ja!
5. Die Verfassungsbeschwerde ist begründet, wenn die Anordnungen des AG und / oder der LG-Beschluss verfassungswidrig sind.
Genau, so ist das!
6. Durch die Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen hat das AG in den Schutzbereich von Cs Pressefreiheit eingegriffen.
Ja, in der Tat!
7. Der Eingriff ist nur verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn die Pressefreiheit einschränkbar ist („Schranke“). Kann die Pressefreiheit nur durch kollidierendes Verfassungsrecht eingeschränkt werden?
Nein!
8. Ist § 353b StGB (die Strafrechtsnorm zur Verletzung von Dienstgeheimnissen, wegen der gegen C ermittelt wird) ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 S. 2 GG?
Genau, so ist das!
9. Für eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung müssen die „Schranken-Schranken“ gewahrt sein. War die Beschlagnahmeanordnung verfassungswidrig, weil C unter das Beschlagnahmeverbot § 97 Abs. 5 S. 2 StPO fällt?
Nein, das trifft nicht zu!
10. Der Tatverdacht gegen C war stark genug, um die Durchsuchung und Beschlagnahme anzuordnen.
Nein!
11. Mangels konkreter Anhaltspunkte für eine Straftat des C und wegen der demokratiekonstitutiven Bedeutung der Pressefreiheit waren die Anordnungen des AG verfassungswidrig.
Genau, so ist das!
12. Durch den Beschluss des LG, die Beschwerde des C habe sich nach Löschung des Festplatteninhalts erledigt, griff das LG in den Schutzbereich von Cs Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) ein.
Ja, in der Tat!
13. Das LG wägte die widerstreitenden Interessen ab, genügte damit den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG und handelte verfassungsgemäß.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
GO
9.2.2024, 11:13:35
Hallo, ich verstehe leider nicht so ganz, warum man §353b StGB als Schranke anwendet? Meines Erachtens könnte man auf §§102, 105, 108 StPO abstellen, welche für die Durchsuchung und Beschlagnahme spezieller wären. Denn §353b StGB ist nicht speziell auf die Durchsuchung und Beschlagnahme abgestellt.

Nora Mommsen
11.2.2024, 14:22:33
Hallo GO, danke für deine Frage. Das Urteil geht auf beide Aspekte ein und definiert alle auch von dir genannten Normen als allgemeine Gesetze und damit taugliche Schranken. Dabei richten sich die Ausführungen des BVerfG nach den Beschlüssen der Gerichte, bzw. wiederum nach den Ermittlungsakten und den dort zugrundegelegten Normen. So gehen wir auch in dieser Aufgabe darauf ein, dass es sich bei den Normen aus der StPO zur Durchsuchung und Beschlagnahme ebenfalls um allgemeine Gesetze. Aus didaktischen Gründen geht diese Aufgabe Schwerpunktmäßig auf den § 353b StGB ein, da dieser den meisten Studierenden und Examenskandidaten wohl unbekannt sein dürfte im Gegensatz zu den StPO Normen. Ein richtiges Spezialitätsverhältnis greift hier also nicht. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
GO
11.2.2024, 14:57:35
Okay, vielen lieben Dank!
annsophie.mzkw
1.11.2024, 09:02:41
Wieso kann dieses Recht also iRd VB gerügt werden?

Sophix58
11.1.2025, 16:47:02
Huhu, ich hätte mal wieder eine kleine Verständnisfrage: weshalb wird hier nicht die Erschöpfung des Rechtswegs geprüft? War das LG hier tatsächlich letztinstanzlich zuständig und wenn ja, aus welchen Normen ergibt sich das? Vielen Dank!

Sebastian Schmitt
17.1.2025, 20:55:14
Hallo @[Sophix58](22547), der Rechtsweg war hier tatsächlich erschöpft. Wir wollten in dieser Aufgabe darauf aus guten Gründen nicht näher eingehen, weil uns das in die Details der StPO führt, die für das 1. Examen nicht und selbst für das 2. Examen wohl kaum, jedenfalls nicht in der Tiefe der Entscheidung des BVerfG relevant sein dürften. Inhaltlich ging es im Kern um Rechtsschutz gegen die richterlich angeordnete Durchsuchung und Beschlagnahme (siehe Frage 1 unseres Falls). Der
Beschwerdeführer ging dagegen mit der
Beschwerde vor (§ 304 StPO). Gegen den darauf ergehenden
Beschlussist wiederum eine weitere
Beschwerde nur in bestimmten Fällen möglich, die hier wohl nicht vorlagen (§ 310 StPO). Dementsprechend war hier also nach der Entscheidung des
Beschwerdegerichts (grds) "Schluss". Die prozessualen Hintergründe im Originalfall
waren noch deutlich komplexer. Falls Dich die Einzelheiten wirklich interessieren, würde ich Dich in diesem Fall auf die Entscheidung des BVerfG verweisen (BVerfGE 117, 244, die prozessualen Hintergründe ziehen sich von S 245 bis 252). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Sophix58
17.1.2025, 21:05:48
Hallo @[Sebastian Schmitt](263562), vielen Dank für die ausführliche Antwort und Angabe der Fundstelle!