Rücktritt unbeendeter Versuch - Mindermeinung 2


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

T möchte bei O einbrechen und Wertsachen stehlen. Beim Aufbrechen des Fensters hört er einen Fußgänger. Er denkt sich, dass er die Tat zwar noch zu Ende bringen kann, geht aber nach Hause. Dabei nimmt er sich vor, morgen durch die Tür einzubrechen.

Einordnung des Falls

Rücktritt unbeendeter Versuch - Mindermeinung 2

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ts Versuch des Diebstahls (§§ 242 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB) ist fehlgeschlagen.

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Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Versuch gilt dann als fehlgeschlagen, wenn der Täter glaubt, dass er den Erfolg nicht mehr herbeiführen kann, ohne eine völlig neue Kausalkette in Gang zu setzen. Wenn ein Täter etwa denkt, dass er das Opfer ja auch nächste Woche erschießen könnte, liegt darin eine zeitliche Zäsur, sodass ein fehlgeschlagener Versuch vorliegt. Begeht der Täter die Tat in der darauffolgenden Woche, dann liegt eine neue Tat vor. T dachte, dass er die Tat zur Vollendung hätte führen können.

2. Es liegt ein beendeter Versuch vor.

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Nein, das trifft nicht zu!

Ein Versuch gilt dann als beendet, wenn der Täter glaubt, dass er alles zur Tatbestandsverwirklichung Erforderliche getan hat. Dabei reicht es aus, dass der Täter es für möglich hält, dass er alles Erforderliche getan hat, aber auch, wenn er sich keine Gedanken macht, aber die Möglichkeit sieht. T hat noch keine Handlung vorgenommen, die zu einer Wegnahme führen würde. Hier musst Du darauf achten, nicht unsauber zu arbeiten. Denn die Anforderungen an den Rücktritt hängen davon ab, ob ein unbeendeter oder beendeter Versuch vorliegt.

3. T hat nach einer Mindermeinung die weitere Tatausführung aufgegeben, als er vom Öffnen des Fensters abgelassen hat.

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Ja!

Eine Mindermeinung nimmt einen Rücktritt dann an, wenn der Täter von der konkreten Tat ablässt und die bisher vorgenommenen Maßnahmen nicht einer späteren Straftat zu Grunde legen möchte, die sich gegen das gleiche Tatobjekt wendet. Lässt der Täter zwar ab, aber möchte die Tat zu einem anderen Zeitpunkt vollenden und dabei auf den bisherigen Maßnahmen aufbauen, ist ein Aufgeben ausgeschlossen. T lässt von dem Einbruch ab. Dabei möchte er zwar am nächsten Tag wieder einbrechen, aber er baut nicht auf den bisherigen Maßnahmen auf. Dies zeigt noch einmal die willkürlichen Ergebnisse der Theorie auf, die nicht auf die jeweilige Schuld Bezug nimmt.

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I-m-possible

I-m-possible

11.7.2022, 14:30:32

Gibt es genauere Angaben dazu wie man die zeitliche Komponente ab der man von einer neuen Kausalkette ausgehen kann? Laut den Fällen bisher liegt bei einer halben Stunde und dem nächsten Tag eine solche noch nicht vor.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

23.7.2022, 16:54:29

Hallo I-m-possible, ich fürchte leider nein - andernfalls hätten wir euch die magische Formel schon mitgeteilt, versprochen! Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Molesley

Molesley

13.2.2023, 14:57:36

Hallo! In diesen Fällen finde ich das Abfragen der Mindermeinung ohne eine Darstellung der ham etwas verwirrend. Warum wird die Mindermeinung so prominent platziert? Welche Meinung sollte ich mir merken?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

13.2.2023, 15:22:28

Hallo Molesley, danke für deine Rückfrage. Es gilt natürlich immer, dass man definitiv die herrschende Meinung und wenn vorhanden Rechtsprechung und herrschende Literatur beherrschen und anwenden können sollte. Leider gibt es - gerade im Strafrecht einige Bereiche, die nur so vor unterschiedlichen Meinungen wimmeln. Die Fragen um Beginn und Ende des Versuchs bzw. Rücktritts gehören da definitiv dazu. Da es hier auch mehr als eine starke Meinung in der Literatur gibt, bleibt es leider nicht aus sich auch mit denen mal auseinanderzusetzen. Es kann natürlich immer passieren, dass einem ein Fall begegnet, in dem die Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Gerade an dieser Stelle gilt aber - es gibt nicht die eine herrschende Meinung und alles andere sind nur Einzelpersonen, die etwas anderes vertreten. Ich weiß, dass das gerade im Hinblick auf das Erlernen der Thematik sehr unbefriedigend ist, leider bleibt es aber nicht aus. Ich nehme dein Feedback aber mit, und wir versuchen die Mindermeinungen noch differenzierter darzustellen.Ich nehme dein Feedback aber mal mit, und wir versuchen die Mindermeinungen noch differenzierter darzustellen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Molesley

Molesley

17.6.2023, 13:58:17

Vielen Dank für die Rückmeldung!

lennart20

lennart20

17.6.2023, 13:55:58

Könnte man die beiden Meinungen hier nochmals ein wenig klarer darstellen. Ich habe wie es Molesley in dem anderen thread anregt Probleme zu erkennen, was die Gegenmeinung zur schon dargestellten Mindermeinung fordert.


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