Haftung aus culpa in contrahendo §§ 311 II, 241 II, 280 I BGB für Körperschäden


+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Klassisches Klausurproblem

K betritt das Teppichgeschäft des V. Er sucht sich einen neuen Teppich aus. Als V diesen aus dem Regal nimmt, stößt er unachtsam eine andere Teppichrolle um. Diese fällt auf K. K verletzt sich schwer.

Einordnung des Falls

Haftung aus culpa in contrahendo §§ 311 II, 241 II, 280 I BGB für Körperschäden

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K hat einen vertraglichen Schadensersatzanspruch gegen V (§§ 280 Abs. 1, 433 BGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Nein, das ist nicht der Fall!

Dafür müsste ein wirksamer Kaufvertrag zustande gekommen sein. Das Auslegen der Ware durch V ist bloße Aufforderung zur Angebotsabgabe (invitatio ad offerendum). Erst wenn K den Teppich an der Kasse vorlegt, gibt er ein verbindliches Angebot zum Vertragsabschluss ab. Daher ist noch kein Kaufvertrag (§ 433 BGB) zwischen V und K zustande gekommen. Vertragliche Schadensersatzansprüche scheiden aus.

2. Zwischen V und K bestand im Unfallzeitpunkt ein vorvertragliches Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 2 BGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Ja, in der Tat!

Ein vorvertragliches Schuldverhältnis entsteht: durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen (Nr. 1), die Anbahnung eines Vertrags, bei der eine Partei der anderen die Möglichkeit der Einwirkung auf ihre Rechtsgüter und Interessen gewährt (Nr. 2) oder ähnliche geschäftliche Kontakte (Nr. 3). K hat das Geschäft des V betreten und sich umgesehen, sodass - unabhängig davon, dass K eine Kaufabsicht hatte - ein vorvertragliches Schuldverhältnis aufgrund einer Vertragsanbahnung entstanden ist (§ 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB).

3. Verstößt eine Partei des vorvertraglichen Schuldverhältnisses gegen die Schutz- und Rücksichtnahmepflichten, hat die andere Partei einen quasi-vertraglichen Schadenersatzanspruch (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Ja!

Voraussetzung für eine vorvertragliche Haftung (culpa in contrahendo) ist: (1) ein vorvertragliches Schuldverhältnis (§ 311 Abs. 2 BGB), (2) die Verletzung von Schutz- und Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB), (3) deren Vertretenmüssen und (4) ein kausaler Schaden. Als Rechtsfolge hat der Schädiger den entstandenen Schaden zu ersetzen (§§ 280, 249 ff. BGB).

4. K hat gegen V einen Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo (§§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 Nr. 2, 241 Abs. 2 BGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Genau, so ist das!

Zwischen K und V besteht ein vorvertragliches Schuldverhältnis, welches Schutzpflichten nach § 241 Abs. 2 BGB begründet (§ 311 Abs. 2 BGB). V trifft die Pflicht, Sorge zu tragen, dass seine Kunden nicht verletzt werden. Indem V eine Teppichrolle unachtsam und damit fahrlässig (§ 276 Abs. 2 BGB) auf K stieß, hat er diese Pflicht verletzt. K kann seine Heilbehandlungskosten nach § 249 Abs. 2 BGB ersetzt verlangen.

5. K hat zudem einen deliktischen Schadensersatzanspruch gegen V (§ 823 Abs. 1 BGB).

Diese Rechtsfrage lösen [...Wird geladen] der Jurist:innen in Studium und Referendariat richtig.

...Wird geladen

Ja, in der Tat!

Deliktische Schadenersatzansprüche sind neben (quasi-) vertraglichen Schadenersatzansprüchen ohne weiteres anwendbar. Dazu müsste V (1) ein absolut geschütztes Recht des K (2)kausal, (3) rechtswidrig und (4) schuldhaft, verletzt haben, wodurch K ein (5) kausaler Schaden entstanden sein müsste. Ks Leib wurde durch eine Verletzungshandlung des V verletzt. K kann seine Heilbehandlungskosten nach § 249 Abs. 2 BGB ersetzt verlangen. Da bei der c.i.c. das Verschulden des Schuldners vermutet wird (§ 280 Abs. 1 S. 2 BGB), ist dieser Anspruch in einer Klausur vor dem deliktischen Anspruch zu prüfen. Denn durch die Verschuldensvermutung ist der Anspruch für den Gläubiger einfacher zu beweisen.

Jurafuchs kostenlos testen


Isabell

Isabell

21.9.2021, 08:46:38

Hier ist bspw. ein Fall, bei dem ich einen Klausurhinweis für's 2. Examen - welcher Anspruch einfacher zu prüfen und deswegen einer Urteilsklausur zugrunde gelegt werden sollte - richtig klasse. Hier ist es der aus c. i. c. weil das Verschulden vermutet wird.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

19.10.2021, 11:01:43

Danke Isabell, wir werden versuchen die Klausurtipps gerade bei der Erstellung neuer Fälle noch weiter auszubauen. Wenn Du bei Altfällen Ideen hast (wie zB hier), kannst Du uns natürlich gerne darauf hinweisen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


© Jurafuchs 2023