Zivilrecht

BGB Allgemeiner Teil

Tatbestand der Willenserklärung

Voraussetzung eines Bewirtungsvertrags („Tischreservierung in einem Restaurant“)

Voraussetzung eines Bewirtungsvertrags („Tischreservierung in einem Restaurant“)

3. Dezember 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

G bestellt telefonisch einen Tisch um 19 Uhr im Nobelrestaurant des N. G erscheint ohne Absage nicht. N hätte den Tisch bei rechtzeitiger Absage anderweitig vergeben und damit erfahrungsgemäß €150 umsetzen können. Diesen Betrag verlangt N von G ersetzt.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

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Einordnung des Falls

Voraussetzung eines Bewirtungsvertrags („Tischreservierung in einem Restaurant“)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch die Tischreservierung ist ein Bewirtungsvertrag zustande gekommen. Dieser verpflichtet G zum Schadensersatz.

Nein, das trifft nicht zu!

Voraussetzung für einen Bewirtungsvertrag (sog. typengemischter Vertrag) sind zwei übereinstimmende Willenserklärungen, ⁣ bei denen man objektiv auf einen Handlungs-, Rechtsbindungs- und Geschäftswillen schließen kann (äußerer Tatbestand der Willenserklärung).LG Kiel: Bei einer Tischreservierung sei zwar ersichtlich, dass der Inhaber sich auf das Erscheinen einstellen und nachfolgende Reservierungswünsche zurückweisen würde. Der Gast sei aber allein durch die Reservierung nicht zur Bestellung verpflichtet. Er könne bei Erscheinen auch sagen, dass nichts Passendes auf der Speisekarte sei oder er keinen Appetit verspüre. Mangels Bestellpflicht, bestehe auch keine Pflicht zum Erscheinen. Ein Bewirtungsvertrag sei nicht entstanden.
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2. Da die Tischreservierung der Anbahnung eines noch auszuhandelnden und eventuell abzuschließenden Bewirtungsvertrags dient, wird ein vorvertragliches Schuldverhältnis i.S.d. § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB begründet.

Ja!

Grundgedanke der in § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB normierten Haftung aufgrund Verschuldens bei Vertragsverhandlungen ist gerade die für die Tischreservierung typische, über eine bloß zufällige Begegnung hinausgehende Inanspruchnahme und Gewährung besonderen Vertrauens, die eine Haftung nur nach den allgemeinen Regeln, vor allem des Deliktsrechts, als nicht ausreichend und unbillig erscheinen lässt.

3. Für den Gast entsteht dadurch die Pflicht, im Fall der Verhinderung die Reservierung ohne schuldhaftes Zögern abzusagen (§ 241 Abs. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Haftungsgrund und Bezugspunkt des Vertretenmüssens ist nicht der (aufgrund der Vertragsabschlussfreiheit ja erlaubte) Abbruch der Vertragsanbahnung, sondern die fehlende (rechtzeitige) Information der anderen Partei.

4. Ist G zwingend verpflichtet, N den Betrag zu ersetzen, den N voraussichtlich bei Gs Besuch verdient hätte (€150)?

Nein!

Bei Verletzung seiner Informationspflicht schuldet der Gast dem Restaurantinhaber den Ersatz des Vertrauensschadens (negatives Interesse), der insbesondere durch die Abweisung anderer Tischinteressenten entsteht (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB, § 252 S. 1, 2 BGB).Die Höhe des nicht abgeschlossenen Bewirtungsvertrages zwischen G und N betrifft das „Erfüllungsinteresse“ von N (positives Interesse), welches von der vorvertraglichen Haftung nicht umfasst ist. N kann von G nur den Vertrauensschaden ersetzt verlangen, also den Schaden, den er durch das Abweisen von anderen Gästen (entgangener Gewinn, § 252 BGB) bzw. infolge nutzloser Aufwendungen erlitten hat (=negatives Interesse). Dass ihm ein solcher Schaden entstanden ist, muss er darlegen und beweisen.Anders als bei den §§ 122 Abs. 1, 179 Abs. 2 BGB ist bei §§ 311 Abs. 2, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 der Ersatz des negativen Interesses nicht auf das positive Interesse beschränkt. Zwar wird die Höhe des negativen Interesses regelmäßig niedriger sein als das positive Interesse aus dem nicht abgeschlossenen Vertrag, im Einzelfall kann es dieses aber überschreiten. Denkbar wäre etwa, dass N einen Kunden, der ihm nachweislich einen Gewinn von 200 € gebracht hätte, abweisen musste. Dann könnte N von G sogar 200 € verlangen und damit mehr, als er bei Abschluss des Bewirtungsvertrags voraussichtlich verdient hätte.Lerne in Zusammenhängen: Den Vertrauensschaden hast Du bereits bei der Anfechtung (§ 122 BGB) kennengelernt.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

