Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Tatbestand der Willenserklärung
Voraussetzung eines Bewirtungsvertrags („Tischreservierung in einem Restaurant“)
Voraussetzung eines Bewirtungsvertrags („Tischreservierung in einem Restaurant“)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
G bestellt telefonisch einen Tisch um 19 Uhr im Nobelrestaurant des N. G erscheint ohne Absage nicht. N hätte den Tisch bei rechtzeitiger Absage anderweitig vergeben und damit erfahrungsgemäß €150 umsetzen können. Diesen Betrag verlangt N von G ersetzt.
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Einordnung des Falls
Voraussetzung eines Bewirtungsvertrags („Tischreservierung in einem Restaurant“)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Durch die Tischreservierung ist ein Bewirtungsvertrag zustande gekommen. Dieser verpflichtet G zum Schadensersatz.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Da die Tischreservierung der Anbahnung eines noch auszuhandelnden und eventuell abzuschließenden Bewirtungsvertrags dient, wird ein vorvertragliches Schuldverhältnis i.S.d. § 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB begründet.
Ja!
3. Für den Gast entsteht dadurch die Pflicht, im Fall der Verhinderung die Reservierung ohne schuldhaftes Zögern abzusagen (§ 241 Abs. 2 BGB).
Genau, so ist das!
4. Ist G zwingend verpflichtet, N den Betrag zu ersetzen, den N voraussichtlich bei Gs Besuch verdient hätte (€150)?
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
DerErsteSchwarzeKanzler
28.1.2021, 23:19:06
Habe ich das richtig erfasst, es ist kein
Bewirtungsvertragzustande gekommen, weil nicht bestimmt ist, was bestellt worden wäre und der G vor Ort sich auch für keine Bestellung hätte entscheiden können. Weiter kommt dann das vorvertragliche Schuldverhältnis zustande. Hier besteht die Pflicht die Reservierung abzusagen. Dagegen wurde auch verstoßen. Weil aber kein messbarer Schaden mangels Bestellung zustande kommt, liegt das pos. Interesse bei 0€. Und das pos. IR beschränkt das neg. IR (150€)
Gerald von Trivia
7.3.2021, 19:25:22
@DerErsteSchwarzeKanzler Hi! Ja, das würde ich genauso wie du es geschildert hast wiedergeben. Wäre aber auch schön, dass von einem der Mitarbeiter nochmals bestätigt zu bekommen :). Für mich persönlich aber genau die richtige Interpretation.
Eichhörnchen I
10.3.2021, 13:03:01
In den Fällen der Anfechtung begrenzt § 122 Abs. 1 BGB den Anspruch auf das
positive Interesse. Hier geht es aber nicht um eine Anfechtung, sondern um eine Verletzung einer vorvertraglichen Schutzpflicht. Grundsätzlich umfasst dieser Anspruch (§ 311 Abs. 2 Nr. 2 BGB) zwar „nur“ den Vertrauensschaden (
negatives Interesse), wird dafür aber der Höhe nach nicht durch das
Erfüllungsinteresse(
positives Interesse) begrenzt.
Edward Hopper
9.6.2022, 16:13:46
Einhörnchen hat Recht. Eine entsprechende Regelung bei § 311 gibt es nicht (wie zum Beispiel bei § 122 oder § 179 II), die eine Begrenzung rechtfertigen würde. Was anderes würde früher vertreten aber spätestens mit Wegfall des § 307 alte Fassung (wo eine Begrenzung explizit drin stand) lässt sich eine Begrenzung kaum vertreten. In diesem Fall kam es aber gar nicht darauf an da der Wirt im Originalfall kein
negatives Interessevortragen konnte, sondern er wollte ne Pauschale. Dies hat das Gericht nicht akzeptiert. Auf eine Begrenzung kam es insoweit nicht an.
der unerkannt geisteskranke E
4.1.2023, 21:40:41
@[Eichhörnchen I](136823) Im Fall des 122 ist es dich gerade das
negative Interesse, also der Vertrauensschaden („den Schaden […], den der andere […] dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit vertraut“, also doch ausdrücklich der Vertrauensschaden. Oder sehe ich das falsch?
Edward Hopper
2.5.2023, 22:29:02
QuiGonTim
17.7.2022, 16:27:02
Lukas_Mengestu
18.7.2022, 15:26:14
Hi QuiGonTIm,
positives Interesse= wie hättest Du gestanden, wenn der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (zB Kosten für einen Ersatzkauf, der teurer ist).
negatives Interesse= wie hättest Du gestanden, wenn der Vertrag nie zustande gekommen wäre und Du nicht auf die Erklärung des anderen vertraut hättest (zB Du hättest die Kaufsache zB gewinnbringend an einen anderen Käufer verkaufen können, der sie jetzt aber nicht mehr will). Ist es nun klarer? Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
mareike01
7.12.2022, 07:08:58
Ich merke mir das mit "P"ositiv = "P"flicht erfüllt; "N"egativ = "N"ichts gehört. Vielleicht hilft es! :)
IsiRider
22.10.2022, 15:14:28
Der Vertrauensschaden ist nun wie hoch?
