Zivilrecht
Schuldrecht Allgemeiner Teil
Widerruf & Verbraucherverträge
Kein Widerrufsrecht bei Aufhebungsvertrag
Kein Widerrufsrecht bei Aufhebungsvertrag
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die erkrankte Angestellte A wird gegen 17 Uhr von ihrem Chef C in ihrer Wohnung aufgesucht. C legt ihr einen Aufhebungsvertrag vor, den A unter Einfluss von Schmerzmitteln und müde unterschreibt. Danach wird das Arbeitsverhältnis einvernehmlich ohne Abfindungszahlung beendet.
Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Kein Widerrufsrecht bei Aufhebungsvertrag
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Handelt es sich bei dem Aufhebungsvertrag um einen Verbrauchervertrag (§ 310 Abs. 3 BGB)?
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Somit sind die Regelungen der §§ 312a-h BGB und insbesondere das Widerrufsrecht grundsätzlich auf Aufhebungsverträge anwendbar (§ 312 Abs. 1 BGB).
Nein!
3. Ist A berechtigt, den Aufhebungsvertrag zu widerrufen (§ 355 i.V.m. §§ 312 g Abs. 1, 312 b BGB?
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jana-Kristin
23.11.2022, 18:15:48
Könnt ihr bitte die Verlinkung zur Rechtsprechung des BAG zum "Gebot fairen Verhandelns" noch vornehmen? :)
Nora Mommsen
28.11.2022, 15:08:46
Hallo Jana-Kristin, das Urteil ist nun unten entsprechend verlinkt :) Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
asanzseg
13.4.2023, 10:54:41
Liebes JuaFuchs Team, der BAG hat sich in dieser Entscheidung mit den üblichen Auslegungsmethoden m
ehrere Seiten über die Anwendbarkeit bzw das für und wider der Anwendbarkeit des §312g auf Aufhebungsverträge beschäftigt. Ihr habt in der Subsumtion lediglich festgestellt, dass der Awendungsbereich nicht erföffnet ist. Die Argumente des BGH sind viel zu wichtig, um sie hier nicht einzufügen. Erst durch das Lesen des Urteils wird der Sinn und Zweck des kompletten Regelungswerks des Widerrufsrechts klar, was hier im Mittelpunkt stehen sollte. Auch an alle Examenskandidaten da draußen: Die Entscheidung beschäftigt sich im Rahmen des „Gebot des fairen Handelns“ mit nichts anderem als mit einem Insitut ähnlich wie das
culpa in contrahendound ist sowohl in der Herleitung aber vor allem in der Rechtsfolge die der BGH hier gewählt hat äußerst wichtig!! Der BGH hat nach Bejahung eines Gebot des fairen Handelns im konkreten fall im Rahmen der Rechtsfolge auf §§280, 249, 253 also die „normalen“ Schadensersatzl
ehre. Dann hat er argumentiert, dass der ArbG hier zu einem „SE in natura nach §249 I BGB“ verpflichtet ist, und den ArbeitN so zu stellen hat als wäre die Pflichtverletzung nicht geschehen. Hier führt also der Verstoß zu einer Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages mit der Folge des Weiterlaufens des Arbeitsvertrages zu unveränderten Konditionen. Die Entscheidung ist ausnahmsweise wirklich sinnvoll und lesenswert! liebe grüße
Lukas_Mengestu
13.4.2023, 14:36:36
Hallo asanzseg, vielen Dank für Deinen Hinweis. In der Tat ist diese Entscheidung ein schönes Anschauungsbeispiel für die juristische Auslegungsmethodik, weswegen es sich anbietet diese sich auch noch einmal im Original zu lesen. Komprimiert hatten wir die wichtigsten Argumente (Telos und Systematik) hier bereits in Hinweis 2 aufgenommen, deswegen haben wir sie in der letzten Folie nicht noch einmal wiederholt und lediglich festgestellt, dass der Anwendungsbereich nicht eröffnet ist. Um den Fall hier nicht noch ausufern zu lassen, haben wir hier zudem auf weitere Ausführungen zum Gebot des fairen Verhandelns verzichtet. Diese findest Du in unserer aktuellen Rechtsprechung: https://applink.jurafuchs.de/ho92HLoQXyb Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Maitre68
1.8.2024, 17:41:38
Auch nach Lektüre des BAG-Urteils bin ich ratlos. Wie kann man denn überhaupt auf die Idee kommen, den Wortlaut „Verpflichtung des VERBRAUCHERS zur Zahlung eines Preises“ (§ 312 I) dahingehend auszulegen, dass das auch gelten könnten, wenn der UNTERNEHMER ein Entgelt leistet ist doch sehr weit hergeholt. Oder verstehe ich hier etwas völlig falsch? Inwiefern zahlt der Vebraucher denn einen Preis, wenn er eine Abfindung erhält? LG Maitre
Maitre68
1.8.2024, 17:43:36
Nevermind. Ich habe soeben gesehen, dass der Wortlaut erst zum 1.1.2022 geändert wurde. Davor war der Wortlaut tatsächlich deutlich unklarer (Wobei ich auch dort ziemlich eindeutig finde, dass damit ein Austausch von Leistungen gemeint ist). LG Maitre