DerErsteSchwarzeKanzler

DerErsteSchwarzeKanzler

28.1.2021, 23:19:06

Habe ich das richtig erfasst, es ist kein

Bewirtungsvertrag

zustande gekommen, weil nicht bestimmt ist, was bestellt worden wäre und der G vor Ort sich auch für keine Bestellung hätte entscheiden können. Weiter kommt dann das vorvertragliche Schuldverhältnis zustande. Hier besteht die Pflicht die Reservierung abzusagen. Dagegen wurde auch verstoßen. Weil aber kein messbarer Schaden mangels Bestellung zustande kommt, liegt das pos. Interesse bei 0€. Und das pos. IR beschränkt das neg. IR (150€)

Gerald von Trivia

Gerald von Trivia

7.3.2021, 19:25:22

@DerErsteSchwarzeKanzler Hi! Ja, das würde ich genauso wie du es geschildert hast wiedergeben. Wäre aber auch schön, dass von einem der Mitarbeiter nochmals bestätigt zu bekommen :). Für mich persönlich aber genau die richtige Interpretation.

Eichhörnchen I

Eichhörnchen I

10.3.2021, 13:03:01

In den Fällen der Anfechtung begrenzt § 122 Abs. 1 BGB den Anspruch auf das

positive Interesse

. Hier geht es aber nicht um eine Anfechtung, sondern um eine Verletzung einer vorvertraglichen Schutzpflicht. Grundsätzlich umfasst dieser Anspruch (§ 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB) zwar „nur“ den Vertrauensschaden (

negatives Interesse

), wird dafür aber der Höhe nach nicht durch das

Erfüllungsinteresse

(

positives Interesse

) begrenzt.

Edward Hopper

Edward Hopper

9.6.2022, 16:13:46

Einhörnchen hat Recht. Eine entsprechende Regelung bei § 311 gibt es nicht (wie zum Beispiel bei § 122 oder § 179 II), die eine Begrenzung rechtfertigen würde. Was anderes würde früher vertreten aber spätestens mit Wegfall des § 307 alte Fassung (wo eine Begrenzung explizit drin stand) lässt sich eine Begrenzung kaum vertreten. In diesem Fall kam es aber gar nicht darauf an da der Wirt im Originalfall kein

negatives Interesse

vortragen konnte, sondern er wollte ne Pauschale. Dies hat das Gericht nicht akzeptiert. Auf eine Begrenzung kam es insoweit nicht an.

der unerkannt geisteskranke E

der unerkannt geisteskranke E

4.1.2023, 21:40:41

@[Eichhörnchen I](136823) Im Fall des 122 ist es dich gerade das

negative Interesse

, also der Vertrauensschaden („den Schaden […], den der andere […] dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit vertraut“, also doch ausdrücklich der Vertrauensschaden. Oder sehe ich das falsch?

Edward Hopper

Edward Hopper

2.5.2023, 22:29:02

Ja, vertrauensschaden und

negatives Interesse

sind synonyme

QUIG

QuiGonTim

17.7.2022, 16:27:02

Könnte mir bitte nochmal jemand die Begriffe

positives und negatives Interesse

unterscheiden? :)

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.7.2022, 15:26:14

Hi QuiGonTIm,

positives Interesse

= wie hättest Du gestanden, wenn der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (zB Kosten für einen Ersatzkauf, der teurer ist).

negatives Interesse

= wie hättest Du gestanden, wenn der Vertrag nie zustande gekommen wäre und Du nicht auf die Erklärung des anderen vertraut hättest (zB Du hättest die Kaufsache zB gewinnbringend an einen anderen Käufer verkaufen können, der sie jetzt aber nicht mehr will). Ist es nun klarer? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

mareike01

mareike01

7.12.2022, 07:08:58

Ich merke mir das mit "P"ositiv = "P"flicht erfüllt; "N"egativ = "N"ichts gehört. Vielleicht hilft es! :)

IS

IsiRider

22.10.2022, 15:14:28

Der Vertrauensschaden ist nun wie hoch?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

23.10.2022, 14:28:44

Hallo IsiRider, das kommt letztlich auf den konkreten

Einzelfall

an und wäre vom Wirt darzulegen und ggfs. zu beweisen. Durch die fehlende Absage müsste zunächst a) tatsächlich ein anderer Gast abgewiesen worden sein und b) müsste ermittelt werden, was dieser konsumiert hätte. Das Gericht darf die Schadenshöhe schätzen (§ 287 Abs. 1 ZPO). Als Grundlage könnten zB Dabei könnte man zB Durchschnittswerte anderer Gäste zugrunde gelegt werden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

VALA

Vanilla Latte

5.10.2023, 22:18:33

Also wären das hier 150 Euro gewesen?

Juratiopharm

Juratiopharm

21.12.2023, 19:35:07

Hinsichtlich des

Bewirtungsvertrag

s wird gesagt, dass der Gast ja auch erscheinen könnte, dann aber auf der Karte nichts mag und geht. Wenn jetzt aber über die

culpa in contrahendo

doch ein Schadenersatz in Höhe eines Durchschnittsverzehrs angenommen wird, wird diese Wertung doch umgangen? Der fiktive Sachverhalt würde doch keine Pflichtverletzung begründen - oder doch?

