Tathandlung: Herstellen einer unechten "Datenurkunde"

8. April 2025

2 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T entwendet die Geldbörse der O, in der sich ihre Bankkarte und die notierte Pin befindet. Damit hebt T am Geldautomaten €100 ab.

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Einordnung des Falls

Tathandlung: Herstellen einer unechten "Datenurkunde"

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Informationen, die im Rahmen eines Abhebungsvorganges am Bankautomaten verwendet werden, sind keine beweiserheblichen Daten.

Nein, das trifft nicht zu!

Daten im Sinne des § 269 StGB sind alle - noch nicht notwendigerweise gespeicherten - Informationen, die Gegenstand eines Datenverarbeitungsprozesses sein können. Beweiserheblich sind Daten, wenn sie dazu bestimmt sind im Rechtsverkehr für rechtserhebliche Tatsachen verwendet zu werden. Bei einem Abhebungsvorgang mittels Bankkarte am Automaten wird eine Vielzahl an beweiserheblichen Informationen abgerufen: dem System wird insbesondere übermittelt, in welcher Höhe und wo das Geld abgehoben wird.
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2. Indem T mit der Karte der O €100 abhebt, hat er beweiserhebliche Daten gespeichert, so dass bei visueller Wahrnehmung eine unechte Urkunde vorläge (§ 269 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Ja!

Das Speichern beweiserheblicher Daten setzt das Hervorbringen einer Datenurkunde voraus, die den unrichtigen Anschein erweckt, von dem aus ihr erkennbaren Aussteller herzurühren. Diese Datenurkunde muss alle Merkmale (ausgenommen die Perpetuierung) des Urkundenbegriffs erfüllen. Das Merkmal entspricht damit dem Herstellen einer unechten Urkunde gem. § 267 Abs 1 Var. 1 StGB.Würde man die von T am Automaten eingegebenen Daten visuell wahrnehmen, so läge eine unechte Urkunde vor: Die Eingabe der Geheimzahl ersetzt die Legitimation durch Unterschrift am Bankschalter und aus der gespeicherten Kontobewegung geht täuschungsbedingt die O hervor. Diese Daten werden auch im System der Bank gespeichert.

3. Damit hat sich T nur wegen Fälschung beweiserheblicher Daten (§ 269 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht.

Nein, das ist nicht der Fall!

T hat sich darüber hinaus auch wegen Computerbetrugs gemäß § 263a StGB strafbar gemacht, da die Verwendung einer gestohlenen Karte nach der herrschenden betrugsäquivalenten Auffassung eine „unbefugte“ Verwendung darstellt. Im Hinblick auf den „Erwerb“ der Karte kommen je nach Sachverhalt die §§ 242, 246 StGB in Betracht. In der juristischen Ausbildung führt der § 269 StGB eher ein Schattendasein. In der Klausur wird der Schwerpunkt in aller Regel auf den oben genannten Delikten liegen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

OKA

okalinkk

7.3.2025, 21:51:55

ich hätte eher an ein Verfälschen gem 269 I Var 2 gedacht? wieso liegt hier nur ein Herstellen vor?

LELEE

Leo Lee

10.3.2025, 17:36:10

Hallo okalinkk, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Hier liegt kein Verfälschen sondern das Äquivalente des Herstellens vor wegen der Parallele zum 267. Denn wenn wir uns mal vorstellen, dass der T bei einem Bankangestellten die Daten schriftlich niedergelegt und unterschrieben hätte, so hätte er ein Schriftstück produziert, die zwar so aussieht, als würde es vom Berechtigten (O) stammen, was allerdings nicht der Fall ist. Ein Verfälschen läge nur dann vor, wenn der O von vornherein das Schriftstück produziert und der T etwa nur den Betrag ändert. Weil aber T von Anfang bis Ende alles verfälscht und nicht nur einen kleinen Teil (einer bereits existierenden echten

Urkunde

des O), wird hier nicht verfälscht, sondern hergestellt bzw. i.R.d. 269 gespeichert. Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre vom MüKo-StGB 4. Auflage, Erb § 269 Rn. 32 sehr empfehlen :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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