Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Täterschaft und Teilnahme

Neutrale Handlung - erkennbar Tatgeneigter

Neutrale Handlung - erkennbar Tatgeneigter

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

I ist Inhaber eines Geschäfts für Küchenwaren. Er bemerkt eine heftige Schlägerei zwischen L und M vor seinem Geschäft. Wutentbrannt stürmt L in den Laden und verlangt „sofort ein großes Messer”. I verkauft ihm das Messer. L sticht M damit ins Bein.

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Einordnung des Falls

Neutrale Handlung - erkennbar Tatgeneigter

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. I könnte sich wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung strafbar gemacht haben, indem er L das Messer verkaufte (§§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2, 27 StGB).

Ja, in der Tat!

I müsste dafür zur vorsätzlichen, rechtswidirgen Haupttat des L Hilfe geleistet haben. Er müsste dabei mit doppeltem Gehilfenvorsatz, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben. Fraglich ist dabei, ob der im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit ausgeführte Verkauf eines Küchenmessers eine strafbare Beihilfehandlung darstellen kann.
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2. Das Verkaufen eines Küchenmessers ist für den Inhaber eines Geschäfts für Küchenwaren sozialadäquat. Nach der Lehre von der Sozialadäquanz ist I deswegen nicht strafbar.

Nein!

Nach der Lehre von der Sozialadäquanz fallen sozial adäquate Handlungen bereits aus dem objektiven Tatbestand der Beihilfe heraus. Sie würden bereits kein rechtlich missbilligtes Risiko schaffen und seien deswegen nach den Regeln der objektiven Zurechnung unbeachtlich. I verkauft beruflich Küchenmessor, sodass objektiv eine sozialadäquate Handlung vorliegen könnte. Die Schlägerei fand aber unmittelbar vor Is Geschäft statt und der daran beteiligte, aufgebrachte L verlangte in engem zeitlich-räumlichen Zusammenhang dazu das Messer. Der Verkauf des Messers steht deswegen unmittelbar im Zusammenhang mit einem Delikt und ist nicht mehr sozialadäquat.Würde man berufstypische Handlungen ausnahmslos als sozialadäquat bewerten, würden gewerbsmäßig Tätigwerdende übermäßig privilegiert. I wäre dann strafbar, wenn er das Messer in derselben Situation als „Privatperson” verkaufen würde. Als Inhaber des Küchenladens bliebe er straffrei.

3. Hat I nach der Lehre vom deliktischen Sinnbezug Beihilfe geleistet, als er L das Messer verkaufte?

Genau, so ist das!

Nach dieser Lehre ist die Strafbarkeit wegen Beihilfe zu bejahen, wenn das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf abzielt, eine strafbare Handlung zu begehen, und der Hilfeleistende das positiv weiß. Dann verliert sein Tun stets den „Alltagscharakter” und ist eine „Solidarisierung” mit dem Täter. Handelt der Hilfeleistende nur mit dolus eventualis, bleibt er grundsätzlich straffrei. Das gilt nicht, wenn es sich beim Täter um einen „erkennbar Tatgeneigten” handelt.L kam direkt von der Schlägerei in den Ladens des I gestürmt und verlangte wutentbrannt ein Messer. Aus diesem Verhalten ergibt sich ein hohes Risiko, dass L das Messer im Kampf gegen M einsetzen würde. L war ein erkennbar Tatgeneigter. Der Verkauf des Messers weist einen deliktischen Sinnbezug auf und ist selbst dann als strafbare Beihilfe zu werten, wenn I nur mit Eventualvorsatz handelte.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

vulpes iuris

vulpes iuris

28.8.2024, 12:56:53

Statt „Küchenmessor“ müsste es „Kiesch‘nmessor“ heißen, glaube ich. Sächsisch ist allerdings nicht meine Muttersprache, insofern kann ich mich auch irren.


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