LELEE

Leo Lee

25.12.2023, 16:02:23

Hallo Juratiopharm, vielen Dank für diese sehr gute Frage! In der Tat ist diese Unterscheidung etwas verwirrend. Jedoch soll hiermit klargestellt werden, dass ein SE aus einem „richtigen“ Vertrag immer noch (streng) zu unterscheiden ist von dem vorliegenden „Fehlverhalten“. Auf die Ansprüche auf materieller Seite hat dies natürlich wenig Auswirkungen; allerdings ist beim CIC der Anknüpfungspunkt für die Pflichtverletzung eben das Nichterscheinen ohne zeitiges Absagen (ob der Gast beim Erscheinen bestellt hätte oder nicht, spielt also für die

Vertragsanbahnung

und für das Nichterscheinen erstmal keine Rolle). Zudem besteht auch ein Unterschied darin, dass beim CIC immerhin der Gastwirt beweisen muss, dass ihm ein möglicher Gewinn (durch Annahme eines anderen Gastes) entgangen sind. Summa summarum kann man sagen, dass sich der Unterschied auf der beweisrechtlichen Ebene auswirken dürfte :). Besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch wünscht dir das Jurafuchsteam!

STE

Stella2244

23.8.2024, 12:59:58

@[Leo Lee](213375) Warum ändert sich die Beweislast? Auch bei einem Schadensersatzanspruch aus Vertrag müsste doch der Gastwirt den Schaden beweisen. Danke!

§🗿

§🗿

24.4.2024, 12:34:20

Moin zusammen :) @QuiGonTim hatte ja bereits hier im Thread gefragt, was der Unterschied zwischen positivem und negativem Interesse ist. Meine Frage nun: Haben

positives Interesse

und

negatives Interesse

auch unterschiedliche Anspruchsgrundlagen? Oder weshalb wird hier unterschieden? Liebe Grüße!

STE

Stella2244

23.8.2024, 13:03:43

@[§🗿](212850) Es gibt manche Ansprüche die zb. nur den Vertrauensschaden ersetzen (

negatives Interesse

). Das ist zum Beispiel bei §

122 BGB

der Fall. Ersetz wird nur das

negative Interesse

. Der Betrag wird durch den Wert des positiven Interesse jedoch gedeckelt. Man erlangt also das

negative Interesse

voll, nach oben jedoch gedeckelt durch das

positive Interesse

.

LENA1

Lena123

29.5.2024, 07:50:30

wie würde denn der Fall aussehen, wenn der Gast schon genau die Bestellung angibt und das Restaurant schon die Zutaten gekauft hat. Ist dann eine Art Vorvertrag entstanden ?

BR

brrrap

11.6.2024, 09:27:04

Da müsste man dann die konkreten Willenserklärungen beider Seiten in dem Fall nach

§§ 133, 157 BGB

auslegen. In solchen Fällen wird es mitunter auch darauf ankommen, ob ein Preis schon besprochen wurde. Wenn das gegeben ist, dann wird man auch durchaus sagen können, dass der

Bewirtungsvertrag

schon im voraus geschlossen wurde, auf einen Vorvertrag kommt es da gar nicht an. So ist es ja zB beim Catering für Events. Wurde ein Preis noch nicht besprochen, so würde ich eher dazu tendieren und noch keinen Vertragsschluss annehmen. Allerdings kann der Preis für die extra für den Gast erworbenen Zutaten ggf. als vergeblich Aufwendungen über den Vertrauensschadensersatz geltend gemacht werden.

Edward Hopper

Edward Hopper

22.11.2024, 23:58:37

Korrekte Antwort müsste doch lauten korrekt. Weil laut Sachverhalt feststeht, dass 150€ anderweitig entgangen sind. Anspruch auf neg. Interesse besteht. Oder übersehe ich was?

LO

Lorenz

23.11.2024, 10:02:39

Ich denke, dass „erfahrungsgemäß“ und „voraussichtlich“ gerade daraufhin deuten, dass der entgangene Umsatz hier nicht sicher beziffert werden konnte. Wenn im SV gestanden hätte, dass Stammgast S, der immer einen Hummer mit Weinbegleitung für exakt 159,99€ bestellt, hätte abgewiesen werden müssen, hätte der Wirt dies als

negatives Interesse

ersetzt bekommen.

LELEE

Leo Lee

24.11.2024, 05:01:00

Hallo Edward Hopper, vielen Dank für die sehr gute und wichtige Frage! Wie Lorenz bereits zutreffend dargelegt hat, ist hier der springende Punkt das Wort "erfahrungsgemäß". Denn hierdurch wollten wir betonen, dass es nicht reicht, dass der Gastwirt irgendwann/irgendwo mit irgendwem einen Vertrag i.H.v. 150 Euro geschlossen hätte, da ansonsten Missbrauch Tor und Tür geöffnet würde. Vielmehr muss für einen SE i.S.d. 249 ein konkreter Posten entstanden sein und deshalb auch belegt werden, dass der Gastwirt auch diesen Tisch anderweitig hätte kommerzialisieren können. Ohne diesen Nachweis kann er auch keinen Ersatz fordern :)! Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo


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