Zivilrechtliche Nebengebiete

Gesellschaftsrecht

Crashkurs MoPeG 2024

Übereignung eines GbR-Grundstücks, negative Publizität des Handelsregisters

Übereignung eines GbR-Grundstücks, negative Publizität des Handelsregisters

23. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S überträgt wirksam ihre Anteile an der mit T gegründeten und im Gesellschaftsregister eingetragenen Immo-GbR auf den neuen Gesellschafter B. Der Wechsel wird im Register nicht eingetragen. T will nun ein Grundstück der GbR an K veräußern. Als B widerspricht, nimmt T einfach S mit zum Notar. K weiß nichts von dem Gesellschafterwechsel.

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Einordnung des Falls

Übereignung eines GbR-Grundstücks, negative Publizität des Handelsregisters

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 9 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. S und T konnten die GbR bei der Verfügung über das Grundstück ohne Weiteres wirksam vertreten (§§ 873, 925 Abs. 1 BGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

Für die Übereignung eines Grundstücks bedarf es einer dinglichen Einigung in Form der Auflassung (§§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 BGB). Die Vertretung einer GbR nach § 164 Abs. 1 BGB verlangt bei Gesamtvertretungsmacht (§ 720 BGB) die Vertretung durch alle Gesellschafter. Gesellschafter der Immo-GbR sind zum Zeitpunkt des Notartermins T und B. Eine Vertretung der GbR setzt mangels anderweitiger Regelungen im Gesellschaftsvertrag daher grundsätzlich eine gemeinsame Vertretung durch T und B voraus (§§ 164, 720, Abs. 3 BGB) und nicht durch S und T.
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2. Vor Inkrafttreten des MoPeG konnte die Vertretungsmacht bei der Veräußerung von Immobilien über § 899a BGB a.F. fingiert werden.

Ja, in der Tat!

Nach alter Rechtslage waren neben der GbR auch deren Gesellschafter ins Grundbuch einzutragen (§ 47 Abs. 2 S. 1 GBO a.F.). Nach § 899a S. 2 BGB a.F. galten deshalb bei Verfügungen einer GbR über Immobilien die §§ 892 – 899 BGB hinsichtlich der Vertretungsmacht der Gesellschafter beim Verfügungsgeschäft entsprechend. Gemäß § 892 Abs. 1 BGB gilt der Inhalt des Grundbuchs als richtig, außer ein Widerspruch ist eingetragen oder der Erwerber kennt die Unrichtigkeit. Das heißt: Der gute Glaube des Erwerbers auf die im Grundbuch eingetragenen Gesellschafter wurde geschützt, sodass die im Grundbuch eingetragenen Gesellschafter fiktiv als Gesellschafter galten (§§ 899a S. 2, 892 BGB a.F.).Die Fiktion bezog sich nach hM allerdings nur auf das Verfügungsgeschäft. Sie galt somit nicht für den Grundstückskaufvertrag, sodass dieser mangels wirksamer Vertretung unwirksam war. Der GbR stand mangels Rechtsgrund deshalb stets ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Rückübereignung des Grundstücks zu (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

3. Beim Erwerb eines Grundstücks sollen ab 1.1.2024 neben der GbR weiterhin auch die Gesellschafter ins Grundbuch eingetragen werden (§ 47 Abs. 2 GBO).

Nein!

Bislang fehlte es an einem Register aus dem hervorging, wer die Gesellschafter einer GbR sind. Nur deshalb mussten beim Grundstückserwerb neben der GbR auch ihre Gesellschafter ins Grundbuch eingetragen werden (§ 47 Abs. 2 S. 1 GBO a.F.). Durch die Einführung des Gesellschaftsregisters (vgl. § 707, 707a BGB) ist dies nicht mehr erforderlich. Denn eine Eintragung darf nunmehr nur noch erfolgen, wenn die GbR mit ihren Gesellschaftern zuvor im Gesellschaftsregister eingetragen wurde (§ 47 Abs. 2 GBO). Auch wenn die Eintragung ins Gesellschaftsregister also kein konstitutives Merkmal für die GbR ist, so ist die Eintragung jedenfalls für den Immobilienerwerb unerlässlich.

4. Da fortan die Gesellschafter nicht mehr im Grundbuch stehen und § 899a BGB a.F. durch das MoPeG gestrichen wurde, scheidet ein Immobilienerwerb von nicht vertretungsberechtigten Gesellschaftern stets aus.

Nein, das ist nicht der Fall!

Wie das Handelsregister dient auch das Gesellschaftsregister dem Schutz des Rechtsverkehrs. Die Regelungen hinsichtlich der negativen und positiven Publizität (§ 15 HGB) finden deshalb auch auf das Gesellschaftsregister Anwendung (§ 707a Abs. 3 S. 1 BGB). Hierüber kann das Vertrauen in den eingetragenen Gesellschafterbestand hinreichend geschützt werden, sodass auch weiterhin eine Vertretung durch nichtvertretungsberechtigte Gesellschafter in Betracht kommt.Da der Gesellschafterbestand nunmehr aus dem Gesellschafterregister hervorgeht, bedarf es zukünftig weder der Eintragung der Gesellschafter ins Grundbuch (§ 47 Abs. 2 S. 1 GBO a.F.), noch der Gesellschafterfiktion nach § 899a BGB a.F., weshalb die Regelungen modifiziert (§ 47 Abs. 2 S. 1 GBO a.F.) bzw. gestrichen wurden (§ 899a BGB a.F.).

5. Die Vertretungsberechtigung von S und T könnte nunmehr infolge der negativen Publizität des Gesellschaftsregisters über § 707 a Abs. 3 S. 1 BGB iVm § 15 Abs. 1 HGB fingiert worden sein.

