Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Schuld

Schuld: Vermeidbarkeit Verbotsirrtum – Unrechtseinsicht

Schuld: Vermeidbarkeit Verbotsirrtum – Unrechtseinsicht

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Winzerin T überzuckert ihren Wein nach § 3 Abs. 1 WeinG 1930 aF in nach § 26 Abs. 1 Nr. 1 WeinG 1930 aF strafbarer Weise. Sie plant nach der Überzuckerung wieder den ursprünglichen Zuckergehalt herzustellen, indem sie anderen Wein beimischt. Dies ändert die Strafbarkeit nicht, T nimmt aber an, ihr Verhalten sei nicht strafbar.

Diesen Fall lösen 0,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Schuld: Vermeidbarkeit Verbotsirrtum – Unrechtseinsicht

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. T hatte die Einsicht, Unrecht zu begehen.

Nein, das trifft nicht zu!

Unrechtseinsicht ist die Erkenntnis der Rechtswidrigkeit der Tat. Mithin das Einsehen, dass die Tat vom Gesetz verboten wird. T geht davon aus, dass ihr Handeln erlaubt war. In dem Originalfall hat das Tatgericht dahingehend keine Feststellungen getroffen.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Ts Strafbarkeit entfällt, wenn der Verbotsirrtum unvermeidbar war (§ 17 S. 1 StGB).

Ja!

Nach § 17 S. 1 StGB handelt der Täter nur ohne Schuld, wenn er den Irrtum nicht vermeiden konnte. Nach allgemeiner Ansicht ist dabei auf die individuellen Fähigkeiten des konkreten Täters abzustellen. Es ist zu prüfen, ob der bei Anspannung seines Gewissens zur Einsicht des Unrechts hätte kommen können. Der BGH hat die Frage im konkreten Fall offen gelassen und nur allgemeine Ausführungen gemacht. Interessant ist aber, dass es nach den Ausführungen darauf ankommen solle "ob ein sorgfältiger Weinbauer die Verbotswidrigkeit der Zuckerung und des Verschnitts hätte erkennen können". Damit käme es nicht mehr auf die T an, sondern es würde ein abstrakter Maßstab aufgestellt, der bei der Vermeidbarkeit nach § 17 S. 1 StGB gerade nicht zu Grunde gelegt werden sollte. In dem Fall wurde die Frage jedoch nicht entschieden, sodass es sich nur um ein obiter dictum handelt. In der Literatur findet sich dazu teilweise die Aussage, dass gerade deshalb das Aufsuchen eines Rechtskundigen erforderlich sein sollte, weil die Rechtsmaterie unübersichtlich wäre. Auch in diesen Fällen wäre aber auf den individuellen Täter abzustellen.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DIAA

Diaa

29.7.2023, 17:21:29

Ich verstehe gerade nicht, wieso es ihr unvermeidbar war trotz ihrer Erkenntnis von Unrecht bzw. von der vorhandenen Strafbarkeit?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

31.7.2023, 17:37:31

Hallo Diaa, da T davon ausging, dass es nicht mehr strafbar ist, wenn der Zuckergehalt nachträglich gesenkt wird, fehlt es hier im Fall am Unrechtsbewusstsein, sodass für die Frage der Schuld die Vermeidbarkeit des Irrtums ausschlaggebend ist. Im Originalsachverhalt war die Frage des Unrechtsbewusstseins noch offen und vom Tatgericht aufzuklären. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

DIAA

Diaa

29.7.2023, 17:22:06

Und btw man kann das Urteil nicht abrufen, weil es nicht verlinkt ist.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

31.7.2023, 17:38:20

Hallo Diaa, leider fehlt es bei diesem Urteil an einer frei zugänglichen Fundstelle, weshalb wir hier keinen Link bereitstellen können. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

OBJE

objektivezurechnung

25.9.2023, 11:35:51

Wieso ist es „interessant“ oder bemerkenswert, dass hier auf einen sorgfältigen Weinbauer und nicht ausschließlich auf T abgestellt wird? Nach der Definition „Ein Irrtum ist vermeidbar, wenn der Täter Rechtsrat hätte einholen können oder wenn er bei sorgfältiger Anspannung des Gewissens unter Berücksichtigung des Verkehrskreises, aus dem er entstammt, hätte erkennen können, dass er unrecht handelt“ wird doch auch auf den Verkehrskreis abgestellt…

LELEE

Leo Lee

1.10.2023, 13:59:12

Hallo objektivezurechnung, nach der allgemeinen Ansicht heute ist ein Irrtum dann vermeidbar, wenn wenn dem Täter sein Vorhaben unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse hätte Anlass geben müssen, über dessen mögliche Rechtswidrigkeit nachzudenken oder sich in zumutbarer Weise zu erkundigen, und er auf diesem Weg zur Unrechtseinsicht gekommen wäre. Mithin wird bei der Vermeidbarkeit auf der Schuldebene – weil dies eben so individuell ist und nicht leicht verallgemeinert warden kann – nach wie vor auf die INDIVIDUELLE Fähigkeit abgestellt. Nach deiner Definition wird in der Tat auch auf den Verkehrskreis abgestellt, jedoch folgen wir hier der allgemeinen (eigentlich kaum bestrittenen Ansicht). Hierzu kann ich die Lektüre von Fischer StGB 69. Auflage, § 17 Rn. 7 ff. sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

OBJE

objektivezurechnung

1.10.2023, 17:06:18

Danke :)

LELEE

Leo Lee

1.10.2023, 21:10:51

Sehr gerne! :)


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community