Lukas_Mengestu
23.10.2022, 14:28:44
Hallo IsiRider, das kommt letztlich auf den konkreten Einzelfall an und wäre vom Wirt darzulegen und ggfs. zu beweisen. Durch die fehlende Absage müsste zunächst a) tatsächlich ein anderer Gast abgewiesen worden sein und b) müsste ermittelt werden, was dieser konsumiert hätte. Das Gericht darf die Schadenshöhe schätzen (§ 287 Abs. 1 ZPO). Als Grundlage könnten zB Dabei könnte man zB Durchschnittswerte anderer Gäste zugrunde gelegt werden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Vanilla Latte
5.10.2023, 22:18:33
Also wären das hier 150 Euro gewesen?
Juratiopharm
21.12.2023, 19:35:07
Hinsichtlich des
Bewirtungsvertrags wird gesagt, dass der Gast ja auch erscheinen könnte, dann aber auf der Karte nichts mag und geht. Wenn jetzt aber über die
culpa in contrahendodoch ein Schadenersatz in Höhe eines Durchschnittsverzehrs angenommen wird, wird diese Wertung doch umgangen? Der fiktive Sachverhalt würde doch keine Pflichtverletzung begründen - oder doch?
Leo Lee
25.12.2023, 16:02:23
Hallo Juratiopharm, vielen Dank für diese sehr gute Frage! In der Tat ist diese Unterscheidung etwas verwirrend. Jedoch soll hiermit klargestellt werden, dass ein SE aus einem „richtigen“ Vertrag immer noch (streng) zu unterscheiden ist von dem vorliegenden „Fehlverhalten“. Auf die Ansprüche auf materieller Seite hat dies natürlich wenig Auswirkungen; allerdings ist beim CIC der Anknüpfungspunkt für die Pflichtverletzung eben das Nichterscheinen ohne zeitiges Absagen (ob der Gast beim Erscheinen bestellt hätte oder nicht, spielt also für die
Vertragsanbahnungund für das Nichterscheinen erstmal keine Rolle). Zudem besteht auch ein Unterschied darin, dass beim CIC immerhin der Gastwirt beweisen muss, dass ihm ein möglicher Gewinn (durch Annahme eines anderen Gastes) entgangen sind. Summa summarum kann man sagen, dass sich der Unterschied auf der beweisrechtlichen Ebene auswirken dürfte :). Besinnliche Feiertage und einen guten Rutsch wünscht dir das Jurafuchsteam!
Stella2244
23.8.2024, 12:59:58
@[Leo Lee](213375) Warum ändert sich die Beweislast? Auch bei einem Schadensersatzanspruch aus Vertrag müsste doch der Gastwirt den Schaden beweisen. Danke!
§🗿
24.4.2024, 12:34:20
Moin zusammen :) @QuiGonTim hatte ja bereits hier im Thread gefragt, was der Unterschied zwischen positivem und negativem Interesse ist. Meine Frage nun: Haben
positives Interesseund
negatives Interesseauch unterschiedliche Anspruchsgrundlagen? Oder weshalb wird hier unterschieden? Liebe Grüße!
Stella2244
23.8.2024, 13:03:43
@[§🗿](212850) Es gibt manche Ansprüche die zb. nur den Vertrauensschaden ersetzen (
negatives Interesse). Das ist zum Beispiel bei
§ 122 BGBder Fall. Ersetz wird nur das
negative Interesse. Der Betrag wird durch den Wert des positiven Interesse jedoch gedeckelt. Man erlangt also das
negative Interessevoll, nach oben jedoch gedeckelt durch das
positive Interesse.
Lena123
29.5.2024, 07:50:30
wie würde denn der Fall aussehen, wenn der Gast schon genau die Bestellung angibt und das Restaurant schon die Zutaten gekauft hat. Ist dann eine Art Vorvertrag entstanden ?
brrrap
11.6.2024, 09:27:04
Da müsste man dann die konkreten Willenserklärungen beider Seiten in dem Fall nach §§ 133, 157 BGB auslegen. In solchen Fällen wird es mitunter auch darauf ankommen, ob ein Preis schon besprochen wurde. Wenn das gegeben ist, dann wird man auch durchaus sagen können, dass der
Bewirtungsvertragschon im voraus geschlossen wurde, auf einen Vorvertrag kommt es da gar nicht an. So ist es ja zB beim Catering für Events. Wurde ein Preis noch nicht besprochen, so würde ich eher dazu tendieren und noch keinen Vertragsschluss annehmen. Allerdings kann der Preis für die extra für den Gast erworbenen Zutaten ggf. als vergeblich Aufwendungen über den Vertrauensschadensersatz geltend gemacht werden.