Ja, in der Tat!

Wie das Handeslregister dient das Gesellschaftsregister auch dem Schutz des Rechtsverkehrs, sodass die Regelung des § 15 HGB entsprechend anzuwenden ist (§ 707a Abs. 3 S. 1 BGB). § 15 Abs. 1 HGB schützt das Vertrauen in die Vollständigkeit der Eintragung (=negative Publizität). Der Dritte wird daher vor nicht eingetragenen und nicht bekannt gemachten richtigen Tatsachen geschützt. Voraussetzung ist, dass es sich (1) um eine eintragungspflichtige Tatsache handelt, (2) diese nicht eingetragen und/oder bekannt gemacht wurde und (3) der Dritte die Tatsache nicht kannte. In der Folge kann derjenige, in dessen Angelegenheit die Tatsache einzutragen war, die Tatsache einem Dritten nicht entgegenhalten.Nur S und T sind als (gesamtvertretungsberechtigte) Gesellschafterinnen eingetragen. Sofern die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 HGB vorliegen, darf K davon ausgehen, dass keine weiteren Gesellschafter existieren und diese somit vertretungsberechtigt sind.

6. Ist der Eintritt in die GbR durch B eine eintragungspflichtige Tatsache (§ 15 Abs. 1 HGB)?

Ja!

§ 15 Abs. 1 HGB schützt das Vertrauen in das Fehlen „einzutragender“ Tatsachen. Damit sind eintragungspflichtige (und nach § 10 HGB bekannt zu machende) Tatsachen gemeint. Nach § 707 Abs. 3 S. 2 BGB sind sowohl das Ausscheiden als auch der Austritt eines Gesellschafters eintragungspflichtige Tatsachen. Bs Eintritt wurde entgegen dieser Pflicht weder eingetragen, noch bekanntgemacht.

7. Wusste K, dass B in die Gesellschaft eingetreten ist und damit T und S die Vertretungsbefugnis fehlte (§ 15 Abs. 1 HGB)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei positiver Kenntnis des Dritten von der nicht eingetragenen Tatsache scheidet der Vertrauensschutz aus. Die Gutgläubigkeit des Dritten wird widerlegbar vermutet. Geschützt wird bereits das abstraktes Vertrauen. Der Dritte muss also nicht gerade im Vertrauen auf das Fehlen der Eintragung und Bekanntmachung eine Handlung vorgenommen haben. Anzeichen dafür, dass K von dem Eintritt eines neuen Gesellschafters wusste, gibt es nicht. Es ist daher von seiner Unkenntnis auszugehen. Dass der Dritte sich über den Inhalt des Gesellschaftsregisters informiert hat, wird nicht vorausgesetzt. Es wird unwiderlegbar vermutet, dass er im Vertrauen auf den Registerinhalt gehandelt hat.

8. B kann K seinen Eintritt und die dadurch bedingte fehlende Vertretungsmacht von S und T nicht entgegenhalten, sodass die Grundstücksübertragung zwischen der Immo-GbR und K wirksam zustande gekommen ist (§ 15 Abs. 1 HGB).

Ja, in der Tat!

Derjenige, in dessen Angelegenheit die Tatsache einzutragen war, kann diese einem Dritten nicht entgegenhalten. Betroffen ist, wem die Eintragung und Bekanntmachung einzuleiten oblag. Auf den Grund der fehlenden Eintragung kommt es nicht an. Die Anmeldepflicht trifft nach § 707 Abs. 4 S. 1 BGB alle Gesellschafter und damit auch den eintretenden B.§ 707 Abs. 4 BGB ist den bereits geltenden Regelungen zur OHG (§ 108 HGB bzw. § 143 Abs. 3 HGB) nachgebildet.

9. Die durch das Gesellschaftsregister fingierte Vertretungsmacht gilt aber nur für die Grundstücksübertragung und nicht den zugrunde liegenden Grundstückskaufvertrag, sodass das an K veräußerte Grundstück wieder kondiziert werden kann (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Nein!

MoPeG-Änderung (1.1.2024): Die bislang geltende Regelung des § 899a S. 2 BGB a.F. war nach hM nicht auf das Verpflichtungsgeschäft, also den Grundstückskaufvertrag (§§ 433, 311b Abs. 1 S. 1 BGB), anwendbar. . Folge: Auf Ebene des Verpflichtungsgeschäfts fehlte es in Fällen des § 899a S. 2 BGB nach hM an einer wirksamen Vertretung, sodass das Grundstück durch den Erwerber rechtsgrundlos erworben wurde und damit kondizierbar war (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).Die Publizitätswirkung von § 707 a Abs. 3 S. 1 BGB i.V.m. § 15 HGB gilt dagegen für alle Rechtsgeschäfte - also sowohl Verfügungs- als auch Verpflichtungsgeschäfte - der GbR bzw. der für sie auftretenden Gesellschafter.Auch im Hinblick auf den Abschluss des Grundstückkaufvertrags wird die Vertretungsmacht damit fingiert. Auch die notwendige notarielle Beurkundung ist erfolgt (§ 311b Abs. 1 BGB), sodass ein wirksamer Grundstückskaufvertrag vorliegt. Da ein Rechtsgrund besteht, scheidet eine Kondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB damit aus.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DAV

DavidPyhrr

22.4.2024, 13:02:55

Welche Möglichkeiten hat B dann, sich dagegen zu schützen?

LO

Lorenz

26.5.2024, 11:05:14

Der Wechsel muss eingetragen werden. Darauf sollte B hinwirken.


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